Billy Wilder |
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Freitag, 31. August 2012
In den Ruinen von Berlin: Billy Wilder, A Foreign Affair
Bei meiner
Beschäftigung mit dem Jahr 1945 habe ich mir wieder den Film A Foreign Affair (1948) von Billy Wilder
angesehen. Er gefällt mir immer besser.
Wilder war
bereits 1933 aus Deutschland geflohen. 1945 ist er kurze Zeit im besetzten
Berlin als Offizier der amerikanischen Armee für Reeducation und
Filmangelegenheiten zuständig und leitet dabei die Aufnahmen für die
KZ-Dokumentation Die Todesmühlen.
Seinen Plan, einen Spielfilm im zerstörten und besetzten Berlin zu drehen, kann
er erst 1947 verwirklichen. A Foreign
Affair ist ein durch und durch ironischer und teilweise zynischer Film über
die halb anarchistischen Verhältnisse in den Ruinen von Berlin. Die Deutschen
kriegen ihr Fett, aber die Amerikaner auch. Kein Wunder, dass der Film damals
kein Erfolg wurde.
Die Ruinen sind
echt. Wilder hatte die Aufnahmen noch 1945 gemacht. Der Film wurde zum Teil in
den Babelsberger Ufa-Studios gedreht und dann in Hollywood fertiggestellt. Wie
es möglich war, dass Wilder 1947 in der Sowjetzone arbeiten konnte, habe ich
noch nicht herausbekommen. Sein Nachfolger als Filmoffizier der Amerikaner war
Erich Pommer, ein bekannter Filmproduzent aus den zwanziger Jahren. Pommer
hatte natürlich gute Kontakte zur Ufa und der daraus hervorgegangenen DEFA.
Wahrscheinlich ist das über ihn gelaufen.
Der Film lebt
stark vom Kontrast der beiden Frauenrollen: Jean Arthur als hyperkorrekte, aber
erotisch korrumpierbare Kongressabgeordnete und Marlene Dietrich als mondäne Nachtclubsängerin
mit Nazi-Vergangenheit. Die Abgeordnete Phoebe Frost untersucht die Moral der
amerikanischen Besatzungstruppen und wird mit dem wilden Nachtleben
konfrontiert:
Donnerstag, 30. August 2012
Der beste deutsche Roman der letzten zwanzig Jahre: „Austerlitz“ von W. G. Sebald
Der Roman Austerlitz (2001) von Winfried G. Sebald
ist das bedeutendste Beispiel für die literarische Behandlung der deutschen
Vergangenheitsschuld. Das Sehen beziehungsweise das unzulängliche Sehen spielt darin eine
große Rolle.
In Austerlitz wird eine Philosophie des unzureichenden
Sehens im Hinblick auf Vergangenheit und Erinnerung entwickelt, eine Art
Sebaldsche Unschärferelation. Je näher man hinzuschauen versucht, desto
undeutlicher wird das Gesehene. Als Erwachsener begibt Austerlitz sich auf die
Suche nach seinen wirklichen Eltern. Die Bruchstücke seiner Erinnerung treiben
ihn in durch Europa, in einer um das schwarze Loch Deutschland herum kreisenden
Bewegung, bis er in Prag die richtige Spur findet. Immer wieder spielt bei
dieser Suche das unzureichende Sehen und Erkennen eine Rolle, bis zum Höhepunkt
der auf Film und Foto festgehaltenen Bilder seiner Mutter in Theresienstadt,
die sich in Zeitlupe und Vergrößerung in unscharfe Pixel auflösen.
Sebald ergänzt
seinen Text mit Dutzenden von Fotos, die Austerlitz‘ Suche und Erinnerung dokumentieren
und das Unschärfesyndrom demonstrieren. Am Anfang des Romans werden alle Motive
wie in einer Ouvertüre angespielt. Gleich die ersten vier Abbildungen sind dem
Motiv des Sehens gewidmet: zwei Fotos der großen Augen von Nachttieren mit
besonderem Sichtvermögen und zwei von den Augen von Menschen mit gesteigerter
Erkenntnisfähigkeit. Bei letzteren handelt es sich um die Augen des Philosophen
Ludwig Wittgenstein und des Malers Jan Peter Tripp, der ein Freund Sebalds war.
Sebald fährt hier
sozusagen die Wahrnehmungs- und Erkenntnisspezialisten der Tier- und
Menschenwelt auf, aber nur, um sie schon im nächsten Moment wieder in Frage zu
stellen.
Leider war „Austerlitz“
Sebalds letzter Roman. Der Autor ist
kurz nach der Fertigstellung bei einem Autounglück ums Leben gekommen.
Mittwoch, 29. August 2012
Palindrome, vorwärts wie rückwärts: aha
Ein Seetier iss,
o Ossi, reite es nie.
Ich liebe
Sprachspiele aller Art, also auch Palindrome. Dies ist mein Lieblingspalindrom
aus der Sammlung Gnudung.
Dienstag, 28. August 2012
Jan Brandt gegen die Welt – Ein Leserblog von Peter Groenewold
Ich habe letztes
Jahr zwischen August und November in meinem alten Blog einen fortlaufenden
Bericht zu meiner Lektüre des 900-Seiten-Romans Gegen die Welt von Jan Brandt geschrieben. Da ich den Roman sehr
schätze, bringe ich mein Leserblog hier noch einmal (allerdings ohne die Fotos):
Jan Brandt gegen
die Welt (0): Ein Leeraner geht in die Vollen
Wie jede Stadt
hat auch Leer in Ostfriesland einige Schriftsteller hervorgebracht. In den
Nachkriegsgenerationen gehört offenbar eine längere Lebensportion in Berlin
dazu, die ostfriesischen Wurzeln junger Männer zum Blühen zu bringen. Das ist
nun mit einem Jungen geschehen, der mit 36 in Berlin immer noch so aussieht,
wie ich mit 18 in Leer, bevor ich in Berlin meine Haare wachsen ließ. Rein
äußerlich ist ihm also nicht anzusehen, was er mir und anderen Leeranern voraus
hat. Der Junge heißt Jan Brandt.
