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Sonntag, 27. Juli 2014

Eduard Mörike als Erotiker


Die jahrzehntelange Beschäftigung mit der Didaktik der deutschen Literaturgeschichte kann zu beruflichen Deformationen und Einseitigkeiten des Dozenten führen. So habe ich den Pfarrer und Dichter Eduard Mörike, mit dem ich mich nie ausführlich beschäftigt habe, immer wieder gerne ausschließlich als Beispiel für das weltabgewandte literarische Biedermeier angeführt.


Eduard Mörike, Jugendbildnis
Über die Musik bin ich ihm jetzt ein wenig näher gekommen. Nach dem Hinweis einer Sängerin fand ich zu meiner Überraschung dieses schwer erotische Lied in der Vertonung von Hugo Wolf. Man lernt nie aus!



Ich habe unter dem Angebot auf YouTube diese etwas ältere Aufnahme (1965) von Evelyn Lear gewählt. Sie interpretiert das Lied so flott und frech, wie es dem Gegenstand ("das schaurige Ding") angemessen ist.






Erstes Liebeslied eines Mädchens


Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange;
Greif' ich einen süßen Aal?
Greif' ich eine Schlange?

Lieb' ist blinde
Fischerin;
Sagt dem Kinde,
wo greift's hin?

Schon schnellt mir's in Händen!
Ach Jammer! O Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
mir schlüpft's an die Brust.

Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut,
schießt's Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!

Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet dadrinnen,
Es legt sich im Ring.

Gift muß ich haben!
Hier schleicht es herum,
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!


Eduard Mörike, 1828

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