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Samstag, 24. Juli 2021

Nietzsche (24): Arnon Grunberg und Nietzsche

In der Volkskrant vom 24. Juli hat Arnon Grunberg unter dem Titel „Lezenslessen“ einen Essay über seine Leseempfehlungen für seinen kleinen Sohn Alyosha (und alle zwischen 0 und 18) veröffentlicht.

 

Abbildung Volkskrant - Typex

Außer dem Struwwelpeter und Max und Moritz kommt darin auch Nietzsche vor:

 

„Een paar jaar later las ik Zo sprak Zarathustra van Friedrich Nietzsche (1844-1900), weer een boek dat ik niet begreep maar dat diepe indruk op mij maakte. Zo wilde ik ook schrijven en zo begón ik ook te schrijven. Eerst maar een citaat: ‘Angst namelijk – dat is het erf- en grondgevoel van de mens; vanuit angst is alles te verklaren, erfzonde en erfdeugd. Uit de angst is ook mijn deugd voortgekomen, die ‘wetenschap’ heet.’ Camus en zijn theorieën over het absurde zijn me dierbaarder, tegenover Camus sta je als lezer (en schrijver) op gelijke hoogde, althans die illusie heb ik, tegenover Nietzsche blijf je een kluns. Nietzsche is onontbeerlijk. De schoonheid van de pathetiek die ons even verzoent met het onverzoenlijke.” (De Volkskrant, Boeken & Wetenschap, p. 4)

 

Grunbergs Meinung über Camus im Vergleich zu Nietzsche und zu Nietzsche selbst teile ich.


Abbildung Volkskrant Typex


Dienstag, 20. Juli 2021

Die Volkskrant vom 20. Juli 2021 – ein journalistisches Highlight zu sich entfaltenden globalen Veränderungen

Nur einige Male in meinem Leben habe ich eine Tageszeitung nicht einfach am nächsten Tag zum Altpapier gelegt, sondern sie aufbewahrt, manchmal jahrelang, bis sie irgendwann bei einem Umzug verschwunden ist. Der Tag nach dem Fall der Berliner Mauer gehört dazu und 9/11: einzigartige, wunderbare oder katastrophale Ereignisse, die globale Folgen haben sollten.

 

Von einem vergleichbaren Ereignis ist heute nicht die Rede. Die niederländische Volkskrant vom 20. Juli 2021 enthält dagegen eine ganze Reihe teils ausführlicher Berichte und Analysen von Entwicklungen, die erst im weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts ihre ganze Wirkungsmacht entfalten werden und die gestern oder heute einen signifikanten Entwicklungspunkt erreicht haben.

 

Ich nenne fünf aufregende Themenbereiche, die in ihrer professionellen journalistischen Präsentation dazu geführt haben, dass ich heute dreimal soviel Zeit wie sonst mit der Zeitung verbracht habe und nun diesen Blogbeitrag schreibe:

 

1. Das Brüsseler Ultimatum an Polen in Sachen Rechtsstaatlichkeit (Seite 1)

2. Die Bedrohung der Demokratie durch die Spionage-Software Pegasus (Seite 2/3)

3.  Der erste bemannte private Raumflug von Jeff Bezos‘ Raumschiff „New Shepard“, ein suborbitaler ballistischer Flug (Seite 4) und, thematisch ergänzend, der Robotarm ERA für die ISS (Seite 16/17)

4. Chinas Datenpolitik mit restriktiven Maßnahmen auch gegen chinesische Großkonzerne (Seite 11-13)

5. Der Bericht über das Zomergasten-Gespräch mit dem Rijksbouwmeester Floris Alkemade und, thematisch ergänzend, die Berichte und Analysen zur Flutkatastrophe in Deutschland, Belgien und den Niederlanden (Seite 6/7 und 10)

 

Drei kurze und zwei längere Begründungen zur Bedeutung der einzelnen Items:

 

1. Die Titelseite mit dem Artikel von Marc Peeperkorn: ‚Brussel stelt Polen keihard ultimatum over rechtsstaat‘. 

Wenn es der EU nicht gelingt, die von ihrer Rechts- und Werteordnung abweichenden Mitglieder wie Polen und Ungarn in ihrem Sinne zu beeinflussen, steht die Europäische Union als Ganzes auf dem Spiel. Der heutige Schritt ist ein deutliches Zeichen in die richtige Richtung.

 

2. Der Artikel von Huib Modderkolk, ‚Spionagesoftware uit Israël bedreigt de democratie, ook die van Nederland‘. 

Die Software Pegasus macht weltweit eine Abhörung von Handygesprächen möglich, ohne dass der Handybesitzer etwas davon mitbekommt. Gerade wurde deutlich, dass der EU-Mitgliedsstaat Ungarn Gebrauch von dieser Software gegenüber Journalisten macht. Dies ist natürlich nur ein Beispiel für ein Problem, das viel umfassender ist und auch mit Thema 4 zusammenhängt.