Aber hier hat
sich offenbar etwas ganz Starkes ereignet: der Junge hat einen fast
1000seitigen Debütroman geschrieben, der im fiktiven Dorf Jericho in
Ostfriesland spielt. Er nennt ihn „Gegen die Welt“. Das ist derart kühn, dass
ich ihn unbedingt lesen möchte. Da ich kein Rezensionsexemplar davon erhalten
habe, muss ich aber bis zum 24. August warten oder zwei Tage länger, bis mir Amazon
das Ding schickt. Inzwischen steht das Ungetüm sogar auf der Longlist für den
deutschen Buchpreis. Und wie soll ich die tausend Seiten bloß einplanen? Am
selben Tag erscheint der neue Roman eines weiteren Leeraner Schriftstellers!
Jan Brandt gegen
die Welt (1): Über der Wortwolke
Heute ist es
angekommen. Irgendwie gefällt es mir auf Anhieb sehr gut. Ein dickes Buch: 927
Seiten! Ich habe es ausgepackt, habe dabei wie immer mit der Zellophanhülle
gekämpft, habe es beäugt und berochen und dann den Schutzumschlag entfernt.
Zur Fortsetzung bitte "Weitere Informationen" anklicken:
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Montag, 27. August 2012
Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (8), 2000-2012
Die ZEIT nennt
Daniel Kehlmann,
Die Vermessung der Welt
Uwe Tellkamp, Der
Turm
Café
Deutschland empfiehlt
W.G. Sebald,
Austerlitz (2001)
Pascal Mercier,
Nachtzug nach Lissabon (2004)
Jan Brandt, Gegen die Welt (2011)
Wenn es einen
deutschen Roman zum Thema Holocaust und Erinnerung gibt, der international mit großem Interesse wahrgenommen wurde und auch noch zehn Jahre später in den
Buchhandlungen liegt, dann ist es Winfried Sebalds Austerlitz, ein Buch über das, auch in der angelsächsischen Welt,
bereits Bibliotheken vollgeschrieben wurden. Irgendwie habe ich das Gefühl,
dass er in Deutschland unterschätzt wird. Es ist übrigens auch ein Roman, der
bei Historikern, die sich mit der Geschichtsschreibung zum Holocaust
beschäftigen, viel Aufmerksamkeit gefunden hat.
Die großen
Publikumserfolge kommen im ZEIT-Kanon und bei mir nicht vor. Das wären dann die
Romane mit Millionenauflagen so wie Patrick Süskinds Das Parfum und Bernhard Schlinks, Der Vorleser. Obwohl ich
mich mit beiden Romanen viel beschäftigt habe, hatte ich auch nicht das
Bedürfnis, sie hier einzureihen. Aber ganz enthalte ich mich doch nicht: ich
wähle Pascal Merciers Nachtzug nach Lissabon und begründe das hier gar nicht
weiter. Wer’s noch nicht kennt, wird sicher nicht enttäuscht sein.
Im letzten Jahr
habe ich in diesen Wochen des Jahres in meinem alten Blog zwanzig Beiträge über
meine fortschreitende Lektüre von Jan Brandts 900-Seiten-Roman Gegen die Welt geschrieben. Ich hatte
ihm den Deutschen Buchpreis 2011 gewünscht, leider vergebens. Da im
Feuilletonbetrieb vieles Gute schnell wieder untergeht, setze ich ihn jetzt wieder auf meine
Liste. Es ist einfach ein sehr guter Gegenwartsroman. Mein altes Blog ist
leider nicht mehr zugänglich. Deshalb stelle ich die zwanzig kurzen Beiträge morgen
in einer fortlaufenden Rezension zusammengefasst in Café Deutschland.
Samstag, 25. August 2012
Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (7), 1990-1999
Die ZEIT nennt
Herta Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger (1992)
Café Deutschland empfiehlt
W.G. Sebald, Die
Ausgewanderten (1992)
Elfriede Jelinek,
Die Kinder der Toten (1995)Herta Müller, Der Fuchs war damals schon der Jäger (1992)
Café Deutschland empfiehlt
Peter Handke, Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994)
Helmut Krausser, Melodien oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter (1993)
O je, die
neunziger Jahre: da begann das Gerede vom großen Wenderoman. Aber der ließ auf
sich warten. Der ZEIT-Kanon bedient hier praktischerweise lieber die beiden
überraschenden Nobelpreisgewinnerinnen. Ich nutze die Chance, endlich Peter
Handke seinen gebührenden Platz zu geben, und dann auch gleich mit einem
Schwergewicht: Mein Jahr in der
Niemandsbucht. Die Konsequenz Peter Handkes in seiner schriftstellerischen
Existenz ist nachgeradezu irrsinnig und atemberaubend. Schaut euch einfach mal
auf der Wikipedia sein Werkverzeichnis an! Deshalb hier nicht ein kleines,
leicht zu lesendes Buch wie Wunschloses
Unglück und auch nicht eines meiner Lieblingsbücher von ihm, Versuch über die Jukebox, sondern dieses
Meisterwerk, für das man sich Zeit nehmen muss.
Na, und dann fängt
Helmut Krausser an zu schreiben. Auch von ihm nehmen wir sein Meisterwerk: Melodien.
