Daniel Sumegi als Sarastro |
Sarastro
und seine Feinde
Zur
wechselhaften Rezeption des ‚guten‘ Herrschers in Mozarts Zauberflöte
von Peter
Groenewold
‚Meine
Prager verstehen mich‘ (Wolfgang Amadeus Mozart)
Opernliebhaber
aus der Generation, die in diesen Jahren in Rente geht, sind in den vergangenen
fünf Jahrzehnten in Bezug auf Mozarts Zauberflöte
einem Wechselbad von Interpretationen und Gefühlen ausgesetzt gewesen. In den
siebziger Jahren haben junge Autoren erhebliche Energien in eine negative
Neubewertung der geheimnisvollsten unter Mozarts Opern gesteckt. Dabei wurden
über die Entstehung der Oper und die Zusammenarbeit von Mozart mit seinen
beiden Librettisten allerdings keine neuen Erkenntnisse vorgelegt.
Die
neue Negativität speiste sich nur aus einem zeitgemäßen Unbehagen an den
Elementen in Text und Handlung, die der emanzipatorischen Weltsicht der
sechziger und siebziger Jahre zuwider waren. So widmete man sich in
anachronistischer Solidarität gerne dem armen schwarzen Sklaven Monostatos und
der angeblichen Diskriminierung der Frauenfiguren. Als Projektionsfläche und
Zielscheibe für diese progressiven Affekte wurde die autoritäre Herrscherfigur
des Sarastro ausgemacht.
Nicht
Mozart selber wurde in Frage gestellt – wer ein Mozartbuch schreibt, ist in der
Regel ein Bewunderer des Meisters - sondern die Angriffe und Umwertungen galten
den Librettisten Schikaneder und Giesecke, und man suchte Argumente in den
Umständen, unter denen die Zauberflöte
entstanden ist, so in der Geld- und Zeitnot und in dem Druck von außen. Und so
scheute man sich nicht, in eingeübter Radikalität die Frage zu stellen: ‚Ist
die Zauberflöte ein Machwerk?‘[i]
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Die Verurteilung Sarastros aus dem Geiste der
Achtundsechziger
Sarastro
also soll es büßen: er wird als Sklaventreiber, Frauenentführer und der Gewalt
nicht abgeneigter Tyrann eines scheinheiligen Sonnenreiches beschrieben. In die
Mozartliteratur der siebziger Jahre schleicht sich durchgehend eine
Sarastro-Denunziatorik ein, die auf purer Aversion beruht. Die durch die
Frankfurter und zum Teil auch durch die Moskauer Schule gegangenen
westdeutschen Intellektuellen, die tagsüber demonstrieren und abends Hölderlin
lesen oder in die Oper gehen, ertragen es nicht, den Herrscher des siebenfachen
Sonnenkreises auf einem von sechs Löwen gezogenen Triumphwagen unter den
Jubelgesängen seiner Untertanen auffahren zu sehen. Diesen Herrschaftskitsch
konnte Mozart in ihren Augen nicht gewollt haben. Also musste jemand anders
dafür verantwortlich sein.
Die
Bruchtheorie der Oper verschaffte Erleichterung. Der Plot und der Text seien in
der Eile Stückwerk geworden, eines passe nicht zum anderen. Die geniale Musik
ist unschuldig an dem Durcheinander. Sie erscheint nur als sozusagen ‚unpassende musikalische Gestaltung des
moralisierenden Textes‘ und Sarastro als ‚die Karikatur des idealisierten
Bürgers an der Macht‘. ‚Sarastro ist das höchst realistische Abbild des
modernen, aufgeklärten, bürgerlichen Machtpolitikers der nachrevolutionären
Epoche, eines George Washington meinetwegen, der im Norden der Vereinigten
Staaten die Menschenrechte proklamiert, im Süden aber gleichzeitig 216 Sklaven sein eigen nennt – und daran
nichts Unmoralisches finden kann.‘[ii] Der
hier zitierte Autor fährt mit seinen anachronistischen Knüppelschlägen fort,
indem er eine Liste von 24 berühmten Sklavenhaltern präsentiert, unter denen
sich dreizehn US-Präsidenten befinden: ‚Warum sollte Sarastro nicht die Wiener
Singspielausgabe eines dieser feinen Herren sein?‘ Als Beleg führt er danach
ein langes Zitat von Friedrich Engels an, in dem das Reich der Vernunft als
Reich der Bourgeosie entlarvt wird…
Ja,
was für ein unglaublicher Schmarrn ist das, würden da die Wiener sagen; von den
Pragern, die ihren Mozart sehr lieben, ganz zu schweigen!
