Cookie

Dienstag, 29. Oktober 2013

Rededeutsch: Rafael Horzons ultimatve Lösung zur Vereinfachung der deutschen Sprache

Das weitestgehende Projekt Rafael Horzons, das er in seinem Roman “Das Weisse Buch” beschreibt, ist “Redesign Deutschland”. In einem Manifest auf der Website erklärt er uns in zehn Punkten seinen Plan:


Punkt 7 dieses Plans betrifft die grundlegende Vereinfachung der deutschen Sprache:

“REDESIGNDEUTSCHLAND neu gestalten deutschland in all bereichs. Neu deutsch sprache heissen redesigndeutsch, kurz rededeutsch. Rededeutsch vereinfachen grammatik auf zehn regels und sein erlernbar ohne vorkenntniss in wenig stundes. Dies grammatik sein anwendbar
auf all spraches von welt.”
Die entsprechende Grammatik in zehn Regeln hat er ausgearbeitet. Sie wäre vielleicht auch eine Lösung für den niederländischen Deutschunterricht:

Zur Demonstration hat er den Anfang von Goethes Faust in rededeutsch übersetzt:

Das Ganze erinnert mich sehr an “Unserdeutsch”, das Pidgindeutsch aus der Kolonialzeit von Deutsch-Neuguinea. Wahrscheinlich hat Horzons Freund Christian Kracht mal mit ihm darüber gesprochen. Siehe meinen Artikel in Café Deutschland.
 

Schöner Vergleich

Christian Kracht hat auch eine Reihe kurzer Reisereportagen geschrieben, die sich nach der Lektüre im Leser festsetzen: verstörende Bilder aus der exotischen Gegenwart, sprachlich sehr elegant gefasst.

Hier zum Beispiel ein schöner Vergleich bei der Beschreibung eines Geschäftsabschlusses:
“Bob notierte sich die Bestellungen, sein Kugelschreiber flog über das Papier wie ein emsiger Sperling auf Nahrungssuche.”

Christian Kracht, “ET IN ARCADIA EGO. Ein Besuch in Djibouti/2003”, in : New Wave, München 2008, 14

Sonntag, 27. Oktober 2013

Das Ende der soften Nation

Wir erleben in diesen Tagen eine Zäsur, die das Ende von Nachkriegsdeutschland als softe Nation einläutet. Die Töne, die darauf weisen, sind weniger in der ach so vorsichtigen deutschen Politik zu hören, auch nicht in der naiven Empörung in den sozialen Medien über die Ausmaße der Ausspionierung unserer Daten und Kommunikation, sondern bei den nachdenklichen und weiterdenkenden Journalisten.

Das wurde mir heute während der Sendung „Presseclub“ der ARD deutlich (die man sich bei „Sendung verpasst“ bei der ARD angucken kann). Die meisten der dort geäußerten Gedanken und Meinungen sind nicht neu, sie wurden aber nie mit der nüchternen Konsequenz formuliert wie es der Herausgeber der „Zeit“, Josef Joffe, tat: Nationen sind keine Freunde. Deutschland muss dasselbe mit den USA und den anderen Verbündeten tun wie die USA und die anderen Verbündeten es mit uns tun. (Dass wir über englische und französische Ausspionierung weniger hören, liegt nur daran, dass es bisher keinen englischen oder französischen Edward Snowden gibt).

Wir müssen davon ausgehen, dass es Zeit für solche Gedanken ist und dass dies auch den Regierungsinstitutionen klar ist, in denen ja - anders als viele vielleicht denken - keine Trottel sitzen.
Natürlich sollte man auch nicht so naiv sein, dass die deutschen Nachrichtendienste sich bisher von allen „befreundeten“ Nationen ferngehalten haben, aber das Regelwerk und der Finanzrahmen sind um Dimensionen restriktiver als bei den Amerikanern.

Diese Zäsur betrifft das Nachkriegsdeutschland wie wir es kennen bis ins Innerste. Wir gehen also spannenden Zeiten entgegen, wie die neue Weltlage sich in deutsche Politik umsetzt.

Das neue BND-Gebäude in Berlin: gross genug für zukünftige Aufgaben?

