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Dienstag, 29. Juli 2014

Die deutsch-niederländische Grenze als Begegnungsraum


Beim Stöbern in alten Text-files stieß ich auf diesen  Vortrag, den ich vor mehr als 15 Jahren zum Thema der "Fremdsprachengrenzdidaktik" gehalten habe. Wenn ich das jetzt so lese, scheint es mir, als ob heute dieses Thema durch eine europäisch-globalisierte Grenzverwischung am Verdunsten ist. Allerdings nur das Thema, nicht die Problematik:

Die deutsch-niederländische Grenze als Begegnungsraum

Vorstellung des deutsch-niederländischen Grenzgebiets

Zu Beginn Ihrer Tagung zur Fremdsprachengrenzdidaktik im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzraum möchte ich Ihnen einen Eindruck von der Charakteristik und Problematik dieses Raumes vermitteln. Das Begegnungspotential in dieser Region ist hoch und lässt für das 21. Jahrhundert eine sehr positive Entwicklung erwarten. Dies ist aber weniger eine Folge urwüchsiger guter Nach­bar­­­schaft, alter historischer Bindungen oder sogenannter Volks- und  Stammesverwandtschaft, als das Resul­tat poli­ti­scher und europapolitischer Bemühungen der letzten Jahr­zehnte und der neuesten west­lich-globalen Modernisierungsprozesse. Dagegen bilden zahlrei­che histori­sche, kul­tur- und menta­litätsgeschicht­liche Faktoren eher einen Widerstand für deuts­ch-niederländische Begegnungen. Eine ernstzunehmende Grenz­raumdidaktik wird auch diese Faktoren in ihre Kon­zepte einbe­ziehen müssen.

Wir haben die fünf Großräume - den Nordseeraum, Westfalen, Ostnie­derlande, das Rheinland und den limburgischen Süden - die im Laufe der Ge­schich­te auf unterschiedliche Weise geo­graphisch, politisch und kulturell verbunden und ge­trennt gewesen sind. Auf nie­derlän­discher Seite handelt es sich um die Grenzprovin­zen Groningen, Dren­the, Overijssel, Gelderland Noord-Brabant und Limburg, auf deutscher Seite um die beiden großen Bun­desländer Nieders­ach­sen und Nordrhein-Westfalen, schließlich in Belgien um das belgische Limburg, und, wenn man will, aber das ist für die Fremdsprachendidaktik weniger relevant, um den gesamten niederländischsprachigen flandri­schen Raum bis hin zur Küste.

Die deutsch-niederländische Grenze

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Sonntag, 27. Juli 2014

Eduard Mörike als Erotiker


Die jahrzehntelange Beschäftigung mit der Didaktik der deutschen Literaturgeschichte kann zu beruflichen Deformationen und Einseitigkeiten des Dozenten führen. So habe ich den Pfarrer und Dichter Eduard Mörike, mit dem ich mich nie ausführlich beschäftigt habe, immer wieder gerne ausschließlich als Beispiel für das weltabgewandte literarische Biedermeier angeführt.


Eduard Mörike, Jugendbildnis
Über die Musik bin ich ihm jetzt ein wenig näher gekommen. Nach dem Hinweis einer Sängerin fand ich zu meiner Überraschung dieses schwer erotische Lied in der Vertonung von Hugo Wolf. Man lernt nie aus!



Ich habe unter dem Angebot auf YouTube diese etwas ältere Aufnahme (1965) von Evelyn Lear gewählt. Sie interpretiert das Lied so flott und frech, wie es dem Gegenstand ("das schaurige Ding") angemessen ist.






Erstes Liebeslied eines Mädchens


Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange;
Greif' ich einen süßen Aal?
Greif' ich eine Schlange?

Lieb' ist blinde
Fischerin;
Sagt dem Kinde,
wo greift's hin?

Schon schnellt mir's in Händen!
Ach Jammer! O Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
mir schlüpft's an die Brust.

Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut,
schießt's Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!

Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet dadrinnen,
Es legt sich im Ring.

Gift muß ich haben!
Hier schleicht es herum,
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!