Zusammen haben die beiden Romane beinahe mehr Seiten als alle anderen aus
meiner Liste. Die neunziger Jahre: Zeit zum Zeitvertreib.
Mittwoch, 22. August 2012
Dienstag, 21. August 2012
Schöne Wörter
In den achtziger Jahren wurde ich beruflich mit einem Lehrbuch
konfrontiert, das in mir sofort eine innere Abwehr hervorrief. Es hieß „Schwere
Wörter“ und bestand aus einer Liste von Wörtern, die zwei Bedeutungen oder zwei
Geschlechter haben, im Niederländischen und Deutschen nicht dasselbe bedeuten
(„bellen“ = „telefonieren) oder die sich ähneln, aber transitiv und intransitiv
gebraucht werden, wie „legen“ und „liegen“. Es wurde an Universitäten und
Hochschulen als Idiombuch benutzt, das „bestudeerd“ = „gelernt“ werden musste.
Mir war dieser formalistische Ansatz zuwider und ich habe irgendwann
angefangen, eine Gegenliste anzulegen: „Schöne Wörter“. Zum Beispiel:
Affentanz, Ausputzer, Beamtenfilz, Bruchbude, Drückeberger, Duckmäuser,
Durchfall, Fingerspitzengefühl, Gabelstapler, Heißhunger, Hubschrauber,
Huckepack, Hupkonzert, Intelligenzbestie, Klapperkasten, Klapsmühle, Knutschfleck,
Krimskrams, Kulturbeutel, Lackaffe, Leithammel, Lückenbüßer, Lustmolch,
Murks, Murmeltier, Naseweis, Neidhammel, Nestwärme, Pantoffelheld, Plappermaul,
Plaudertasche, Pustekuchen!, Quatsch!, Saftladen, Sauhaufen, Schleimscheißer,
Schwerenöter, Sorgenkind, Stubenhocker, Traumtänzer, Zimtzicke, Zitterpartie.
Samstag, 18. August 2012
Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (6), 1980-1989
Die ZEIT nennt
Thomas Bernhard, Auslöschung (1986)
Christoph Ransmayr, Die letzte Welt (1988)
Christa Wolf, Kassandra (1983)
Uwe Johnson, Jahrestage (1983)
Thomas Bernhard, Holzfällen (1984)
Café
Deutschland empfiehlt
Botho
Strauß, Paare, Passanten (1981)Thomas Bernhard, Auslöschung (1986)
Christoph Ransmayr, Die letzte Welt (1988)
Sollte der auf
die geschwätzigeren und vergangenheitsorientierten Romane fixierte ZEIT-Kanon
ganz auf den Gegenwartsprosaisten Botho Strauß verzichten wollen? Eine Chance
haben sie noch, indem sie ihn in der nächsten Woche dem neuen Jahrtausend
zuschlagen, vielleicht mit seinem Buch Vom
Aufenthalt (2009). Das wäre dann ein
guter Griff. Ich entscheide mich für sein frühes Werk Paare, Passanten, das wie ein Blog avant la lettre wirkt und mir
schon deshalb sehr gut gefällt.
Und wenn schon
Thomas Bernhard in den achtziger Jahren, warum dann nicht mit seinem Hauptwerk Auslöschung?
Auch Christoph
Ransmayr lässt sich noch fürs neue Jahrtausend reklamieren, aber ich bin hier
für seinen aufsehenerregenden „postmodernen“ Roman Die letzte Welt, obwohl mir Die Schrecken des Eises und der
Finsternis (1984) eigentlich sein liebstes Werk ist.
Aus Zeitmangel
nur kurze Kommentare heute. Ich habe dafür alle Titel durchklickbar zur
Wikipedia eingestellt.Freitag, 17. August 2012
Donnerstag, 16. August 2012
Deutschland, Niederlande, Europa
"Lieber Berlin als Brüssel."
Leon de Winter. Schlusssatz seines Beitrags zur Seite “Wie wir euch sehen. Acht Schriftsteller aus der Euro-Zone sagen, was sie jetzt von uns halten”, DIE ZEIT Nr. 34, 16. August 2012, Seite 41
Dienstag, 14. August 2012
Wer ist Marjana Gaponenko? oder Die transnationale Schönheit der deutschen Sprache
Wie eine orientalische Fee, die die deutsche Sprache schöner spricht als alle Frauen, so will sie mir vorkommen. Ist das nun einfach eine gelungene Werbeaktion des Suhrkamp-Verlags, der diese junge, 1981 in Odessa geborene Frau in eine Suite des Hotels Imperial in Wien gesetzt hat, in der ihr neuer Roman “Wer ist Martha?” spielt? Dort spricht Marjana dann einige berückende Sätze über ihr Denken und Schreiben:
Die Ukrainerin Marjana Gaponenko lebt in Mainz und schreibt
auf deutsch. Deutsch ist ihre poetische Wahlsprache, die aus ihrem Munde ein dialekt-
und akzentfreies transnationales Flair gewinnt, das ich mit mit dem Ende von
Deutsch als mitteleuropäischer Kultursprache vor hundert Jahren verloren
wähnte. Sehr schön! Zu dem Roman kann ich noch gar nichts weiter sagen.