Sarastro unter Masken
Mozarts
verklärte und maskeradenhafte Licht- und Herrschaftsbilder verstecken hinter
dem Märchenhaften, Ägyptiserenden und Allegorischen die eigentliche,
freimaurerisch-aufklärerische Absicht der Oper. Die vielfältigen Chiffren und
die geheimnisvolle Symbolik erklären sich durch die Bedingungen der Zensur,
unter denen Mozart im erzkonservativen Wien arbeiten musste – und natürlich
auch durch seinen eigenen freimaurerischen Hintergrund. Sie machen die Oper
mehrschichtig lesbar: als harmloses Zaubermärchen, als große Allegorie des
männlichen und weiblichen Prinzips und als Bild der revolutionären Wende im
Zeitalter der Aufklärung. Unter dem neuen Kaiser Leopold II. (1790-1792) war es
für Mozart in Wien nicht leichter geworden. Dennoch - oder gerade deshalb - war
Wien der Ort, an dem die Zauberflöte
vollendet wurde und ihre erste Aufführung erlebte und nicht das liberalere
Prag, wo er lange in der angenehmen Atmosphäre der Villa Bertramka hatte
arbeiten können und große Erfolge und ein enthusiastisches Publikum hatte
erleben dürfen. Dort waren im Ständetheater schon der Don Giovanni und – nur wenige Wochen vor der Zauberflöte – anlässlich der Krönung Leopolds zum König von Böhmen La Clemenza di Tito uraufgeführt worden,
eine Oper, die dem König und Kaiser ein liberales Herrscherbild vor Augen
führen sollte.
Dem
Publikum des 18. Jahrhunderts waren bildhaftes Denken und zensurgerechte
Darstellungsweisen vertraut. Dem 20. Jahrhundert ist die Allegorie jedoch fremd
geworden. Daher geraten die Achtundsechziger mit ihrem allgegenwärtigen
Ideologieverdacht schon schnell einmal aufs falsche Gleis. Sarastro auf dem
Triumphwagen wird von ihnen prompt als römisch-imperatorischer Gestus
missverstanden. Aber Sarastro ist nicht der absolute Herrscher eines
politischen Reiches, kein Imperator Rex, kein Despot, kein Diktator. Er ist der
Vertreter einer geistigen Macht, die Natur, Vernunft und Weisheit als Gesetz
der Menschheit umfasst. Diese Macht wird durch das Licht der Sonne dargestellt,
und die Löwen sind ihre Symboltiere.
Mozart
war Mitglied der Freimaurerloge Zur
Wohltätigkeit. Auch seinen Vater veranlasste er zum Beitritt zu einer Loge.
Seit langem ist bekannt, dass die äußere und innere Choreographie der Zauberflöte von der komplizierten Symbolik
des Freimaurertums durchwirkt ist, aber erst in den letzten zehn Jahren hat
dieser Ansatz in der Forschung zu umfangreichen Monografien geführt. Sie
stammen teils von autodidaktisch-sektiererischen Autoren, die mit einer
gewissen Besessenheit die letzten Geheimnisse Mozarts zu entschlüsseln
vorgeben, teils von kulturwissenschaftlich-analytischen Forschern, die die
Perspektive auf die Oper erheblich erweitert und vertieft haben. Zu den
letzteren gehört die Untersuchung des Ägyptologen Jan Assmann, der die
komplizierten, in Text und Musik eingeflochtenen Mysterien entschlüsselt und
analytisch aufbereitet hat.[iii]
Im
Bemühen um Offenlegung der geheimen Mysterienprojekte der Freimaurer zeigt sich
Assmann ziemlich uninteressiert an Sarastro und stört sich auch wieder nur an
dessen Behandlung des schwarzen Monostatos: ‚Heutzutage wirkt diese flapsige
Behandlung schwerer Körperstrafen eher unangenehm, so dass man dann später
Sarastro auch seine Hallenarie – ‚und ist ein Mensch gefallen, führt Liebe ihn
zur Pflicht‘ – nicht mehr abnimmt. […] Es bleibt durchaus offen, ob in
Sarastros Welt Mohren überhaupt als Menschen im vollen Sinne zählen.‘[iv]
All
diese Arbeiten sagen so recht eigentlich nur etwas aus über das ‚dressing‘, das
Mozart seiner Oper gegeben hat und über die Hintergründe und die Vorgeschichte
dieses Dressing und nicht über das, was Sarastro uns unter all diesen Masken zu
der real sich entfaltenden Machtrevolution in Mozarts Zeit zu sagen hat. Wie
zeigt sich Sarastro dem Historiker?
