Irgendwo habe ich gelesen, dass der niederländische Autor und Journalist Nico Rost in den zwanziger Jahren eine Reihe von Artikeln in der deutschen Zeitschrift „Der Querschnitt“ veröffentlicht hat. Dabei stieß ich darauf, dass diese Zeitschrift komplett digitalisiert im Netz steht. Und dort habe ich einen wunderschönen, fein ironischen Brief von Nico Rost gefunden, von dem ich unten ein paar Auszüge wiedergebe.
Wer ihn ganz lesen will, kann ihn auf dieser Website finden, die
außerdem noch eine ganze Reihe damaliger illustrierter Zeitschriften anbietet: magazine.illustrierte-presse.de.
Nico Rost |
Brief aus Holland. Von Nico Rost
Lieber Herr v.
Wedderkop! Sie haben im Juni 1921 im „Neuen Merkur“ einen Aufsatz über Holland
geschrieben und werden sich wundern, darüber nach fünf Jahren einen Brief zu
bekommen. Ihr Erstaunen dürfte um so berechtigter sein, als man bei uns
eigentlich nie liest, was Deutsche über uns schreiben. Aber das können Sie
natürlich nicht wissen – so gut kennen Sie Holland nicht. (…)
Sie haben
bemerkt, daß wir vor allem Realisten sind, auch daß dieser Realismus einen sehr
besonderen Charakter zeigt. Die holländische Literatur, die Sie wohl kaum
kennen, gibt Ihnen hier recht. Wir sind auch da Realisten, „visionäre Realisten“ möchte ich beinahe
sagen. (…)
Wir fassen immer
sofort das Endziel ins Auge und wollen unbedingt erreichen, was wir vorhaben.
Deswegen darf man uns aber noch nicht einfach nüchtern nennen. Wir sind keine
Amerikaner. Wir arbeiten schweigender, innerlicher. Wir kennen den Willen als
einen Traum der Seele. Wir erleben unsere Realität im Traum.
Die holländische
Nation ist eine durchaus theologische. Sie ist es immer gewesen und wird es
immer bleiben. (…)
Ein dogmatischer
Calvinismus hat bei uns schon seit Jahrhunderten einen immensen Schaden
angerichtet. Denn wer Holland liebt, muß es gleicherzeit unendlich hassen. (…)
Ein Satz hat mich
in Ihrem Aufsatz besonders frappiert. „Der Holländer sieht nicht über Dinge
hinweg, die da sind, und bemerkt nicht solche, die nicht da sind.“ Ich glaube,
man kann unser Volk nicht besser charakterisieren. Wir sind kritisch und werden
uns nie für etwas begeistern oder uns einer geistigen Bewegung im Ausland
anschließen. Eine Revolution ist in einem solchen Lande einfach unmöglich, so
wie jede Massenbewegung unmöglich ist. (…)
Was uns fehlt,
ist besonders Kollektivgefühl. Wir formen kein einheitliches Ganzes: wir sind
zu sehr eine Versammlung von Wohnzimmern. (…)
Es gibt in
Holland eine große Intelligenz – verhältnismäßig viel größer als bei Ihnen –
eine Intelligenz, die sicher zu den gebildetsten in Europa gehört. (…) Besäße
Ihr Land solche Intelligenz, es würde anders dastehen als jetzt. Ich teile
Ihnen dies alles nur mit, in der Hoffnung, Ihr altes Interesse dadurch wieder
aufzufrischen.
Ich hoffe also,
eine Antwort von Ihnen zu erhalten, und werde mich freuen zu hören, Ihr
Interesse für das Land, in dem die Leute, wie Sie schreiben, soviel essen und
so fest schlafen, von neuem geweckt zu haben.
Bis dahin mit herzlichen Grüßen
Bis dahin mit herzlichen Grüßen
Ihr
Nico Rost
Aus: Der
Querschnitt, VI. Jahrgang, Heft 8, August 1926, S. 583-586
Ob Hermann von
Wedderkop geantwortet hat, weiß ich nicht. Muss ich noch suchen.
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