Die frohe Botschaft: Angriff auf Deutschland

Es sind immer noch Steigerungen möglich. Lest die Titelgeschichte im neuen Spiegel! Das Spionagenest befindet sich im Zentrum Berlins: in der amerikanischen Botschaft.


Donnerstag, 24. Oktober 2013

Bundesverdienstkreuz für Edward Snowden


Die angemessene Antwort auf die entstandene Situation:

Gebt Edward Snowden das Bundesverdienstkreuz und politisches Asyl in Deutschland!

Die wilden neunziger Jahre - Zum Hintergrund von „Das weisse Buch“ von Rafael Horzon

Bei „Tzum“ ist meine Rezension anlässlich der niederländischen Ausgabe von Rafael Horzons „Het witte boek“ (Leesmagazijn: Amsterdam 2013) erschienen.

Dieser autobiografische Roman ist auf dem Hintergrund der abenteuerlichen Ereignisse im Berlin der neunziger Jahre entstanden. Wer einen Eindruck davon bekommen will, ist bei folgendem Buch gut aufgehoben: Felix Denk und Sven von Thülen, Der Klang der Familie. Berlin, Techno und die Wende, Berlin 2012.

Es gibt auch einen Dokumentarfilm von Lucian Busse, in dem unter anderem Rafael Horzons „Galerie Berlintokyo“ vorkommt: Berlinized. Sexy an Eis, 2011. Ein Trailer steht auf YouTube. Eine DVD scheint es nicht zu geben.

Eine eindrucksvolle Dokumentation zur Geschichte des Techno-Clubs „Tresor“ bietet „SubBerlin – The Story of Tresor“. Der Film steht in voller Länge auf YouTube.

Es wird niemanden überraschen, dass ich selbst bezüglich dieser Dinge ein weißes Blatt bin. Aber „Das weisse Buch“ geht in seinem ironischen Anarchismus weit über die Berliner Subkultur hinaus und kommt mir darin fröhlich entgegen.

Maya Brush: eine digitale Person im First Life?


Ihr Gesicht erinnert an Seven-of-Nine aus Star Trek, aber hinter ihr verbirgt sich keine reale Schauspielerin, sondern sie ist ein wirkliches Wesen einer anderen Welt (www), eine virtuelle Frau, konzipiert nach dem Schönheitsideal der Medien am Anfang des 21. Jahrhunderts.
Maya gibt es seit 2011. Sie hat einen wunderschönen Körper, der sie zum Model prädestiniert, und angeblich interessiert sich Karl Lagerfeld schon für sie. Ihre Schöpferin, die deutsche Medienkünstlerin Kirsten Geisler verspricht uns, dass Maya aus der virtuellen Welt heraustreten und sich unter uns mengen wird. Das ist interessant: Es hat ja schon viele lebensechte digitale Figuren gegeben, auch Filme mit digitalen Darstellern und Computerprogramme mit Avatars, aber ihre Schöpfer sahen ihr Ziel gerade in einer möglichst perfekten Illusion innerhalb des Mediums. Maya dagegen soll im „First Life“ auftreten, nicht im (schrecklich langweiligen) „Second Life“.

Wenn Maya in der realen Welt erscheint, bin ich gespannt, was sie uns zu sagen hat.

Maya hat auch einen Facebook-account mit vielen, vielen Freunden, die ihr immer am 4. Februar zum Geburtstag gratulieren.

Sonntag, 20. Oktober 2013

Moritz von Uslar


Ostdeutschland – Ein Männermärchen: Moritz von Uslar, “Deutschboden”

Im literarischen Blog „Tzum“ ist meine Rezension zur niederländischen Ausgabe von Moritz von Uslars „Deutschboden“ erschienen. Von Uslar hat 2009 drei Monate im brandenburgischen Zehdenick gelebt und dazu einen faszinierenden Bericht geschrieben.

Der kleine niederländische Verlag „Leesmagazijn“ hat damit einen guten Griff getan. Weitere werden folgen: Zum Beispiel erscheint im Frühjahr 2014 dort die niederländische Übersetzung von Christian Krachts „Imperium“.
„Deutschboden“ ist übrigens inzwischen verfilmt worden.

