Bürgerschaftsdokument der palästinensischen Behörde für Jacob Israël de Haan (Ausstellung in der Groninger Synagoge) |
Café Deutschland
Op een borrel met de cultuur van de buur
Cookie
Sonntag, 15. September 2024
Jacob Israël de Haan und Arnold Zweig
Samstag, 14. September 2024
Wilhelm Busch und Marie Anderson (2): Wer war Marie Anderson?
Marie Anderson (1842-1917) war zur Zeit ihrer Kontaktaufnahme mit Wilhelm Busch 32 Jahre alt. Sie kam aus einer höheren Beamtenfamilie aus Den Haag. Ihr Vater hatte dort den ersten Tierschutzverein der Niederlande gegründet, und Tierschutz gehörte von ihrer frühen Kindheit an zu ihren leidenschaftlichen Interessen.
Sie wuchs humanistisch-emanzipatorisch auf und verkündete schon als junge Frau ihre Ansichten in Leserbriefen an die Freidenker-Zeitschrift „De Dageraad“. Damit gewann sie die Aufmerksamkeit des Schriftstellers Eduard Douwes Dekker, der 1860 unter dem Pseudonym Multatuli mit seinem antikolonialistischen Roman „Max Havelaar“ Furore gemacht hatte. Der Roman ist einer der bekanntesten Klassiker der niederländischen Literatur und gehört, sofern man dort noch liest, noch heute zur Schullektüre.
Dieser skandalumwobene Multatuli suchte Kontakt zu Marie und ging mit ihr heimlich in den Scheveninger Dünen spazieren. Er war ein sehr charismatischer Mann - sowohl in intellektueller als auch in erotischer Hinsicht – und versammelte eine ganze Gruppe junger Frauen in seiner „Legion der Kinder von Insulinde“. Sein politisches Ziel war, eine antikolonialistische, emanzipatorische und feministische Partei zu gründen.
Marie nahm mit ihrer besten Freundin Mimi (die später Multatulis zweite Frau werden sollte) an den Zusammenkünften teil. Indessen schrieb sie weiter Leserbriefe, aber auch persönliche Briefe an einflussreiche Männer. Aus einem dieser Kontakte resultierte eine Liebesbeziehung zu einem verheirateten Mann, von dem sie 1870 ein Kind bekam. Der Mann wollte seine Frau nicht verlassen, ermöglichte Marie aber ins Ausland zu gehen und in Köln einen kleinen Laden für Zigarren und Eau de Cologne zu eröffnen.
Auch Multatuli weicht 1870 wegen finanzieller und gerichtlicher Probleme nach Deutschland aus und erprobt in Wiesbaden sein „totsicheres“ Roulettesystem. Mimi begleitet ihn, und schließlich verlegt auch Marie ihren Laden nach Wiesbaden, wo sie im nächsten Umkreis von Multatuli verkehrt.
Maries Laden in Wiesbaden. Bildkonzeption: P. Groenewold/ Ausführung: ChatGPT |
Von dort aus also nimmt sie Anfang Januar 1875 Kontakt zu Wilhelm Busch auf…
Meine Informationen stammen aus drei Quellen:
- Dik van der Meulen, Multatuli. Leven en werk van Eduard Douwes Dekker, Nijmegen 2002
- Gaia van Bruggen, Verheven ongemanierd. Mimi en Multatuli, Amsterdam 2023
- Gaia van Bruggen bereitet augenblicklich eine Biografie von Marie Anderson vor. Ihrer Website https://www.vrouwenrondmultatuli.nl habe ich für mein kleines Blogprojekt am meisten zu verdanken.
Das Literarische Quartett vom 13. September
Es gibt es noch, das gute alte Literarische Quartett, in dem heftig über Romane gestritten wird. Im linearen Fernsehen läuft die Sendung nachts um halb zwölf. Sie ist aber am nächsten Morgen bereits in der ZDF-Mediathek zugänglich.
Alle vier Romane führten diesmal zu wildem Durcheinanderreden, aber vielleicht lag’s auch an den kontroversen Charakteren der Diskutanten. Besprochen werden:
Francesca Melandri, Kalte Füße
Nora Bossong, Reichskanzlerplatz
Arno Geiger, Reise nach Laredo
Alexander Schimmelbusch, Karma
Mit dem letzten Roman habe ich mich hier ja schon mehrfach beschäftigt, und ich habe den Eindruck, dass Thea Dorn und ihre Runde dem Konzept Alexander Schimmelbuschs nicht ganz gewachsen waren. Vielleicht hatten sie auch Angst vor dieser satirischen Dystopie.