Sarastro vor dem Hintergrund der Aufklärung und der
Französischen Revolution
Die
Uraufführung der Zauberflöte fand am
30. September 1791 in Wien statt, zwei Jahre nach der Erstürmung der Bastille
in Paris. Mozart hat zwar den Beginn, nicht aber die dramatische Fortentwicklung
der Französischen Revolution erlebt. Er starb schon am 5. Dezember 1791, ein
Jahr vor der Kanonade von Valmy, von der Goethe sagte: ‚Von hier
und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen,
ihr seid dabei gewesen.‘ Tatsächlich wurde schon am Tag nach der Kanonade, am
21. September 1792, die Monarchie in Paris abgeschafft und die erste
französische Republik ausgerufen. Wenige Monate später fand die öffentliche
Hinrichtung König Ludwigs XVI. statt.
Auch wenn
die Zauberflöte mit den konkreten
historischen Ereignissen von 1789 und ihrer blutigen Weiterentwicklung nichts
zu tun hat, so ist es ihr doch um die mit der Aufklärung verbundenen
Zeitenwende zu tun. Auch in Mozarts Oper beginnt eine neue Epoche der
Weltgeschichte und zwar nachdem ‚eine der wichtigsten Versammlungen unserer
Zeit‘ stattgefunden hat. Mit diesen Worten bewertet Sarastro die Zusammenkunft
der Priester, auf der Prinz Tamino für würdig befunden wird, sich den Prüfungen
zu unterziehen. Er dankt den Priestern ‚im Namen der Menschheit‘ für ihr
einstimmiges Votum. Zwar wird nicht ausgesprochen, worum es dabei
schlussendlich geht, doch ist es nichts weniger als die Vorbereitung der
Nachfolge Sarastros als Herrscher des Lichts und Vertreter des
Menschheitsgesetzes. Betont wird dabei noch ausdrücklich, dass hier nicht der
Prinz und Aristokrat Tamino hervorgehoben und geläutert wird, sondern der
Mensch Tamino, und dass in seinem Mensch-Sein eine höhere Wertigkeit
liege. Anders als in der historischen
Wirklichkeit findet der Übergang zu einer neuen Regierungsform hier ohne
Blutvergießen statt und wird vom Inhaber der Macht persönlich eingeleitet.
Die
meisten Interpreten der Zauberflöte
kommen aus der Musik- und Kulturwissenschaft; die interessantesten Ansätze
stammen von interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftlern. Der Schweizer Arzt
und Literaturwissenschaftler Jean Starobinski ist einer der wenigen, der diese
Oper als Quelle vor dem Hintergrund der realen historischen Entwicklungen
betrachtet hat.[v] Er kommt
dabei zu einer außerordentlich klaren Einschätzung zur Thematik der legitimen
und illegitimen Machtausübung und der Machtübertragung in der Zauberflöte. Erstaunlich, dass kein
Historiker je versucht hat, diesen Zusammenhang darzustellen.
Starobinski
zeigt das, indem er die Frage der Macht mittels eines ‚methodischen
Kunstgriffs‘ in aufsteigender Linie an den drei Paaren Papageno-Papagena,
Tamino-Pamina und Sarastro-Königin der Nacht entwickelt. Wir wenden uns hier
nur dem letzteren zu: In der Königin der Nacht und Sarastro symbolisiert sich
der Unterschied zwischen persönlicher und unpersönlicher Macht. Die Königin,
Sarastros größte Feindin, kennt – neben ihrer Mutterliebe - nur Eifersucht,
Mordlust, Rache. Sie nutzt ihre Macht für ihre selbstsüchtigen Zwecke. Sarastro
dagegen tritt gerade gegen die willkürliche Ausübung der Macht auf. Er ist ganz
bewusst ein Stellvertreter, ein Interpret, ein Offiziant der Macht, die ihm von
den ‚Göttern‘ verliehen ist. Er agiert ohne negative Leidenschaften, tut seine
Pflicht. Die Person, der Mensch Sarastro muss dahinter zurücktreten; dass es
ihn trotzdem gibt, demonstriert Mozart an seiner entsagenden Liebe zu Pamina.