Samstag, 19. Oktober 2013

Peter Handkes Höherer Humor – Ein Satz aus dem Pilznarren

Jeder essbare Pilz ist für eine Überraschung gut. Das steht im „Versuch über den Pilznarren". Und jeder Satz bei Peter Handke gleichfalls. Man muss sich auf ihn einlassen: auf den Pilz im Mund und auf Handke im Kopf:

“Sich einlassen – und das Munden verlangsamt das Essen zum Speisen, das Speisen zum Kosten, und das Munden, Speisen, Kosten gehen über ins Beherzen und Beseelen wie, ach, gar zu selten, das Essen, das Mahlzeiten, und kraft all dessen zusammen zu guter Letzt das Herabsinken und zugleich, herrje!, seltener als selten, Pulsen der Ruhe, gepaart mit dem, weh, nur zu den heiligen Zeiten, Aufsteigen des Gottnächsten in dir und mir, lieber Leser: des bestirnten Himmels der Phantasie!“
Peter Handke, Versuch über den Pilznarren, Berlin 2013, 148f.

Ach! Herrje! Weh! Die vielen Substantivierungen! Darunter völlig ungewöhnlich „das Mahlzeiten“, das eine ganz eigene, ungekannte Konnotation entwickelt. Und hier wird – das einzige Mal – der Leser angesprochen, der eben auch die Chance zu dieser Erfahrung hat – wenn er sich einlässt!

Ach! Herrje! Weh! Was macht mir das für Spaß: der Höhere Humor bei Handke!

P.S.: Im "Freitag" ist eine schöne Rezension zum Pilznarren erschienen.

Jacob-Grimm-Preis für Ulrich Tukur

Heute erhält der Schauspieler, Sänger und Schriftsteller Ulrich Tukur den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache 2013.

Tukur hat übrigens vor kurzem eine offenbar lesenswerte Novelle veröffentlicht: „Die Spieluhr“.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Animation Loop – ein minimalistisches Trickfilmgenre

Ich interessiere mich ja für minimalistische Genres wie Haiku-Gedichte, Kürzestgeschichten und Brickfilme (das sind Stop-Motion-Filme mit Legofiguren). Heute habe ich nach den Preisträgern des Bremer Brickfilm-Festivals im Sommer gesucht, war aber von den Filmen so enttäuscht, dass ich keinen in mein Blog setzen möchte. Das war schon mal anders. Bei der Suche habe ich aber eine für mich neue Minimalform entdeckt: den Animation Loop.



Ich war auf der Spur eines jungen deutschen Trickfilmers, Robert Löbel, der dieses Jahr auf dem Kurzfilm-Festival in Hamburg mit seinem Film „Wind“ einen Preis gewonnen hat. Dieser Film ist nicht auf You Tube etc. zu sehen. Dafür fand ich einen Beitrag von ihm zum Animation-Loop-Wettbewerb auf der Website www.loopdeloop.org .
Die Macher der Site schreiben diesen Wettbewerb alle zwei Monate unter einem neuen Thema aus. Daran beteiligen sich dann Amateure und Professionals aus aller Welt. Zu Anfang dieses Jahres war das Thema „Hollywood“ . Hier kann man Löbels Beitrag dazu sehen: "Jack vs. Johnny". Ansonsten empfehle ich, einfach ein bisschen auf der Site herumzustöbern.

Die Leseratte (9)


Samstag, 12. Oktober 2013

Peter Handke - Ein Pilzwunder!

In seinem neuen Buch „Versuch über den Pilznarren“ beschreibt Peter Handke die Geschichte eines Jugendfreundes, der in seiner Kindheit in den Wäldern Pilze gesammelt hat, um sie zu verkaufen, Pfifferlinge vor allem, die „Gelben“.

Später wurde aus dem Jungen ein bekannter Anwalt, der mit Pilzen nichts mehr am Hut hatte, bis er, in seinem fünfzigsten Lebensjahr, in Anzug und Krawatte durch den Wald schreitend, zum ersten Mal bewusst einen Steinpilz wahrnahm. Die Szene beschreibt Handke wie eine mystische Offenbarung, eine ungekannt intensive Erfahrung von Gegenwart und Natur. Sie sollte das Leben des Mannes verändern. In erster Linie nimmt seine Entwicklung zum „Pilznarren“ hier ihren Lauf.