Unterhaltsam war dieses Quartett allemal:
https://www.zdf.de/kultur/das-literarische-quartett
Freitag, 13. September 2024
Zwergenzyklus (9): Schneewittchen und der Zauberspiegel
Schneewittchen und der Zauberspiegel
Ihr wisst, wie es im Märchen ging
Mit dem Spiegel und der bösen Königin:
„Spieglein, Spieglein an der Wand
Wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Da antwortete der Spiegel:
„Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier,
Aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.“
Die Königin wurd‘ auf die Dauer
Auf ihren Zauberspiegel sauer.
Die Antwort auf ihre Lieblingsfrage
Geriet für sie zur Nervenplage.
Und weil sie das so sehr verdross,
Kam er zum Abfall hinters Schloß.
Ein Zwerg zog ihn dort aus dem Müll,
„Vielleicht, dass ihn Schneewittchen will!“
Schneewittchen war durchaus erfreut:
„Solch einen Spiegel hab’n nicht alle Leut‘!“
Sie hing ihn in ihr Kämmerlein
Und schloss sich vor den Zwergen ein.
Dann trat sie vor den Spiegel hin und sprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand,
Wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Der Spiegel antwortete: „Oh Weh und Ach!“ - - -
„Schneewittchen, Ihr seid die Schönste hier,
Doch Euer Spiegelbild ist genauso schön wie Ihr.“
Da wurd‘ Schneewittchen grün und gelb vor Tücke
Und schlug den Spiegel in tausend Stücke.
Bildkonzeption: P. Groenewold/Ausführung: ChatGPT |
Donnerstag, 12. September 2024
Wilhelm Busch und Marie Anderson: eine deutsch-niederländische Begegnung (1)
Wilhelm Busch (1832-1908) war - und ist immer noch - ein in Deutschland sehr beliebter humoristisch-satirischer Zeichner und Texter von Bildergeschichten für Kinder und Erwachsene (zum Beispiel „Max und Moritz“, 1862).
Anfang 1875, er war 42 Jahre alt, erhielt er einen Brief von einer ihm unbekannten niederländischen Frau: Marie Anderson. Busch war sehr erfreut über diesen auf niederländisch geschriebenen Brief, denn Marie Anderson gab darin ein sehr positives Urteil ab über sein jüngst erschienenes Gedichtbändchen „Kritik des Herzens“ (1874) und stellte dazu einige Fragen. Er konnte ihn ganz gut lesen, da er während seiner künstlerischen Ausbildung einige Zeit in Antwerpen verbracht hatte.
In Deutschland war zu seinem großen Verdruss die Reaktion der Leser und der Kritik auf seine neuen Gedichte sehr verhalten gewesen. Das hätte er sich eigentlich denken können: sein Ruhm gründete sich nun einmal auf die neuartige und erheiternde Zusammenwirkung von Bild und Text und auf die Zugänglichkeit seines Werkes auch für ein breites kleinbürgerliches Publikum. So war das bei „Max und Moritz“ und vielen weiteren Bildergeschichten gewesen.
In „Kritik des Herzens“ hatte er dagegen seinen dichterischen Anspruch höher geschraubt und ganz auf Zeichnungen verzichtet. (Der Titel spielte sogar auf Kants „Kritik der reinen Vernunft“ an.) Nun saß er mürrisch in seinem Geburtsort Wiedensahl, als ihn der Brief der niederländischen Dame erreichte. Er schrieb kurz und freundlich zurück, und binnen weniger Wochen entspann sich ein reger Briefwechsel. Die Briefe wurden immer länger, persönlicher und auch intimer.
Die zehn Jahre jüngere Marie, die übrigens zu der Zeit in Wiesbaden wohnte, schickte ihm Artikel, die sie in niederländischen Zeitschriften veröffentlicht hatte (über Vivisektion und Tierschutz). Er lobte ihre Ansichten, und sie tauschten Porträtfotos aus. Schließlich verabredeten sie sich zu einem persönlichen Treffen in Mainz, wo er auf der Durchreise nach Frankfurt Station machen würde.
Diese Begegnung hat am 6./7.Oktober 1875 stattgefunden. Marie brachte dazu, etwas überraschend, ihren fünfjährigen Sohn mit. Wilhelm und Marie hatten im „Holländischen Hof“ intensive Gespräche bis 2 Uhr nachts. Er trank dabei ziemlich viel Wein, war aber am Morgen fit, und sie machten zusammen einen Ausflug zum nahen Weinort Hochheim, wo er wieder viel Wein trank. Nach diesem Treffen kommen der Briefwechsel und die Herzlichkeit allerdings ins Stocken, um dann im Laufe von 1878 ganz zu verebben.
