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Montag, 4. Juli 2016

Ann Cotten „Verbannt!“ - Ein Lesetagebuch (4): Ann’s Sound

Die Ich-Erzählerin ist eine junge Frau namens Ann (wie die Autorin). Sie arbeitet als Fernsehmoderatorin beim „Neuen Fernsehen“, das sie ab 2020 mit entwickelt hat, eine Utopie also (obwohl: „O Neues Fernsehen, so sehr wie das Alte war!“, S. 29). 

Im ersten Kapitel erzählt Ann ausführlich von ihrer Arbeitswelt und in dem Zusammenhang von dem Anlass, der zu ihrer „Verbannung“ auf eine einsame Insel führt: sie hatte sich in Lena verliebt, die vierzehnjährige Tochter einer Kollegin. Die Redaktion entwickelt im darauf folgenden Jahr in Zusammenarbeit mit Lena und Ann zunächst das Format „Verführ den Moderator“, in dem Lena Heftiges aus ihrem Erfahrungsschatz ausspielt. Ann hält das nicht aus, fängt an zu trinken und zu randalieren. Daraufhin beschließt die Redaktion, sie auf eine einsame Insel zu verbannen, unter Mitnahme von drei Gegenständen ihrer Wahl.

Das „Neue Fernsehen“ erinnert den Leser doch sehr an das alte, an RTL und seine Formats aus den letzten zehn Jahren, und die sogenannte Verbannung auf eine Insel lässt Assoziationen zu  bekannt-berüchtigten Formats wie „Dschungelcamp“, „Wild Island“ und „Adam sucht Eva“ aufkommen.

Meyers Konversationslexikon von 1910
Im zweiten Kapitel wird Ann auf einer Südseeinsel ausgesetzt. Mitgenommen hat sie ein Messer, einen Schleifstein und Meyers Konversationslexikon von 1910 in 22 Bänden. Dieses Lexikon, das ja die Enyklopädie von Allem ist, wird in den kommenden Kapiteln des Epos immer wieder die Stichworte geben, at random wie es scheint. Noch auf dem Boot, liest sie das Lemma „Leuchtraketen“, und wir können uns den Sound von Ann Cotten an einer von ihr selbst gelesenen Textprobe (Strophe 2 bis 6 von Kapitel 2) demonstrieren lassen:


Ann Cotten liest aus „Verbannt!“

Die letzten vier Zeilen dieser Textprobe gehören zu den schönsten aus dem ganzen Epos und sind auch inhaltlich sehr wichtig (vgl. die Akzentuierung von "Alles" im zweiten Beitrag meines Lesetagebuches):

Denn eigentlich wird es wesentlich sein, einen einzigen
Kuss zu verfolgen, wohin er dich immer bringt.
Dort seiend, weißt du, du erlebst nur einen winzigen
Teil alles anderen - doch der Teil singt.

(Ann Cotten, Verbannt!, S. 32)

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