Eduard Mörike, 1828

Feldeváye (8) - Die Aura der Kunst


Die galaktische Gesellschaft im Roman Feldeváye, die aus Tausenden bewohnten Planeten in drei Galaxien besteht, hat keine Idee davon, was Kunst ist und wozu sie dient. Dass die uralte Spezies der Lapithen Kunstwerke aus der irdischen Vergangenheit aufspürt und in leuchtenden Rahmen auf den Planeten Feldeváye strahlt, gibt den Werken in wörtlichem Sinn eine Aura des Geheimnis- und Bedeutungsvollen. Die Lapithen verfügen über eine weit überlegene Technologie und sind bei allen anderen Spezies hoch geachtet. (Dath verwendet diesen Namen nicht ohne Hintersinn: Die Lapithen sind in der Mythologie der Griechen das Volk, von dem die alten Hellenen abstammen.)


British Museum: die Aura der Kunst
Die Machthaber und Verwalter der Galaxis wollen das Rätsel der Kunstwerke lösen und auch sein eventuelles Gefahrenpotential einschätzen. Sie lassen die Werke in die “Omphaloi” (= Museen) schaffen und investieren in die “Auswertung” (= Kunstwissenschaft), die aber außer Sammeln, Ordnen und Beschreiben nichts zuwege bringt. Erst die Dissidentengruppe der “Aistheten” (siehe den Beitrag Feldevaye 7) entdeckt Schritt für Schritt das revolutionäre Potential von “Kunst” und wendet es gegen die Mächtigen an.


Wenn ich das so beschreibe, wird deutlich, dass es in Feldeváye, wie in jedem guten SF-Roman, gar nicht um die Zukunft, sondern um unsere Gegenwart geht. Was hier beschrieben wird, ist der Kunstbetrieb von heute, der riesige künstlerisch-ökonomische Komplex auf der einen Seite  und die kleine Minderheit der radikalen und unterdrückten Avantgardisten auf der anderen.


Dennoch: Dietmar Dath würde dem nicht zustimmen und in etwa sagen: “Nein, nicht der heutige Kunstdiskurs spielt eine Rolle. Mein Roman erzählt von einer möglichen Zukunft der Künste.” Ach, das hat er ja gesagt, kürzer noch: “Kunstdiskurs? Lass mal, es ist ein Roman” (S. 804).


Das lasse ich einfach mal so stehen.

Samstag, 26. Juli 2014

Feldeváye (7) – Die Zukunft als Kunst


Louise Bourgeois

Neben vielen fiktiven Personen aus der fernen Zukunft gibt es in Feldeváye auch reale Personen aus der Kunstszene des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie tragen teils fiktive, teils ihre wirklichen Namen. “Ihre Arbeit und ihre Ideen sind, damit sie hier reinpassen, zumeist so stark verändert worden, dass diese Menschen mit Recht jede Verantwortung für das ablehnen würden, was nun dasteht” (Dath, S. 803).

Die drei markantesten Beispiele betreffen die Bildhauerin Louise Bourgeois (1911-2010), die Filmregisseurin Maya Deren (1917-1961) und den Komponisten Conlon Nancarrow (1912-1997), deren reales Werk aus dem 20. Jahrhundert im vierten Teil des Romans vorgestellt wird. Louise, Maya und Conlon figurieren im weiteren als Romanfiguren im Kreise der “Aistheten” rund um die Hauptfigur Kathrin Ristau. Sie erhalten vom Autor Dietmar Dath die Gelegenheit, das in ihrem Werk angelegte Potential
Maya Deren
auf fantastische Weise in der fernen Zukunft weiterzuentwickeln und mit ihrer Kunst in das Weltgeschehen einzugreifen. Die Kunst verändert hier buchstäblich und mit größtdenkbarer Radikalität den Lauf der Welt und das Gefüge von Raum und Zeit. Aus der kunstlosen Zukunft wird die Zukunft als Kunst.

Es übersteigt die Möglichkeiten eines Blog-Posts, genauer zu beschreiben, wie man sich das konkret vorzustellen hat. Vielleicht werden manche nun doch neugierig auf dieses Buch.

Conlon Nancarrow
Aber auch noch einmal eine Warnung: Der Autor beschreibt das Werk der drei Künstler, als ob der Leser es schon kennen müsste. Mir, dem alle drei unbekannt waren, blieb nichts anderes übrig, als den Roman durchgehend mit einem Brett vorm Kopf zu lesen: meinem iPad. Viele der halb verborgenen Hinweise erforderten ein ständiges Gegoogle. Das ist nicht jedermanns Sache, kommt mir allerdings sehr entgegen: Es macht mir Spaß.

So danke ich Dietmar Dath insbesondere die Begegnung mit dem Werk Conlon Nancarrows. Ich bringe hier als Beispiel ein Klavierstück auf Youtube, dem ich atemlos zugehört habe.