Diese Oper
zeigt den subtil und dynamisch konstruierten Prozess zwischen den beiden
manichäischen Mächten der Finsternis und des Lichts. Im ersten Akt erfährt
Prinz Tamino und mit ihm der Zuschauer die Macht und die Welt der Königin der
Nacht als attraktiv und verführerisch. Die Königin und ihre drei Damen sind
Meisterinnen der Verschleierung. Tamino erliegt ihnen zeitweise, bis er im
zweiten Akt in den Bann der höheren Macht Sarastros gezogen wird und die
Klarheit der Sonne die finstere Nacht vertreibt.
In einem
anderen Essay verweist Starobinski auf den ‚Sonnenmythos der Revolution‘:
kollektive Vorstellungen in den Jahren um 1789, in denen die Zeitgenossen der
Aufklärung die aktuellen Entwicklungen symbolisch als allmählichen Tagesanbruch
nach langer finsterer Nacht deuten.[vi] Hierfür
gibt es zahllose Belege in der europäischen Literatur und Kunst. Ein besonders
eingängiges Beispiel ist der Kupferstich mit dem Titel ‚Aufklärung‘ (1791) von
Daniel Chodowiecki (1723-1801), der ein kleines Städtchen im Frühnebel unter
den Strahlen der aufgehenden Sonne zeigt. Der Künstler erläutert seine
allegorische Darstellung des neuen Phänomens Aufklärung:
‚Dieses
höchste Werk der Vernunft [...] hat bis jetzt noch kein allgemeines
verständliches allegorisches Zeichen (vielleicht weil die Sache selbst noch neu
ist) als die aufgehende Sonne. Es wird auch wohl lange das Schicklichste
bleiben, wegen der Nebel, die immer aus Sümpfen, Rauchfässern und von
Brandopfern auf Götzenaltären aufsteigen werden, die sie so leicht verdecken
können. Indessen wenn die Sonne nur aufgeht, so schadet Nebel nichts.‘
Die
Zauberflöte leistet als komplexe
allegorische Oper genau das, was Chodowiecki in seinem einfachen Bild, das im
Jahr ihrer Uraufführung entstanden ist, zu erfassen gesucht hat.
Sarastro als transitionaler Herrscher
Was unterscheidet
die ‚böse‘ Königin der Nacht vom ‚guten‘ König des Lichts? Wir haben bereits
auf den Grundunterschied hingewiesen: die Diskrepanz von persönlicher und
unpersönlicher Macht. Sarastro wird in der Literatur immer wieder als
autoritärer, zumindest aber als patriarchalischer Herrscher gesehen. Dabei wird
der eigentliche Höhepunkt der Oper gar nicht zur Kenntnis genommen: seine
Bereitschaft zum Verzicht. Das Besondere an Sarastro ist ja gerade, dass er die
Übergabe seiner Macht aus freiem Willen und zu seinen Lebzeiten vorbereitet und
dabei einen neuen Schritt in der Menschheitsgeschichte tut. Mozart und sein
Librettist projektieren eine Synthese aus der Welt der Königin der Nacht und
Sarastros, eine Machtsynthese des weiblichen und männlichen Prinzips: die
gleichberechtigte Doppelherrschaft Taminos und Paminas. Was hier angestrebt
wird, ist eine in der Geschichte zwar nicht einzigartige, aber doch völlig neu
begründete gemischtgeschlechtliche Dyarchie: ‚Mann und Weib und Weib und Mann,
reichen an die Gottheit an.‘
Mit
Nachdruck weist das Libretto hier auf die gleichwertige Verbindung des
männlichen und des weiblichen Prinzips hin: durch die nochmalige Wiederholung
von ‚Mann und Weib‘ in umgekehrter Reihenfolge: ‚Weib und Mann‘. Das ist die
Synthese in dieser dialektisch aufgebauten Oper: im ersten Akt begegnet der
Zuschauer dem weiblichen Prinzip in Gestalt der Königin der Nacht, und er wird,
wie auch Prinz Tamino, ganz von ihr eingenommen. Im zweiten Akt wechselt die
