Der “Spiegel”
(10/2015) bringt diese Woche anlässlich der kommenden Leipziger Buchmesse
(12.-15. März) ein “Buchmesse Spezial” mit vielen Rezensionen.
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Samstag, 28. Februar 2015
Deutschland im Nirwana
Freitag, 27. Februar 2015
Ein Gespräch in der Nikolaikirche: Heinrich August Winklers fragwürdige Gegenwart und Frank Walter Steinmeiers Bescheidenheit
In der Berliner Nikolaikirche fand gestern Abend eine
bemerkenswerte Veranstaltung statt: Quasi auf höchstem wissenschaftlichen und
politischen Niveau befassten sich zwei gestandene ältere Herren mit einer
Theorie der Gegenwart.
Bei den beiden Herren handelte es sich um den deutschen Außenminister Frank Walter Steinmeier und
Professor Heinrich August Winkler, dessen voluminöse “Geschichte des Westens”
gerade mit dem vierten Band abgeschlossen wurde, der sich mit der Zeit von 1991 bis 2014 beschäftigt:
Engel der Geschichte (Foto: Michael Gottschalk) |
“Geschichte des
Westens. Die Zeit der Gegenwart”, 687 Seiten, C.H. Beck Verlag, München 2015, 29,95 Euro
Winkler gab eine
halbstündige Zusammenfassung seiner “Zeit der Gegenwart”. Etwas nervig war dabei
die mantraartige Wiederholung (ungefähr zehn Mal!) der Formel “1776 und 1789”: Beide Revolutionen – sowohl die amerikanische als auch die
französische – bilden laut Winkler die Grundlage für das “normative Projekt”
des Westens, die Erklärung und Verwirklichung der Menschenrechte.
Nun ist aber
dieses Mantra für Winkler nicht nur der Kern seiner historischen Analyse des
18. Jahrhunderts, sondern auch das von ihm propagierte politische Leitkonzept für
das 21. Jahrhundert. Das neue Jahrhundert ist eine Zeit neuer Unsicherheit. Die
Jahre 2001 und 2014 bilden die Zäsuren. Insbesondere 2014 stelle durch das
Auftauchen des “Islamischen Staates” und Russlands neoimperialistischen Krieg in
der Ukraine einen “Epochenwechsel” dar.
Die Antwort des Westens müsse ein entschlossener transatlantischer Zusammenhalt
und ein ideologisch selbstbewussteres Auftreten sein.
In diesem Sinne ging er noch einen Schritt weiter: Das atlantische normative Projekt der
Menschenrechte und der Menschenwürde sei intellektuell dem Rest der Welt
geradezu hoffnungslos überlegen. Diese Überlegenheit zeige sich nicht nur im
Vergleich zum Islamischen Staat und Putins Russland, sondern in einem globalen
Sinn.
Das musste ich erst einmal verdauen: dieses Statement von einem hölzern dozierenden deutschen Historiker, der nie die Relativierung des Denkens durch das Leben in einem anderen Land und in einer anderen Kultur erfahren hat. Und dies unter Außerachtlassung der Tatsache, dass die Erfindung der Menschenrechte ursprünglich einzig und allein der Freiheit des Handels gedient und dass diese Freiheit uns noch 2008 eine Weltfinanzkrise beschert hat, die jederzeit umfangreicher und verheerender wiederkehren kann.
Das musste ich erst einmal verdauen: dieses Statement von einem hölzern dozierenden deutschen Historiker, der nie die Relativierung des Denkens durch das Leben in einem anderen Land und in einer anderen Kultur erfahren hat. Und dies unter Außerachtlassung der Tatsache, dass die Erfindung der Menschenrechte ursprünglich einzig und allein der Freiheit des Handels gedient und dass diese Freiheit uns noch 2008 eine Weltfinanzkrise beschert hat, die jederzeit umfangreicher und verheerender wiederkehren kann.
Wie wohltuend
waren dagegen die Statements des deutschen Außenministers. Mag sein, dass er von der
Notwendigkeit des transatlantischen Zusammenhalts genauso überzeugt ist wie sein
sozialdemokratischer Parteifreund Winkler. Das ist nicht der Punkt. Aber bei
ihm kamen die Erfahrungen seines immensen Arbeitspensums an den außenpolitischen Brennpunkten der Welt zum
Tragen. Und die Bescheidenheit, zu der er mehrfach aufrief, ist nicht nur die
Bescheidenheit des Diplomaten, der sich an der Kunst des Möglichen abarbeiten
muss, sondern die größere Bescheidenheit eines Menschen, der sich der
Komplexität der Welt bewusst ist.
Die Veranstaltung hatte viel illustres Publikum angezogen
und ein paar interessierte Rentner. Man saß sozusagen auf dem Elitenpodium der Republik. Neben uns setzte sich Klaus Staeck, der uns mitteilte, er sei auch schon mal für Otto und für Rolf Hochhuth
gehalten worden. Da haben wir ihm erzählt, dass wir in den achtziger Jahren in
den Gängen unseres Instituts seine Poster aufgehängt haben und dass von mir ein
schönes Foto existiert vor dem Plakat mit der Aufschrift “Lesen macht dumm und
gewalttätig”.
Mittwoch, 25. Februar 2015
Herz und Haare
Die mir liebsten Zeilen aus dem Gedicht „Berlin“ von Adelbert von Chamisso (siehe Beitrag von vorgestern) sind:
„Ein halbes Hundert mir entrauschter Jahre
Hat nicht mein Herz berührt, nur meine Haare.“
Man beachte allerdings den Unterschied zwischen Chamisso und mir:
Adelbert von Chamisso, 1781-1838 |
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