New Shepard von Blue Origin
 

3. Der Artikel von George van Hal, ‚Weer gaat een miljardair de ruimte in‘.

Der private Raumflug, von dem hier die Rede ist, hat erst heute Nachmittag um 15 Uhr erfolgreich stattgefunden und hätte auch schiefgehen können (mit durchaus unabsehbaren Folgen). Er hat aber sensationell gut geklappt, und der Amazon-Mann Jeff Bezos, sein Bruder sowie der 18jährige niederländische Student Oliver Daemen (der einen sehr reichen Vater hat) und die 82jährige amerikanische Luftfahrt-Frau Wally Funk verbrachten den Flug problemlos in einer Raumkapsel neuen Typs ohne Raumanzüge und mit grandioser Aussicht durch große Fenster. Okay: es dauerte auch nur eine viertel Stunde, aber dies ist in allen erdenklichen Hinsichten der Anfang einer neuen Phase der Raumfahrt, von der ich 1961 beim ersten Flug von Alan Shepard gedacht hatte, sie würde sofort beginnen. Damals war ich 12 Jahre alt und begeisterungsfähig (auch heute noch!). Kurz darauf habe ich für einige Jahre die Zeitschrift „Weltraumfahrt und Raketentechnik“ abonniert, bis ich konsterniert feststellen musste, dass ich absolut kein Beta-Typ bin und Germanistik studiert habe.

 

Es hat unabsehbare sechzig Jahre gedauert, bis die private Raumfahrtindustrie diesen Schritt des amerikanischen Staates wiederholen konnte und sie tut es mit unvergleichlich größerer Eleganz: mit einer aufrecht landenden und wiederverwendbaren Raketenstufe und einem Raumschiff, dass erstmals den Illustrationen von damaligen Science-Fiction-Heftchen gleicht, die ich fasziniert gelesen habe. Und direkt nach der Landung die große Umarmung der lässig gekleideten Raumfahrer/Innen mit Familie und Freunden. Das hat es so noch nie gegeben. Es ist deutlich: dies hat Zukunft. Und das vielfältige moralistische Gemäkel, dass man mit all diesen Milliarden auch den Hungernden hätte helfen können, ist obsolet. All die Großmilliardäre, sie helfen durchaus!

 

In derselben Ausgabe der Volkskrant steht auch ein zweiseitiger Artikel über den Robotarm ERA, der an der internationalen Raumstation ISS befestigt werden kann, ein niederländisches Produkt, das seit 35 Jahren in Entwicklung war und nach vielen Problemen aller Art nun einsetzbar ist. Auch dies ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zu industriellen Produktionen im Weltall und zum Beschreiten von Wegen, die sich Jeff Bezos in den Kopf gesetzt hat. Leider schildert der Artikel nur die mühsame Enstehungsgeschichte des Arms und nicht, was man mit ihm alles machen kann. Es wird nicht einmal deutlich, wie groß und stark das Ding ist, aber Bezos wird es in Zukunft brauchen können.

 

4. Der Artikel von Leen Vervaeke, ‚Alibahbah – de mondiale strijd om de data van Chinese burgers’.

Die Pekinger Regierung hat, für viele überraschend, in letzter Zeit ausgerechnet die erfolgreichsten chinesischen Internet-Betriebe Alibaba, Ant Group und nun die Taxi-App Didi unter ihre Kontrolle genommen und behindert sie damit an ihrem weltweiten Erfolg, auch was Investitionen aus dem Ausland betrifft. Börsengänge weiterer florierender Betriebe werden hierdurch eher unwahrscheinlich. Was steckt hinter diesem Vorgehen gegen den eigenen Erfolg? Vervaeke zitiert in seinem Bericht Kendra Schaefer, eine amerikanische China-Spezialistin mit einer überzeugenden Theorie zu dieser Entwicklung: ‚In de hele wereld hebben we enorme hopen data, maar we weten nog niet goed hoe daar als economische grondstof mee om te gaan. Je kunt het vergelijken met landeigendom in het Amerika van de jaren 1700: toen was er geen eigendomsstructuur, iedereen nam wat hij wilde. Nu zijn er eigendomsakten, bouwvoorschriften, alles is vastgelegd. Als je naar data kijkt, zijn we nu in het jaar 1700. Wat China nu doet, is data in kleine stukjes splitsen, en bepalen wat veilig is om als economische grondstof te gebruiken.’ 


Diese Begründung erscheint mir sehr überzeugend und wirft einen Blick auf die Zukunft dieses Jahrhunderts, in der China eine überwältigende globale Vorherrschaft gewinnen wird, schon aufgrund der Tatsache, dass es seine Politik nicht in kurzen Vier-Jahres-Intervallen neu bestimmen muss, sondern auf Jahrzehnte hin planen kann. Vergleichbare Tendenzen in der Kontrolle und Zügelung großer Internetbetriebe sind im Westen nicht festzustellen. Sie schaffen es ja noch nicht einmal, Steuern zu erheben. Die humane Superiorität und Effektivität der demokratischen Staaten wird hier auf eine existentielle Probe gestellt werden und da sie selbst nicht vor Untergrabung von innen gefeit sind (Trump und andere), werden sie sich nicht auf die heutige Weise halten können.

 

5. Im Kulturteil gibt es als feste Rubrik eine Fernseh-Rezension von Arno Haijtema, die diesmal unter dem Titel ‚Verandering‘ der Zomergasten-Sendung mit dem „Rijksbouwmeester“ Floris Alkemade gewidmet ist, die auch in der Mediathek zugänglich ist: https://www.vpro.nl/programmas/zomergasten/kijk/afleveringen/2021/floris-alkemade.html . 

Wer als Deutscher bei dem Wort „Reichsbaumeister“ Irritationen erfährt, sollte sich bei Wikipedia informieren: https://nl.wikipedia.org/wiki/Rijksbouwmeester .

Floris Alkemade hat eine Vielzahl von Vorschlägen und Ideen wie Bauen und Infrastruktur im 21. Jahrhundert aussehen kann und sollte. Angesichts der aktuellen Flutkatastrophe gibt er Einsichten und Hoffnung für die Zukunft.

Haijtema beendet seine Rezension mit dem Satz: "Inspirierend, al wist ik de volgende ochtend nog niet meteen waar te beginnen."