Montag, 13. August 2012
Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (5), 1970-1979
Die ZEIT nennt
Ingeborg
Bachmann, Malina
Peter Handke,
Wunschloses Unglück
Café
Deutschland empfiehlt
Christa Wolf,
Kein Ort. Nirgends (1979)Rolf-Dieter Brinkmann, Rom, Blicke (1979)
Zwei
grundverschiedene Bücher, die als gemeinsames Element nur die Verzweiflung
haben, aus der heraus sie geschrieben wurden. Die Ursachen dafür sind
allerdings auch wieder grundverschieden: Christa Wolf schrieb ihre nur auf den
ersten Blick historisch-beschaulich wirkende Erzählung 1977, im Jahr nach der
Ausbürgerung von Wolf Biermann und der Verschärfung des kulturpolitischen
Kurses der DDR. Ein kritisches Buch zur DDR-Gegenwart war nur in historischer
oder mythologischer Verkleidung möglich. In „Kein Ort. Nirgends“ erfindet Wolf
eine Begegnung zwischen Heinrich von Kleist und Karoline von Günderode und
lässt in deren Gesprächen die ganze Problematik und Verzweiflung des Lebens in
einer unfreien Gesellschaft aufscheinen. Soweit ich es beurteilen kann, hat
dieses Buch trotz seiner Aussichtslosigkeit, mehr noch als die spätere
Erzählung „Kassandra“, für die in der DDR bleiben wollenden Intellektuellen eine
große Rolle gespielt. Aber es ist auch im Westen viel gelesen worden.
Als der Rowohlt
Verlag Rolf Dieter Brinkmanns „Rom, Blicke“ 1979 in seiner Reihe „das neue buch“
herausbrachte, war Brinkmann als radikaler Vertreter der „neuen Subjektivität“ durch
seinen frühen Tod in London 1975 bereits so „interessant“ geworden, dass der
Verlag das Risiko einer aufwendigen Ausgabe in doppeltem Format und mit
hunderten von Fotos eingegangen ist. „Rom, Blicke“ ist eine Sammlung von
Briefen mit tagebuchartigen Aufzeichnungen und vielen Bilddokumenten von
Brinkmanns Aufenthalt in Rom, wo er 1972/73 ein Stipendium der deutschen
Kulturinstitution Villa Massimo erhalten hatte. Für Brinkmann stellt sich
dieser Aufenthalt als ein Anti-Arkadien dar; er hasst die antiken Trümmer, er
hasst die römische Gegenwart, für ihn ist das alles die „reinste Lumpenschau“, er
ist ein misanthropischer und psychopathischer Flaneur, der gleichwohl
aufmerksam beobachtet und seine Beobachtungen in atemloser, an Arno Schmidt
geschulter, Sprache wiedergibt. Das wird nicht jedem gefallen. Interessierte
finden hier mehr dazu.
Samstag, 11. August 2012
Ernst Jüngers Handy
In Ernst Jüngers
utopischem Roman “Heliopolis. Rückblick auf eine Stadt” (1949) kommt ein Gerät
vor, das mich, als ich das Buch in den siebziger Jahren las, tief beeindruckt
hat: der Phonophor. Ähnliche Geräte kannte ich bereits seit den sechziger
Jahren aus Science-Fiction-Romanen, aber dort wurden sie nicht so eindringlich
beschrieben wie bei Jünger:
„Der Allsprecher. Erteilt in jedem Augenblick Orts- und astronomische Zeit, Länge und Breite, Wetterstand und Wettervoraussage. Ersetzt Kennkarte, Pässe, Uhr, Sonnenuhr und Kompass, nautisches und meteorologisches Gerät. Vermittelt automatisch die genaue Position des Trägers an alle Rettungswarten bei Gefahren zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft. Weist auch den Kontostand des Trägers aus und ersetzt auf diese Weise das Scheckbuch bei jeder Bank und jeder Postanstalt, und in unmittelbarer Verrechnung der Fahrkarten auf allen Verkehrsmitteln. Vermittelt die Programme aller Sender und Nachrichten-Agenturen, Akademien, Universitäten … und kann als Zeitung, als ideales Auskunftsmittel, als Bibliothek und Lexikon verwandt werden. […]
Natürlich ist das Ding auch ein Telefon. Die komplette Beschreibung umfasst vier Seiten und gibt verblüffend viele Funktionen des heutigen Handys wieder, nur Bildübertragungen gibt’s komischerweise nicht bei Jünger. Unvorstellbar in den vierziger Jahren und immer noch unvorstellbar in den siebziger und achtziger Jahren, dass es solch ein Gerät auf absehbare Zeit wirklich hätte geben können.
Als dann 2008 das iPhone angekündigt wurde, fühlte ich mich an den Phonophor und seine unglaublichen Möglichkeiten erinnert. Ich schaute mir den offiziellen Vorstellungsfilm von Apple an und war überzeugt: das iPhone kann sogar noch viel mehr. Ein Gerät voll purer Magie. Ich wollte so ein iPhone, aber es dauerte noch ein paar Wochen, bevor es in den Niederlanden erhältlich war. Am ersten Verkaufstag hätte ich es gekauft, geblendet durch die Magie des Gadgets. Aber die Läden quollen über, stundenlang. Dann war das iPhone ausverkauft, wochenlang. Und dann hatte eine andere Schicht meiner Person („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele“) in mir die Regie übernommen und dafür gesorgt, dass ein Handymuffel wie ich mit einem Verbrauch von unter 5 Euro im Monat nicht unbedingt ein Gerät braucht, das mindestens 30 Euro im Monat erfordert. Aber ich schiele noch immer neidisch auf jeden Studenten, der mit dem magischen Maschinchen herumläuft.