Er trägt den Pilz wie eine Reliquie vor sich her zum Treffpunkt mit seiner Frau in einer Bar. Der Barkeeper ist zufällig auch ein Pilzliebhaber und beginnt mit seinem Messerchen „hauchfeine, oblatenähnliche Stücke“ von dem Pilzfuß abzuschneiden. Er weist seine Gäste auf das Geräusch beim Zerteilen hin und auf die Tröpfchen, die aus den Schnittstellen quellen. Wo habe man je einen derart klaren Wassertropfen gesehen?

“Und schon hatte der Barmann den Teller mit den fast durchsichtigen weißen Rondellen, diese roh, gespickt mit Zahnstochern, dem Paar hinübergereicht, und mein Freund und seine Frau kosteten das Gericht, ohne eine Zutat, kosteten bedenkenlos – die Frau im übrigen als erste – und verzehrten im Lauf der Stunde den ganzen so zubereiteten Pilz, wobei das Essen bis zuletzt ein Kosten blieb. Wie noch nie kam mein Freund auf den Geschmack. Und das hieß: Mithilfe der Speise gut denken und Gutes denken, Gutes fühlen.“

Peter Handke, Versuch über den Pilznarren, Suhrkamp: Berlin 1913, 82f.

Eine mystische Mahlzeit! Im Laufe des Buches verweist Handke auf die vielen verschiedenen Namen, die die Pilzsorten auch innerhalb derselben Sprache haben. Denen kann ich noch die Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Niederländischen hinzufügen: Auch nach Jahrzehnten haben die Wörter „cantharellen“ (Pfifferlinge) und „eekhoorntjesbrood“ (Steinpilze) für mich einen besonders schönen und fast mystischen Klang.

Auf den Berliner Märkten gab es sie in den letzten Wochen im Überfluss. Am besten schmecken sie mir pur, ganz ohne Beilagen. Roh müssen sie allerdings nicht unbedingt sein.

Weiteres zu diesem kleinen Roman mit seinen wunderschönen Natur- und Naturempfindungsbeschreibungen findet sich zum Beispiel in dieser Rezension in der FAZ.

Freitag, 11. Oktober 2013

Das Hüpfen der Wörter bei Peter Handke: Der Zwergfrosch

“Einer der Zwergfrösche, welche sich am Anfang des Sommers, von beinlosen Kaulquappen umgewandelt in Vierfüßler, von dem kleinen See unten aufgemacht hatten zu Abertausenden in die Hügelwälder als den ihnen bestimmten, wer weiß wie und ob dauerhaften, Lebensraum, wurde, eine Seltenheit, sichtbar und hüpfte, nicht größer als meines Freundes halber Fingernagel, wegauf, zu verwechseln mit einer der kreuz und quer laufenden Bodenspinnen, und von seinem Gehüpfe, so gewichtlos das winzige Tier wirkte, wirbelte jetzt, und jetzt, ein Sandkörnchen auf, ‚von all den Abertausenden ein Überlebender!‘“

Zitat aus: Peter Handke, „Versuch über den Pilznarren“, Suhrkamp: Berlin 2013, 74

 

Mittwoch, 9. Oktober 2013

„Erfinde einen Deutschen“ revisited – Ein Beitrag zur Fremdsprachendidaktik


Vor 25 Jahren habe ich das Unterrichtskonzept „Erfinde einen Deutschen“ entwickelt. Vor 17 Jahren habe ich es in einer um die Möglichkeiten der Computerdidaktik erweiterten Form für meine Dissertation „Land in Sicht“ (aufgeschrieben. Ich halte es immer noch für ein modernes und nützliches Instrument der Fremdsprachendidaktik, insbesondere, was die damals noch teilweise utopischen Elemente der Computerdidaktik betrifft.
Hier ist das entsprechende Kapitel aus „Land in Sicht“ (Groningen 1997) ohne den computerdidaktischen Teil. Den bringe ich noch gesondert. Das Ganze sprengt sowieso die Grenzen des Blogs, ist aber sicher für viele niederländische Deutschlehrer interessant.


