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Donnerstag, 14. Juli 2016

Ann Cotten, Verbannt! – Ein Lesetagebuch (11): Ann’s Antike

Die für „Verbannt!“ gewählte Form des Versepos ist das seit dem 18. Jahrhundert so gut wie ausgestorbene Lehrgedicht, das seine Ursprünge in der griechisch-römischen Antike hatte. Ann Cotten bringt das Lehrgedicht auf die Höhe des 21. Jahrhunderts und bedient dabei auf postmodern-ironische Weise eine ganze Reihe Merkmale dieser Gattung, die typisch für die römische Zeit sind (z.B. in Ovids Metamorphosen): die Anrufung der Musen am Anfang, die universale Thematik, den belehrenden Anspruch, das Personal und die Geschichten der griechisch-römischen Mythologie.
Im siebten Kapitel zieht die Autorin eine Parallele zwischen der Vielfalt der olympischen Götterwelt und den Paradigmenwechseln, die in der götterlosen Welt von heute im Dezenniumstakt erfolgen und „die besten Denkergirls und –boys mit Umdenk-Anreizen vom Selbstmord abhalten“ (S. 72):  „Lass die Götter immer ihre Formen wechseln (...) und die Welt ist feiner“.
Peter Paul Rubens, Pan und Syrinx (Ausschnitt)
So begegnen uns in allerlei verfremdeten und befremdlichen Formen unter anderem Hermes, Pan und Syrinx, Minerva, Pallas Athene. Ann Cotten interessiert sich vor allem für Metamorphose-Geschichten, zum Beispiel die vom geilen Pan, der die keusche Nymphe Syrinx verfolgt, die von den Göttern in Schilf verwandelt wird. 
Die merkwürdigste Verwandlung vollzieht sie an ihrem lyrischen Ich selbst: aus Ann wird Hermes Wolpertinger (siehe den nächsten Beitrag).

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