„Der Allsprecher. Erteilt in jedem Augenblick Orts- und astronomische Zeit, Länge und Breite, Wetterstand und Wettervoraussage. Ersetzt Kennkarte, Pässe, Uhr, Sonnenuhr und Kompass, nautisches und meteorologisches Gerät. Vermittelt automatisch die genaue Position des Trägers an alle Rettungswarten bei Gefahren zu Lande, auf dem Wasser und in der Luft. Weist auch den Kontostand des Trägers aus und ersetzt auf diese Weise das Scheckbuch bei jeder Bank und jeder Postanstalt, und in unmittelbarer Verrechnung der Fahrkarten auf allen Verkehrsmitteln. Vermittelt die Programme aller Sender und Nachrichten-Agenturen, Akademien, Universitäten … und kann als Zeitung, als ideales Auskunftsmittel, als Bibliothek und Lexikon verwandt werden. […]
Man sah kaum
einen Erwachsenen in Heliopolis, der ohne Sprecher ging. Die flachen Hülsen
wurden in der linken Brusttasche getragen, aus der sie fingerbreit
hervorragten. […] Das Eigentümliche beruht auf der Vereinfachung, auf der
Verdichtung in einen kleinen Apparat. Man möchte meinen, dass der Stoff mit
seinen kristallenen Gittern und seinen strahlenden Metallen unmittelbare
Intelligenz gewonnen hätte, und dass hier einer der Übergänge von der Technik
zur reinen Magie gelungen wäre.“
Ernst Jünger,
Heliopolis, Tübingen 1949, S. 334-337Natürlich ist das Ding auch ein Telefon. Die komplette Beschreibung umfasst vier Seiten und gibt verblüffend viele Funktionen des heutigen Handys wieder, nur Bildübertragungen gibt’s komischerweise nicht bei Jünger. Unvorstellbar in den vierziger Jahren und immer noch unvorstellbar in den siebziger und achtziger Jahren, dass es solch ein Gerät auf absehbare Zeit wirklich hätte geben können.
Pure Magie: der Phonophor |
Als dann 2008 das iPhone angekündigt wurde, fühlte ich mich an den Phonophor und seine unglaublichen Möglichkeiten erinnert. Ich schaute mir den offiziellen Vorstellungsfilm von Apple an und war überzeugt: das iPhone kann sogar noch viel mehr. Ein Gerät voll purer Magie. Ich wollte so ein iPhone, aber es dauerte noch ein paar Wochen, bevor es in den Niederlanden erhältlich war. Am ersten Verkaufstag hätte ich es gekauft, geblendet durch die Magie des Gadgets. Aber die Läden quollen über, stundenlang. Dann war das iPhone ausverkauft, wochenlang. Und dann hatte eine andere Schicht meiner Person („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele“) in mir die Regie übernommen und dafür gesorgt, dass ein Handymuffel wie ich mit einem Verbrauch von unter 5 Euro im Monat nicht unbedingt ein Gerät braucht, das mindestens 30 Euro im Monat erfordert. Aber ich schiele noch immer neidisch auf jeden Studenten, der mit dem magischen Maschinchen herumläuft.
Freitag, 10. August 2012
Die kleine Juli und die große Zeh: Zum sprachlichen Spieltrieb mit Vergleichen und Metaphern
Beim Lesen von Juli Zehs “Nullzeit” hatte ich völlig
vergessen, dass gewagte, obskure und originelle Vergleiche gerade ein
besonderes Stilmerkmal bei ihr sind, das bei ihren früheren Romanen jede Menge
Kommentare hervorgerufen hat. In “Nullzeit” hat sie das nun allerdings sehr sparsam
eingesetzt.
Auf der Suche nach ein paar Beispielen aus
ihrem Schulroman “Spieltrieb” (2004) habe ich entdeckt, dass die Germanistin
Evi Zemanek unter dem Titel “Unvergleichliche Vergleiche” bereits einen schönen
Artikel dazu geschrieben hat. Da gibt’s dann auch jede Menge unterhaltsame und
vergnügliche Beispiele. Kleine Kostprobe:
“Ada zog den Blick aus seinem [Alevs] Gesicht wie ein Messer aus einem Stück Butter.” (Spieltrieb 130)
“Ada zog den Blick aus seinem [Alevs] Gesicht wie ein Messer aus einem Stück Butter.” (Spieltrieb 130)
Mittwoch, 8. August 2012
Juli Zeh, Nullzeit: Ein Satz zum Nachdenken
“Eine Landschaft ohne nennenswerte Vegetation hat es ebenso
schwer wie eine Frau, die nichts Passendes zum Anziehen besitzt.”
Ich habe schließlich versucht, ein passendes Bild dazu zu finden. Das Foto hat mit dem Roman nichts zu tun, außer dass es die Landschaft von Lanzarote zeigt und eine attraktive Frau; vielleicht hilft das. Beides spielt in Juli Zehs neuem Roman eine Rolle. Es ist ein spannender Sommerroman für Daheimgebliebene.
Juli Zeh, Nullzeit,
Frankfurt am Main 2012,11
Über diesen Satz bin ich schwer ins Grübeln geraten. Was
wird hier eigentlich ausgesagt? Ich möchte unsere Leser um Hilfe bitten.Ich habe schließlich versucht, ein passendes Bild dazu zu finden. Das Foto hat mit dem Roman nichts zu tun, außer dass es die Landschaft von Lanzarote zeigt und eine attraktive Frau; vielleicht hilft das. Beides spielt in Juli Zehs neuem Roman eine Rolle. Es ist ein spannender Sommerroman für Daheimgebliebene.
Dienstag, 7. August 2012
“Granatsplitter”. Karl Heinz Bohrers Scherbengericht
Am Anfang regnet es bunte Steine vom Himmel. Steine? Nein,
es sind Granatsplitter der deutschen Flak, die 1940 die englischen Bomber über
Köln vom Himmel schiesst. Eines Morgens sind sie da, und ein kleiner Junge
sammelt diese bunten Steine, pardon: Metallscherben und legt sie in ein
Kästchen. Er wird sie jahrelang mit sich tragen.