7.3     Das Begegnungsspiel: "Erfinde eine(n) Deutsche(n)"[1]


                              "Jeder Mensch trägt eineinhalb Stunden Programm mit sich herum. Lernt man jemanden kennen, erfährt man zunächst vom Geburtsort und den Ge­burts­um­ständen des Unbekannten, bekommt einige El­tern- und Ge­schwister­details zu hören, wird ein wenig über Aus­bildungs- und Ver­mögensverhält­nisse des Betreffenden informiert, danach über die Ehe oder das Schei­tern der Ehe, oder das Aus-Gu­tem-Grund-Nie-Verheiratet-Ge­wesen-Sein, schließlich folgt noch ein ge­wisses Maß an Mit­teilung à propos der beruflichen Situation und neuester Akqui­sitionen sowie dem Sieg über eine schwere Krankheit. Im Ideal­fall wer­den auch noch Fein­schmec­ker-, Film-, Theater-, Lite­ratur- und Musikvorlieben diskutiert. Nach neunzig Minuten ist die Dar­bietung, ton­bandkas­settenähnlich, ab­gelaufen. Alles Spätere wird Wiederholung oder Variation des bereits Erzähl­ten sein."

                              (Peter Stephan Jungk, Die Unruhe der Stella Federspiel, 1996)


    Bei der Vorstellung des folgenden Unterrichtsmodells geht es uns um die Darstellung einiger Prinzipien, die die Praxismöglichkeiten eines begegnungs­orientierten, dialogi­schen und partizipatori­schen Landes­kundeunterrichts illustrieren und den in Ab­schnitt 2.8.1 zusam­menge­faßten Anforderungen auf der Unterrichtsebene entsprechen. Themati­siert werden die Teile des Konzepts, die in besonderem Maße alltags­ästhetische Schemata und Deutungsmuster und ihre sprachli­che Re­präsentation betreffen. Es handelt sich also nicht um einen zeitlich und inhaltlich sequenzierten Unter­richts­entwurf. Zugrunde liegt eine Un­terrichts­reihe, die ich mit Studen­ten im ersten Semester in der Leh­rer­ausbildung einer niederländi­schen Hochschule durch­geführt habe. Das Modell ist sehr flexibel und kann leicht auf verschiedene Niveaus und Zeitrahmen zuge­schnit­ten werden.


7.3.1   Das Simulationsmodell

    Ausgangspunkt bei der Entwicklung des hier vorgeschlagenen Ver­fahrens ist die Idealvorstellung, die Lernenden während des Kurses die Kommunikationsgemein­schaft der Zielkultur simulieren zu lassen. Simulation ist Reduktion: In diesem Sinne möchten wir auch das ein­leitende Zitat von Peter Stephan Jungk verstanden wissen, dessen inhärenten Zynismus wir nicht unbedingt mit in die Didaktik trans­por­tieren wollen. Ein Simulationsspiel reduziert die chaotische Vielfalt der Realität auf ein überschaubares Maß, in dessen Rahmen­ordnung freies Spielhandeln möglich wird.

    Jeder Lerner also erfindet eine Figur, die einen Bürger der Bundes­repu­blik Deuts­chland (bzw. des jeweiligen Ziellandes) repräsentie­ren soll. Die fiktive Biographie dieser Figur wird von Unter­richtsstunde zu Unterrichts­stunde erweitert und ergänzt. Bereits in der ersten Unter­richts­stunde werden einige Grundmerk­male festgelegt und vorgestellt: Vor- und Nachname, dadurch auch das Geschlecht, Alter, Geburt­sort, Wohnort und Beruf. Bis auf eine einschränkende Regel - die Figur sollte nicht jünger als 18 Jahre alt sein; das ist das Minde­stal­ter der Gruppen­teilnehmer - sind die Kursteilnehmer dabei in ihren Entschei­dungen frei. Damit verfügt die Gruppe über eine nach relativem Zu­fallsprin­zip gestreute Minipopulation der Bundesrepu­blik Deutsch­land. Die Wohn- und Geburtsorte der Figuren werden von ihren Erfin­dern auf der Landkarte gezeigt. Dabei werden auch die Bundesländer ermittelt, in denen die Orte liegen. Die Wohnorte aller Figuren werden von den Teilnehmern auf ein Arbeitsblatt mit den politischen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland eingezeichnet.

