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Mittwoch, 20. Mai 2015

Geisterhafte Schlösser in Berlin und anderswo


Schloss Cecilienhof, der 1914-1917 im englischen Landhausstil erbaute Wohnsitz des deutschen Kronprinzen und seiner Frau Cecilie, nach 1945 vor allem bekannt als Verhandlungsort der Potsdamer Konferenz, war nicht der einzige Schlossneubau der Hohenzollern im 20. Jahrhundert.

Der andere war kurz zuvor entstanden: das 1905-1913 errichtete Königliche Residenzschloss in Posen (Poznań). Es ist allerdings aus einleuchtenden Gründen seit Jahrzehnten aus dem deutschen Bewusstsein verschwunden. Aber es steht noch!
 


Kaiser Wilhelm II. hatte es in neoromanischem und gigantomanischem Burgenstil in Posen errichten lassen, als unübersehbares Zeichen deutscher Herrschaft in einer traditionell polnischen Stadt, deren Bevölkerungsmehrheit weiterhin polnisch war. 

Nach der Neuetablierung Polens 1918-1939 wurde alles noch heftiger: Hitler ließ das verwaiste Schloss 1940-1943 zu einer Führerresidenz ausbauen, konnte es aber kaum noch nutzen.

Der gewaltige Bau hat den Krieg relativ gut überstanden, die Innenräume sind inzwischen zum Teil restauriert worden und dienen unter anderem als Kulturzentrum. Wie die Polen in ihrer Vergangenheitspolitik mit der letzten erhaltenen „Führerresidenz“ umgehen, weiß ich nicht.

Heutiger Anblick des Schlosses
Mir war bis gestern nicht einmal die Existenz dieses Schlosses bekannt. Ich stieß darauf bei meiner Lektüre von Anne Webers Buch „Ahnen“ (Frankfurt am Main 2015), das übrigens in der von ihr selbst besorgten französischen Ausgabe unter dem deutschen Titel „Vaterland“ erschienen ist.


Anne Weber ist nach Poznań gefahren, weil ihr Urgroßvater dort gelebt hat, und so begegnete sie zum ersten Mal diesem deutschen Schloss: „ein plumper, furchterregender, grauer Klotz, eine Art mit grobschlächtigen Verzierungen versehener Riesenbunker“ (Ahnen, S. 224). Aber man konnte „in den Klotz hineinspazieren“:


„Man weist mir eine Tür. Als sich diese und noch eine weitere hinter mir schließt, bin ich allein. Marmorböden, Wandlüster, Arkadengänge, zur Rechten ein hallenartiger Saal mit Kassettendecke. Ganze vier Jahre dauerte die Umwandlung in eine Führerresidenz, habe ich gelesen. Mit ungeheurem Aufwand an Geld und Zwangsarbeitskraft wurde unter anderem die Schlosskapelle zu einem Führerarbeitszimmer oder vielmehr –gewölbe umgebaut. (…) Was ich sehe, was ich durchlaufe, ist eine geschmacklose, düstere, bombastische Leere.“(S. 226).


Eine bombastische, ungefüllte Leere: Das ist auch das Problem beim Neubau des ersten Hohenzollernschlosses im 21. Jahrhundert: des Stadtschlosses in Berlin. Statt die Leere in der Mitte Berlins einfach mit einem Badesee zu füllen, wie ich es vorgeschlagen habe, entsteht dort gerade die kahle Betonkarkasse einer düsteren Vergangenheitsstruktur.

Vielleicht hätte man - in Poznań wie in Berlin - gut daran getan, das Ganze mit einem Sarkophag zu umhüllen. Wie in Tschernobyl!

Eine Idee für den gerade berufenen Chefgestalter Neil MacGregor?

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