Der Rezensent merkt die Absicht und ist verstimmt: Hat nicht
der alte Karl Heinz Bohrer in seinem Postscriptum geschrieben: “Der Erzähler
sagt nicht das, was er über seinen Helden weiß, sondern das was sein Held
selbst wissen und denken kann – je nach seinen Jahren” (316). Dass der Junge
die Granatsplitter für Steine hält, will ich nicht so recht glauben. Ist es
nicht eher so, dass der Literaturwissenschaftler Bohrer gleich in der Ouvertüre
eine poetologische Reminiszenz zu Adalbert Stifters “Bunte Steine” einbaut?
Köln 1945
|
“Warum urteilen diejenigen, die wie der Vater dachten, nicht
selbst über all diese Verbrecher? Am besten wäre es doch, wenn sie sich alle zu
einer Partei zusammenschließen würden? Und die anderen, auch wenn es die
meisten waren, würden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. Eigentlich
wäre es das Beste, wenn man die Mörder erschießen würde. Das wäre eine
moralische Veränderung. […] Eigentlich
war gar kein Prozess erforderlich. Alle Mörder gehörten erschossen”
(122).
Die Seiten mit diesen Überlegungen gehören zu den besten des
Buches, in denen Bohrer sich intensiv bemüht, nur das zu schreiben, “was sein Held
wissen und denken kann”.
Im zweiten Teil der Erzählung schickt der Vater, ein klassisch
gebildeter Nationalökonom, seinen Sohn auf die Internatsschule Birklehof im
Schwarzwald, eine Schwesterschule von Salem. Im Krieg zeitweise geschlossen,
war das Internat Ende 1946 unter dem neuen Direktor Georg Picht wieder eröffnet
worden. Die Jahre 1947-1952 sind die entscheidenden Bildungsjahre Bohrers auf
dieser Schule und nehmen den Hauptteil des Buches ein.
Die Zusammensetzung der Lehrerschaft entspricht dem Zustand
der deutschen Nachkriegsgesellschaft: idealistische und antinazistische
Pädagogen wie der Religionsphilosoph Picht, handverlesene ehemalige Nazis, die
unter Hitler teils in hohen Universitätspositionen gesessen hatten, aber dort
nicht mehr unterrichten durften, und eine preußische Gräfin aus dem Widerstand.
Der familiäre Hintergrund der Schüler sieht ähnlich aus: Wie Salem war auch der
Birklehof eine Eliteschule.
Der Schulalltag, die Lehrertypen, der Unterricht: Wir
erhalten ein unterhaltsames Bild von den Qualitäten des deutschen klassischen
Gymnasiums. Neben den europäischen Klassikern liest der Junge aus eigenem
Antrieb zeitgenössische Literatur, unter anderen Sartre und Hemmingway, die ihn
sehr beeindrucken. Außerdem sieht er französische Filme, La Belle et la Bête,
Orphée,
die ihn begeistern – der Birklehof befand sich in der französischen
Besatzungszone.
Auffällig ist, dass die zeitgenössische deutsche Literatur
nicht vorkommt, kein Name aus der Gruppe 47, auch kein Schmidt, kein Koeppen
und kein neuer Titel der Schriftsteller der älteren Generation. Als der Junge
bei einer Theatervorstellung von “Nathan der Weise” einspringen muss und seinen
Text, den er in der Eile nicht mehr lernen konnte, vorlesen soll, kommt er mit
den Seiten und Auftritten durcheinander. “Schließlich half er sich aus der
Klemme, indem er jede erledigte Seite aus dem Reclamheft herausriss und mit
großer Gebärde hinter sich warf”(178).
Ist das jetzt ein Zufall, diese symbolträchtige Handlung,
die deutsche Literatur in Fetzen hinter sich zu werfen? Ich kann es nicht
glauben. Obwohl der Junge sich entschließt, in Köln Germanistik zu studieren,
hat sein Sehnen eine andere Richtung. Er kriegt in Köln keinen Kontakt zu den
Kommilitonen, auch nicht zum gleichaltrigen Jürgen Becker, dem einzigen
deutschen Nachkriegsschriftsteller, der in diesem Buch genannt wird. Nein, er
will nach England. Der letzte Absatz des zweiten Teils lautet:
“Er hatte diese Landschaft im äußersten Westen gerne […] die
lang sich hinziehende Landstraße mit den Pappeln auf beiden Seiten, direkt in
Richtung auf die Belgische Grenze, ließ ihn denken: Das ist der unendliche
Westen. Da ist der Horizont nie zu Ende. Das Wort ‘Westen’ hatte es in sich. Es
bedeutete ihm das Meer. […] Dass die zertrümmerte Heimatstadt die letzte große
Stadt im Westen war, war jedenfalls zur Zeit noch das Beste an ihr.”275)
Im kurzen dritten Teil wird London dann für den Jungen zur kulturellen
Apotheose. Er fährt in den Semesterferien zum Geldverdienen nach England und gerät
zufällig an einen Herrn aus der Upper Class, der ihm Zugang zu den Clubs und
zum House of Commons verschafft. Die Eindrücke von der Macht und Kultur des
jahrhundertealten Kolonialreiches sind überwältigend. Mit mehrwöchiger
Verspätung kehrt er nach Deutschland zurück und nimmt sein Studium wieder auf.