    In der Anfangsphase äußern sich die jeweiligen Erfinder beschrei­bend über ihre Figuren, die allmählich von "flat characters" zu "round cha­racters" werden. Sie sollten auch ihr Äußeres und ihre Charakterei­genschaften beschreiben können. Langsam erhalten die Figuren ein rudimentäres Alltagswissen über ihren Wohnort und seine Umgebung, über ihre politische und/oder weltanschauliche Einstellung und einen Überblick über ihren bisherigen Lebenslauf. Für diese Erweiterun­gen sind oft Recherchen nötig, die im Rahmen der vorhandenen Möglich­kei­ten eingeplant werden sollten. Optimal ist es, wenn diese Recher­chen mit realen oder simulierten Sprach­handlun­gen verbunden wer­den können: z.B werden Informatio­nen zum Wohnort über einen Brief an das zuständige Fremdenver­kehrsamt eingeholt und ggf. durch die Benutzung von Reiseführern und Nachschla­gewerken ergänzt. Die Verarbeitung soll nicht Referatscharakter haben, sondern in der Ge­sprächsform erfolgen, die bei einem zufälligen Kontakt mit einem Stadtfremden realisiert wird.
Zur Fortsetzung hier klicken:

Montag, 7. Oktober 2013

Terezia Mora

…und der Deutsche Buchpreis 2013 geht an…

Terezia Mora für ihren Roman „Das Ungeheuer“.

Schon drei Mal habe ich in der Long- und Shortlistprozedur einen Titel genannt und lag drei Mal daneben. Ein viertes Mal wollte ich nicht, und es wäre auch wieder daneben gewesen.

Macht nichts, dieser Roman hat alles, was ein Buchpreisgewinner braucht.

Grenzen in beweging - Eine Geschichte der Welt nach 1945

Soeben ist eine Geschichte der Welt nach 1945 erschienen, die von dem Team verfasst wurde, in dem ich die letzten 17 Jahre gearbeitet habe:

Antoon De Baets, Jaap den Hollander, Stefan van der Poel (red.),
Grenzen in beweging: De wereld van 1945 tot heden
(Houten/Antwerpen: Unieboek-Het Spectrum, 2013, 476 pagina's).


Hieronder volgt een overzicht van de inhoud. De prijs is € 39,99.
Bestellen kan bij voorbeeld via
 


 
 
Voorwoord

1. Eigentijdse geschiedenis: een proloog (Antoon De Baets & Jaap den Hollander)

DEEL I. HET NATIONALE PODIUM: NEDERLAND EN BELGIË

2. Nederland (Doeko Bosscher)

3. België (Gita Deneckere & Bruno De Wever)

DEEL II. EUROPA TUSSEN DE COULISSEN

4. West-Europa en de Europese integratie (Peter Groenewold)

5. Transformaties in Midden- en Oost-Europa (Sipke de Hoop & Stefan van der Poel)

6. Europa en de Verenigde Staten (Tity de Vries)

DEEL III. HET WERELDTONEEL

7. Politiek van de grote mogendheden (Jaap den Hollander)

8. Internationale veiligheid (Ine Megens)

9. Economische groei en sociale ongelijkheid (Geurt Collenteur & Maarten Duijvendak)

10. Religieuze en sociale bewegingen (Clemens Six)

11. Cultuur en media (Susan Aasman & Jaap den Hollander)

12. Patronen van globalisering (Antoon De Baets)


Bibliografie

Register

Over de auteurs

Computerspielemuseum in Berlin

Bei meiner Reminiszenz an “Asteroids” gestern hätte ich noch darauf hinweisen wollen, dass es in Berlin ein Computerspielemuseum gibt. Das sei hiermit nachgeholt: Vor Ort befindet es sich in der Karl-Marx-Allee 93a, im weltweiten Netz unter der Adresse http://www.computerspielemuseum.de/

Sonntag, 6. Oktober 2013

Asteroids – ein Computerspielklassiker

Mal was anderes in Café Deutschland: In den Urzeiten der Video- und Computerspiele sind wunderschöne Spiele entstanden, die unter heutigen Gesichtspunkten als minimalistisch gelten können und dadurch für mich eine besondere Attraktion haben.

