Aus einer Mitteilung der „Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz”:
“Am 14. September 2015 wird Atelier Van Lieshouts
Reiterstatue 'The Monument' in den Kolonnadenhöfen vor der Alten
Nationalgalerie eröffnet. Diese speziell für diesen Ort entstandene
Bronzearbeit wird für die nächsten zwei Jahre auf der Museumsinsel zu sehen
sein. Der klare Bezug zum klassischen Reiterdenkmal, und somit der politisch-militärischen,
repräsentativen Funktion eines solchen nationalen Monuments, wird hier auf
kritisch-reflexiver Ebene mit dem Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV von
Preußen (Alexander Calandrelli, 1875–1886) vor der Alten Nationalgalerie in
Beziehung gesetzt.
Die Arbeit des Atelier Van Lieshout formuliert einen
eindeutigen Kommentar auf die sozial-politische Vergangenheit des deutschen
Reiches in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg. Die figürliche und bildnerische
Sprache der Arbeit ist jedoch auch als eine warnende Geste in Richtung
Gegenwart und Zukunft zu lesen.”
Der durch diese Mitteilung (vollständiger Text: hier) erweckte Eindruck, die vom
Atelier Van Lieshout (AVL) geschaffene Statue mit dem Titel “The Monument” sei
speziell für diesen Ort und in Bezug auf das Reiterstandbild Friedrich Wilhelms
IV. und die deutsche Geschichte vor 1918 geschaffen worden, ist irreführend und
falsch. Richtig ist nur, dass die aufwendige Bronzeversion der Reiterstatue für diesen Ort in den
Kolonnadenhöfen angefertigt wurde.
Die Statue gibt es bereits seit 2010 in den Niederlanden unter dem Titel
“Koppensneller en Kannibaal” ("Kopfjäger und Kannibale"). Sie ist Teil des dystopischen Projekts “Agricola
Nova – De nieuwe boer” (Der neue Bauer), das den zukünftigen Zerfall der
Menschheit in rivalisierende Stammesgesellschaften zeigen will. Die
Künstlergemeinschaft AVL des niederländischen Bildhauers Joep van Lieshout machte in der drastischen Darstellung ausdrücklich
Gebrauch von barbarischen Gewaltpraktiken aus der niederländischen und niederländisch-indischen
Geschichte: Der Reiter trägt in seiner linken Hand einen dünnen langen Sack, in
dem sich erkennbar ein abgetrennter menschlicher Kopf befindet. Er scheint ihn
als Triumphzeichen und/oder Waffe zu gebrauchen. Die Kopfjagd (niederländisch:
koppensnellen) war ein für die niederländischen Kolonialherren besonders gruseliges Brauchtum einheimischer Stämme in Teilen der indonesischen Kolonialgebiete.
Die Reiterstatue von 2010, Detail |
Der ausgeweidete Körper, der vom Sockel herunterhängt,
erinnert an den Kannibalismus in den Kolonien, aber mehr noch an das jedem
Niederländer bekannte Bild (1672) der ermordeten Gebrüder de Wit mit den beiden
kopfüber aufgehängten geschlachteten Leichnamen. Der Mord an den beiden Politikern gehört zu den bekanntesten Ereignissen der niederländischen
Geschichte.
Jan de Baen, De lijken van de gebroeders De Wit, 1672 |
Dass die beiden
Reiterstatuen dennoch unter dem Segen der Staatlichen Museen zu Berlin und der
Niederländischen Botschaft im öffentlichen Raum in einen konfrontativen Bezug
zueinander gesetzt werden, ist ein besonders unverschämtes Beispiel der
herrschenden Kuratorenunsitte, Kunstwerke aus verschiedenen Zeiten und
Kulturen, die nichts miteinander zu tun haben, einfach einander
gegenüberzustellen und damit dem irregeführten Publikum „etwas zu denken zu
geben“.
Sehr erhellend, vielen Dank!
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