Die bunten Steine lässt er hinter sich. Karl Heinz Bohrers
Leben ist dann allerdings doch nicht so verlaufen, wie die beschriebenen
Prägungen des Jungen hätten vermuten lassen. Er ist ja trotz alledem noch ein Germanist
geworden, in Deutschland, und ein bedeutender dazu! Aber seit seiner
Emeritierung 1997 wohnt er in London, Paris, Stanford, den kulturellen
Kapitalen der westlichen Alliierten. Erst der alte Bohrer nähert sich in dieser
“Phantasie einer Jugend” (Postscriptum, 316) mit den Mitteln der “poetischen Erinnerung” wieder dem jungen an. Dieses Buch ist Bohrers nachträgliches Scherbengericht,
mit Deutschland und mit sich selbst. Das muss ihm sehr am Herzen gelegen haben.
Das Versöhnlerische an Lessings Nathan hatte dem Jungen missfallen (vgl. 179).
Es fiel ihm leicht, “mit großer Gebärde” die Seiten herauszureißen und dieses
Paradestück des deutschen Bildungskanons hinter sich zu lassen. Ist der
emeritierte Karl Heinz Bohrer mit seinen pragmatischen Lebensentscheidungen unzufrieden,
und lässt er deshalb den kompromissloseren Jungen poetisch wieder auferstehen?
Sonntag, 5. August 2012
Samstag, 4. August 2012
Alternativen zum Literaturkanon der ZEIT (4), 1960-1969
Die ZEIT nennt
Peter Weiss‘ „Mikro-Roman“ Der Schatten des Körpers des Kutschers habe ich mit fünfzehn Jahren zum ersten Mal gelesen. Ich weiß noch, dass mich die neue Art des Beschreibens sehr fasziniert hat. Weiss legt die beschriebenen Örtlickeiten quasi unter ein Mikroskop und die beschriebenen Zeitlichkeiten unter eine Zeitlupe. Alles wird bis in die Details aus einem zurückgezogenen, heimlichen und damit voyeuristischen Blickwinkel gesehen, was dem Text eine besondere Intensität gibt. Inwieweit mich dabei die sexuellen Phantasien des jungen Protagonisten und die von ihm beschriebene Kopulation des Knechtes mit der Magd bei der Stange hielten, vermag ich nicht zu sagen.
-
Max
Frisch, Mein Name sei Gantenbein (1964)
-
Heinrich
Böll, Ansichten eines Clowns (1963)
Café
Deutschland empfiehlt
-
Peter
Weiss, Der Schatten des Körpers des
Kutschers (1960)
-
Ernst
Jünger, Subtile Jagden (1967)
Peter Weiss‘ „Mikro-Roman“ Der Schatten des Körpers des Kutschers habe ich mit fünfzehn Jahren zum ersten Mal gelesen. Ich weiß noch, dass mich die neue Art des Beschreibens sehr fasziniert hat. Weiss legt die beschriebenen Örtlickeiten quasi unter ein Mikroskop und die beschriebenen Zeitlichkeiten unter eine Zeitlupe. Alles wird bis in die Details aus einem zurückgezogenen, heimlichen und damit voyeuristischen Blickwinkel gesehen, was dem Text eine besondere Intensität gibt. Inwieweit mich dabei die sexuellen Phantasien des jungen Protagonisten und die von ihm beschriebene Kopulation des Knechtes mit der Magd bei der Stange hielten, vermag ich nicht zu sagen.
Ungewöhnlich auch
die von Weiss angefertigten Collagen aus schwarz-weißen Zeichnungen, die alle
zehn Seiten eine Art surrealistische Verbindung zum Text herstellen. Die Eröffnung
dieser neuen Dimension des Schreibens, die dem französischen Nouveau Roman
ähnelt, hat Peter Weiss selber gar nicht weiter verfolgt, aber sie hat zum
Beispiel Ror Wolf, den ich später gerne gelesen habe, das Handwerkzeug
geliefert. Der Text ist 1952 entstanden, hat aber erst 1960 einen Verleger
gefunden und ist in den politischen sechziger Jahren ein interessanter
Fremdkörper gewesen.
Auch der folgende
Titel passt scheinbar nicht ins Jahrzehnt und hat gerade deswegen
Aufmerksamkeit verdient: Ernst Jüngers Subtile
Jagden, eine Mischung aus Erzählung, Tagebuch und Essay. Das Buch handelt
von Käfern, könnte man sagen, und das ist sicher nicht falsch. Es handelt von
der Faszination des Sammelns: Auch das trifft zu. Ernst Jünger hat sein Leben
lang Käfer gesammelt und galt als bedeutender Entomologe. Sein Haus war voll
von auf Stecknadeln gespießten Käfern. Aber eigentlich geht es in diesem Buch
um eine unterhaltsame Erzählung vom Sammeln als Kulturhandlung und ästhetische
Existenz. Dazu gehören Reisen, Naturerfahrung, Beobachtung, Lesen und
Kommunizieren: der ganze Kosmos der Kultur. Das ist die andere Seite des als
„Krieger“ berühmt gewordenen und oft verunglimpften Autors. Erschienen in einer
Zeit, deren junge Generation als „politisiert“ galt und den „Tod der Literatur“
verkündet hat, ist dieses schöne Buch ein wunderbares Überlebenszeichen der
alten europäischen Kultur in der erzählerischen Wüste der sechziger Jahre.
Freitag, 3. August 2012
Rainald Grebe auf Konzerttour
Es ist nie zu spät: Rainald Grebe begeistert zwar schon seit
Jahren die Generation nach mir, ist mir aber erst jetzt aufgefallen. Zur Feier
des Tages hier noch sein Lied “Krümel“, das die Vierzigjährigen offenbar zu
Tränen rühren kann. Auch dies Lied erzählt eine deutsche Jugendgeschichte aus
dem Kölner Raum (Ich lese ja gerade die “Erzählung einer Jugend” des achtzigjährigen
Karl-Heinz Bohrer).