Eines davon ist „Asteroids“ von 1979. Hier muss ein kleines Raumschiff, das von allen Seiten von Asteroiden bedroht ist, sich seinen Weg freischießen. Ab und zu taucht auch ein UFO auf, das extra Punkte bringt. Diese Spielidee ist in späteren Jahren in technisch viel aufwändigerer und perfekterer Form gestaltet worden, aber das Urspiel finde ich noch heute ästhetisch und spieltechnisch völlig überzeugend.

Asteroids 1979
Man spielte das Spiel in den computerlosen achtziger Jahren in den Spielhallen, und etwa genauso oft wie ich einen Hamburger esse, konnte man mich in der Poelestraat in Groningen Asteroids spielen sehen: etwa drei bis vier Mal im Jahr. Aber immer mit Begeisterung!
Auf dieser Website findet sich online das Urspiel nebst späteren Versionen.

Freitag, 4. Oktober 2013

Die Leseratte (8)


Literaturbeilagen im Herbst 2013

In den nächsten Tagen kommen die großen Tageszeitungen anlässlich der Frankfurter Buchmesse mit besonderen Literaturbeilagen:

- die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Samstag, 5.10

- die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) am Sonntag, 6.10.

- die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Dienstag, 8.10.

- die Tageszeitung (taz) bringt ihre "literataz" am Mittwoch, 9.10.

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Hommage an Cecilie (2): Wilhelm auf Wieringen

Dass der letzte deutsche Kaiser nach seiner Abdankung im November 1918 ins Exil nach Doorn in die Niederlande gegangen ist, ist allgemein bekannt.

Weniger bekannt ist, dass auch sein Sohn, der Kronprinz Wilhelm, etwas später gleichfalls in die Niederlande ausgewichen ist und von der niederländischen Regierung mit strengen Auflagen auf der Insel Wieringen bei Texel untergebracht wurde. Dort hat er fünf Jahre unter kargen Umständen in Verbannung gelebt und durfte die Insel nur für Besuche in Doorn verlassen.

 
Der Kronprinz hatte nicht auf seine Nachfolgerechte verzichtet und war deshalb sowohl im frischrepublikanischen Deutschland als auch in den Niederlanden eine potentiell gefährliche Person.

Seine Frau, die Kronprinzessin Cecilie, hatte sich entschieden, mit ihren sechs Kindern in Deutschland zu bleiben und hat ihren Gatten erst bei seiner Rückkehr 1923 wiedergesehen. Sie hat in diesen Jahren mit den gewaltigen Veränderungen für Deutschland und ihr persönliches Leben eine mutige und anpackende Existenz geführt.

Wilhelm wohnte also fünf Jahre in Abgeschiedenheit im ehemaligen Pfarrhaus der kleinen Insel Wieringen. Wieringen? Nie gehört, und diese Insel gibt es auch nicht mehr: Sie ist ab 1924 durch den Amsteldiepdijk mit dem Festland zusammengewachsen.

Vor zehn Jahren war ich für meinen Artikel über Wolfgang Koeppens Roman “Die Jawang-Gesellschaft” auf der Suche nach dieser Insel, deren Namen ich nicht kannte. Eine Hauptfigur des Romans war der Freiherr Blois, der auf der Insel wohnte. Und in der Tat: Das Adelsgeschlecht der Blois ist seit dem 15. Jahrhundert mit dieser verschwundenen Insel verbunden. Trotz Kontakten zu heutigen Nachfahren bin ich nicht auf diese Spur gekommen. Koeppen kam 1934 in die Niederlande und wusste natürlich – wie damals jeder Deutsche - von der Verbannung des Kronprinzen.


Cecilie kam wohl einmal zu Besuch auf die Insel, und so ganz extrem war die Abgeschiedenheit des Prinzen nicht, wie eine Karikatur von 1919 vermuten lässt. Der Geschichte dieser Verbannung werde ich noch einen eigenen Artikel widmen.

Literaturbeilage zur Frankfurter Buchmesse

Die ZEIT erscheint heute anlässlich der Frankfurter Buchmesse mit einem achtzigseitigen Literaturmagazin.