Die deutschen Busch-Biografen haben diesen Vorgang zwar interessiert beschrieben, sich aber in ihrer Fixierung auf den verehrten Busch nie um den Hintergrund der mysteriösen niederländischen Dame gekümmert. Marie war keine Witwe wie sie schreiben. Ihre Briefe sind auch leider nicht erhalten. Seine hat Marie Anderson selber noch im Jahr seines Todes 1908 in Deutschland herausgegeben („Wilhelm Busch an Maria Anderson, 70 Briefe“, Rostock 1908). Das Buch hatte mehrere Auflagen.
Ich beginne hier eine kleine Reihe von Blogposts in der Hoffnung, etwas mehr Licht in diese Beziehung bringen zu können und zwar von beiden Seiten.
Dienstag, 10. September 2024
Sahra Wagenknecht als nonverbale Erscheinung
Florian Illies hat in der ZEIT vom 5. September einen außerordentlich originellen Artikel über die Ähnlichkeit von Sahra Wagenknecht und Nofretete geschrieben („Mit der Ruhe von Jahrhunderten“, Die ZEIT Nr. 38, S. 47).
„Man hatte ja bislang immer das Gefühl, seit Jahrhunderten sitze Wagenknecht mindestens einmal die Woche in einer deutschen Talkshow, um mit starrem Blick in eine Gegenwart und Zukunft zu schauen, die niemand außer ihr erkennen konnte. Wenn sie nicht sprach, verwandelte sie sich in eine unbewegliche Statue, ihre Gesichtszüge erinnerten in ihrer Feinheit und Strenge an die berühmte Büste der Nofretete (…).“
Nach weiteren Ausführungen über beide Frauen beendet Florian Illies seinen schönen Artikel mit diesem Satz:
„Sahra Wagenknecht bleibt, durchaus ungewöhnlich für eine Populistin, nicht durch mitreißende rhetorische Auftritte in Erinnerung, sondern als nonverbale Erscheinung, als Büste einer Frau, der es egal ist, wer unter ihr auf dem Ministerpräsidentensessel sitzt.“
Nicht Björn Höcke, sondern Sahra Wagenknecht wird die Bundesrepublik verändern, die Frau, die aus dem Stand heraus mit einer Partei, die ihren Namen trägt, in die Landesparlamente einzieht und ohne die nicht mehr regiert werden kann.
Konzeption Abbildung: P. Groenewold/Ausführung ChatGPT |
Montag, 9. September 2024
Zwergenzyklus (8): Die Grafikfunktion von ChatGPT
Das Experimentieren mit der Grafikfunktion von ChatGPT macht mir großen Spaß. Beim Versuch, das Programm Abbildungen zu meinen Zwergengedichten machen zu lassen, bin ich aber sofort an eigentlich vorhersehbare Grenzen gestoßen. ChatGPT weigerte sich wiederholt, Bilder mit Schneewittchen und den sieben Zwergen zu erschaffen: „Ich konnte das Bild leider nicht generieren, da die Anfrage gegen die Inhaltsrichtlinien verstößt.“ Es hilft dann aber, sich in diese Inhaltsrichtlinien hineinzuversetzen: Es geht um die Vermeidung von Diskriminierung aller Art, Ausschließung auch nur ansatzweise erotischer Inhalte und um große Vorsicht, was die mögliche Verletzung von Urheberrechten betrifft. Mit kreativen Neuformulierungen der Anfrage ist es aber möglich, diese Verweigerungshaltung zum Teil zu umgehen.
Hier sind zwei Beispiele:
Schöpfungsgeschichte
Am Anfang schuf Gott Himmel und Zwerge,
Und ihre Köpfe waren kahl und leer.
Da lieh Gott ihnen seine Mütze,
Die gaben sie nie wieder her.
Die Zwergin und der Schwan
Die Zwergin war einst blind vor Liebe
Zu einem Schwan!
Vor allem dessen langer Hals
Hatt‘ es ihr angetan.
Verzichten wollt‘ sie keinesfalls:
Auch Zwerge haben Triebe.
Doch eines brachte sie von Sinnen:
Sie konnt’ nicht schwimmen!
Konzeption: P. Groenewold/Ausführung: ChatGPT |