Rainald Grebe tourt in diesem Jahr mit seinem Solo-Konzert
durch die deutschen Republiken, um Anfang 2013 wieder bei den Wühlmäusen in
Berlin anzukommen, wo seine Tour begonnen hat. Viele Konzerte sind schon
ausverkauft, aber es gibt noch Chancen zwischen Wien und Oberhausen.
Das Konzert steht in zwei Teilen komplett auf YouTube.
Donnerstag, 2. August 2012
Hitler, Knopp und Grebe: Geschichte ist so geil!
Anlässlich der
Pensionierung von Guido Knopp, dem bekannten ZDF-Historiker, bringt Café
Deutschland das Lied „Guido Knopp“ von Rainald Grebe. Knopp ist ja sozusagen
das „Mädchen für Alles über Hitler“ des ZDF. Das ist eine Funktion, die ich aus
meinem eigenen Berufsleben ein klein bisschen nachvollziehen kann.
Aber nun das Lied:
Rainald Grebe ist ein
vielseitiger Liedermacher, Schauspieler und Kabarettist, dessen Qualität an
seiner Behandlung des Phänomens Knopp ersichtlich wird. Das hat auch das
Interesse des Literaturwissenschaftlers Gerrit Lembke geweckt. Dessen Artikel „Poetik der Einebnung: Zur Amalgamierung von Raum und Zeit in den Liedern
Rainald Grebes Zeitmaschine
(2008)
und Guido
Knopp (2005)”
kann ich nur warm empfehlen.
Bitte lasst euch von dem klassisch-germanistisch formulierten
Titel nicht abschrecken: Wer sich etwas näher über Rainald Grebes ironischen
Umgang mit Knopp und anderem informieren will, ist hier bestens aufgehoben.Aber nun das Lied:
Guido Knopp ist ein
Historiker, seine Worte sind Gesetz.
Wer ihn kennt, der weiß das, wer nicht, der weiß es jetzt.
Er heißt Knopp, Doktor Guido Knopp.
Er wohnt im deutschen Fernsehen, er wurde dort geboren.
In einer WG mit Adolf Hitler, und anderen Senioren.
Das ist Knopp, Doktor Guido Knopp.
Die Geschichte hab ich griffbereit wie eine Tafel Schokolade,
Ich zieh sie aus der Tasche wenn ich Hunger auf sie habe.
Yam, yam, yam das schmeckt so gut, ich wusste gar nicht wie gut das tut.
Nicht alles auf einmal, dafür ist sie zu schade.
Er ist mein Gedächtnis, was ich weiß hab ich von ihm.
Er kann so kann so schön erzählen, so finster und intim.
Das ist Knopp, Doktor Guido Knopp.
Hitlers Helfer, Hitlers Frauen, Hitlers letzte Sekretärin.
Hitlers Hund trifft am Gartenzaun, Hitlers Kiefernorthopädin.
Knopp, einer muss es ja machen.
Geschichte ist so geil, ich wär' so gern dabei gewesen.
Guido kennt sie alle, die guten und die Bösen.
Er sieht aus wie ein dunkler Frisör, doch er ist Historiker.
Ich will's immer wieder anschauen und nichts mehr drüber lesen.
diverse O-Töne folgen ...
Ich sitz vor der Geschichte, es ist irgendwie nicht meine.
Manchmal denke ich, ich hätte selber keine.
Bitte Guido, bitte bitte ich hätt' so gerne eine eine von Knopp,
Dr. Guido Knopp.
Geschichte ist so geil, ich wär' so gern dabei gewesen.
Guido kennt sie alle, die guten und die Bösen.
Er sieht aus wie ein dunkler Frisör, doch er ist Historiker.
Ich will's immer wieder anschauen und nichts mehr drüber lesen.
diverse O-Töne ...
Wer ihn kennt, der weiß das, wer nicht, der weiß es jetzt.
Er heißt Knopp, Doktor Guido Knopp.
Er wohnt im deutschen Fernsehen, er wurde dort geboren.
In einer WG mit Adolf Hitler, und anderen Senioren.
Das ist Knopp, Doktor Guido Knopp.
Die Geschichte hab ich griffbereit wie eine Tafel Schokolade,
Ich zieh sie aus der Tasche wenn ich Hunger auf sie habe.
Yam, yam, yam das schmeckt so gut, ich wusste gar nicht wie gut das tut.
Nicht alles auf einmal, dafür ist sie zu schade.
Er ist mein Gedächtnis, was ich weiß hab ich von ihm.
Er kann so kann so schön erzählen, so finster und intim.
Das ist Knopp, Doktor Guido Knopp.
Hitlers Helfer, Hitlers Frauen, Hitlers letzte Sekretärin.
Hitlers Hund trifft am Gartenzaun, Hitlers Kiefernorthopädin.
Knopp, einer muss es ja machen.
Geschichte ist so geil, ich wär' so gern dabei gewesen.
Guido kennt sie alle, die guten und die Bösen.
Er sieht aus wie ein dunkler Frisör, doch er ist Historiker.
Ich will's immer wieder anschauen und nichts mehr drüber lesen.
diverse O-Töne folgen ...
Ich sitz vor der Geschichte, es ist irgendwie nicht meine.
Manchmal denke ich, ich hätte selber keine.
Bitte Guido, bitte bitte ich hätt' so gerne eine eine von Knopp,
Dr. Guido Knopp.
Geschichte ist so geil, ich wär' so gern dabei gewesen.
Guido kennt sie alle, die guten und die Bösen.
Er sieht aus wie ein dunkler Frisör, doch er ist Historiker.
Ich will's immer wieder anschauen und nichts mehr drüber lesen.
diverse O-Töne ...
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