Perspektive zum männlichen Prinzip des Herrschers des Lichts; der von der
Königin indoktrinierte Zuschauer gerät in Verwirrung und schlägt sich
schließlich nach Aufklärung der Hintergründe, wie auch der Prinz und Pamina,
die Tochter der Königin, ganz auf die Seite Sarastros. Sarastro selber fügt in
Weisheit und Selbstentsagung wieder zusammen, was zusammen gehört: Mann und Weib und Weib und Mann. Und er bereitet mit Hilfe von Versammlungen und
Prozeduren, deren Ausgang er nicht allein bestimmen kann, die friedliche
Übergabe seiner Macht vor. Der Prinz des Lichts Tamino und die Prinzessin der
Nacht Pamina: in der Nachfolge wird eine Doppelherrschaft stehen, eine
Dyarchie, in der ein Mann und eine Frau gleichberechtigte Herrscher sind. Darum
war die Versammlung der Priester eine der wichtigsten und revolutionärsten der
Geschichte. Der nobelste König ist ein Königspaar. Sarastros geschlossene Gesellschaft mit ihrem
Freimaurercharakter ist die Vorbereitung für eine neue, utopische, offene
Gesellschaft, in der nicht Eisen und Blut den Ausschlag geben, wie in dem real
auf Mozarts Zeit folgenden 19. Jahrhundert, auch nicht unbedingt
Majoritätsbeschlüsse, sondern Freundschaft und Liebe.
Dies alles
– und nun gestatte ich mir einen eigenen Anachronismus - erinnert an die
Minimalbedingungen für die ‚offene Gesellschaft‘, die Karl Popper in seinem
Werk The Open Society and its Enemies
von 1945 beschrieben hat: den gewaltlosen Übergang in der Machtausübung und die
ständige Aushandlung der Entscheidungen in flexiblen Institutionen. Dieselben
Achtundsechziger, die mit Sarastro nicht leben konnten, sind auch Popper und
seinen Freunden feindselig begegnet, denen sie höchst verächtlich
‚Positivismus‘ vorgeworfen haben. Haben sie ihn überhaupt gelesen? Haben sie
Sarastro zugehört? Haben sie Mozart verstehen können?
Mozart
liebte das Duett ‚Mann und Weib‘ sehr. Als im Herbst 1791 fast täglich die Zauberflöte an der Wiener Oper gegeben
wurde, ging er oft heimlich in die Vorstellungen. Er schlüpfte in die ein oder
andere Loge oder schlich sich hinter die Bühne, um selbst das Glockenspiel zu
spielen. Danach schrieb er an Constanze, die zur Kur nach Baden-Baden gefahren
war. Es waren seine letzten Briefe: ‚Eben komme ich von der Oper; sie war so
voll wie allzeit. Das Duett Mann und Weib und das Glöckchenspiel im ersten Akt
wurde wie gewöhnlich wiederholt […], was mich aber am meisten freut, ist der Stille Beifall.‘[vii]
Diesem Duett von Mann und Frau, das später dann auch in Prag zu einem Renner
wurde, möchten auch wir unseren stillen
Beifall zollen. Der Prager Pensionär von heute ist in den letzten
fünf Jahrzehnten den Prüfungen guter und schlechter Herrschaft ausgesetzt
gewesen. Er hat sie alle bestanden.
[i] Heinz-Klaus
Metzger und Rainer Riehn, Mozart. Ist die
Zauberflöte ein Machwerk?, München 1978
[ii] Attila
Csampai und Dietmar Holland (eds.), Wolfgang
Amadeus Mozart, Die Zauberflöte. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek
bei Hamburg 1982, 32f.
[iii] Jan
Assmann, Die Zauberflöte. Oper und
Mysterium, München und Wien 2005
[v] Jean Starobinski, ‘Licht der Aufklärung und Macht
in der Zauberflöte, in: ders., 1789. Die
Embleme der Vernunft, München o.J. (1988), 107-124
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