Schloss Cecilienhof, der 1914-1917 im englischen Landhausstil erbaute Wohnsitz des deutschen Kronprinzen und seiner Frau Cecilie, nach 1945 vor allem bekannt als Verhandlungsort der Potsdamer Konferenz, war nicht der einzige Schlossneubau der Hohenzollern im 20. Jahrhundert.
Der andere war kurz
zuvor entstanden: das 1905-1913 errichtete Königliche Residenzschloss in Posen
(Poznań). Es ist allerdings aus einleuchtenden Gründen seit Jahrzehnten aus dem
deutschen Bewusstsein verschwunden. Aber es steht noch!
Kaiser Wilhelm II. hatte es in neoromanischem und gigantomanischem
Burgenstil in Posen errichten lassen, als unübersehbares Zeichen deutscher
Herrschaft in einer traditionell polnischen Stadt, deren Bevölkerungsmehrheit weiterhin
polnisch war.
Nach der Neuetablierung Polens 1918-1939 wurde alles noch
heftiger: Hitler ließ das verwaiste Schloss 1940-1943 zu einer Führerresidenz
ausbauen, konnte es aber kaum noch nutzen.
Der gewaltige Bau hat den Krieg relativ gut überstanden, die Innenräume
sind inzwischen zum Teil restauriert worden und dienen unter anderem als
Kulturzentrum. Wie die Polen in ihrer Vergangenheitspolitik mit der letzten
erhaltenen „Führerresidenz“ umgehen, weiß ich nicht.
Heutiger Anblick des Schlosses |
Mir war bis gestern nicht einmal die Existenz dieses Schlosses bekannt.
Ich stieß darauf bei meiner Lektüre von Anne Webers Buch „Ahnen“ (Frankfurt am Main
2015), das übrigens in der von ihr selbst besorgten französischen Ausgabe unter
dem deutschen Titel „Vaterland“ erschienen ist.
Anne Weber ist nach Poznań gefahren, weil ihr Urgroßvater dort gelebt
hat, und so begegnete sie zum ersten Mal diesem deutschen Schloss: „ein plumper, furchterregender, grauer
Klotz, eine Art mit grobschlächtigen Verzierungen versehener Riesenbunker“
(Ahnen, S. 224). Aber man konnte „in den Klotz hineinspazieren“:
„Man weist mir
eine Tür. Als sich diese und noch eine weitere hinter mir schließt, bin ich
allein. Marmorböden, Wandlüster, Arkadengänge, zur Rechten ein hallenartiger
Saal mit Kassettendecke. Ganze vier Jahre dauerte die Umwandlung in eine
Führerresidenz, habe ich gelesen. Mit ungeheurem Aufwand an Geld und
Zwangsarbeitskraft wurde unter anderem die Schlosskapelle zu einem
Führerarbeitszimmer oder vielmehr –gewölbe umgebaut. (…) Was ich sehe, was ich
durchlaufe, ist eine geschmacklose, düstere, bombastische Leere.“(S. 226).
Eine
bombastische, ungefüllte Leere: Das ist auch das Problem beim Neubau des ersten
Hohenzollernschlosses im 21. Jahrhundert: des Stadtschlosses in Berlin. Statt
die Leere in der Mitte Berlins einfach mit einem Badesee zu füllen, wie ich es vorgeschlagen habe, entsteht dort gerade die kahle Betonkarkasse einer
düsteren Vergangenheitsstruktur.
Vielleicht hätte man - in Poznań wie in Berlin - gut daran getan, das Ganze mit einem
Sarkophag zu umhüllen. Wie in Tschernobyl!
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