Als zweites Motto für seinen Roman hat Clemens Setz einen Halbsatz von Ezra Pound gewählt: „…varying the fashions, but the luminous details remain unaltered“. Das Zitat stammt aus Pounds theoretischer Artikelserie „I gather the limbs of Osiris“ von 1911/12.
„The method of the
Luminous Detail“ ist ein zentraler Begriff in der Poetologie von Pound, die er
als „new method of scholarship“ versteht. Er charakterisiert sie als “a method most vigorously
hostile to the prevailing mode of to-day that is, the method of multitudinous
detail, and to the method of yesterday, the method of sentiment and
generalisation” (“Osiris 2,” 130).
Die „Leuchtenden
Details“ sind laut Pound ein Ausdruck „transhistorischer und transzendentaler
kreativer Energie“, mit der sich Wörter aufladen lassen wie mit einem
elektrischen Strom. Diese Fähigkeit ist in jeder Generation nur wenigen
genialen Poeten gegeben. Pound setzt die leuchtenden Details ab gegen die vorherrschende
Methode seiner Zeit, die „multitudinous details“.
Clemens
Setz hat – nicht unbescheiden - in „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ diese
beiden „Methoden“ zitiert, um seine eigene Poetologie zu kennzeichnen und gegen
die herrschende Methode unserer Zeit abzusetzen. Als typischen Repräsentanten
der „vielen kleinen Details“ sieht er John Updike.
Es
muss ein bisschen schwierig für Setz gewesen sein, diese intellektuelle und
abstrakte Betrachtung glaubwürdig in seinen Roman einzubringen: Natalie ist
keine Intellektuelle. Mit Literaturwissenschaft hat sie nichts zu tun. Sie
liest am liebsten Stephen King. Aber ihr Freund Markus studiert Literatur und
kennt den Begriff „Luminous Details“ aus dem Seminar, missversteht ihn aber in der Anwendung auf seinen Lieblingsautor John Updike. Er versucht, Natalie dazu zu bringen, Updike zu lesen. Nach ein paar Kurzgeschichten gibt sie ihm die Bände zurück:
Er
schien mehr als besorgt, beinahe angewidert.
- Ach,
es ist immer so, dass… irgendjemand lässt sich scheiden, und dann haben sie
Kinder zusammen, und dann gehen sie zusammen Schilaufen, und dann passiert da
allerhand, und der Wald ist da, und es ist so still im Wald wie das Altern, das
ein Mann fühlt, und… und es ist immer ein Mann, der bemerkt, wie viel
lebendiger Frauen sind, und dann ist da ein Hase und… und der Hase steht für
das Leben, das weitergeht durch die Generationen-
- He,
warte mal –
- wie
ein großer Fluss! Und dann ist da ein
altes Farmhaus, in dem andauernd Erinnerungen vor sich gehen, auf dem
Dachboden, und, ach, die Vergangenheit ist sowieso überall, und außerdem kommt
es dann zu einer Aussöhnung zwischen Vater und Sohn, und die kleinen Details sind überall (Hervorhebung von mir, P.G.) und
natürlich auch der Sternenhimmel, dauernd der Sternenhimmel (S. 446f.).“
Natalies
Tirade zu Updike geht noch eine Weile weiter und sie beendet sie mit dem Satz: „Ehrlich,
Markus, das ist, also, weißt du, es ist einfach nicht mein Fall.“ Das
Kapitel endet, Seiten später, mit den Worten „Armer toter Updike“.
Nein,
John Updikes psychologischen Familienromane sind nicht Natalies - und auch
nicht des Autors - Fall. „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ ist Clemens
Setz´ Absetzung gegen den psychologischen Realismus der großen Amerikaner, mit
der er bereits in „Indigo“ (2012) begonnen hat.
Was
ist bei ihm anders? Was sind seine „Luminous Details“? Er zitiert allein schon den theoretischen
Begriff im Laufe des Romans sechsmal; und mehrfach auch die „sinnlosen kleinen
Details“. Wie wendet er die Methode an? Dazu demnächst mehr.
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