Schon seit Wochen werden Dubletten billig abgestoßen, 6 Bücher für 5 Euro. Ich habe einige gekauft, aber es fühlt sich an wie Leichenfledderei. Andererseits begegne ich manchem Autoren, den ich immer links habe liegen lassen, zum Beispiel Gottfried August Bürger (1747-1794).
Ich kannte von Bürger nur seinen Münchhausenroman. Jetzt habe ich eine schöne Ausgabe seiner sämtlichen Werke erstanden, einbändig mit einem Jugendstileinband, 1911 erschienen.
Beim Blättern und Hineinlesen fielen mir die vielen
Liebesgedichte auf, die zur großen Popularität Bürgers bis weit ins 19.
Jahrhundert hinein beigetragen haben. Das liegt auch an der erotischen
Offenheit einiger Gedichte, in denen dennoch das Sexuelle geschickt verborgen
wird.
Hier ist ein Beispiel, bei dem der Gedankenstrich Verwendung findet. Dem
Leser wird selbst überlassen, sich auszumalen, was zwischen Lieschen und dem
Knappen geschah. Keine ungewöhnliche Methode, aber doch: Eine halbe Strophe,
vier Zeilen lang, besteht aus Gedankenstrichen. Das ist doch ziemlich viel, und
des Lesers Phantasie kann sich lang und breit und lüstern oder lieblich
entfalten:
Schön, wie der Apfelbaum im Mai
Schön, wie der
Apfelbaum im Mai,
Schön blühte Müllers Liese.Sie harkte, wandt’ und häuft’ ihr Heu
Auf rundumbuschter Wiese.
Und als das Heu gehäufelt war,
Da sank sie, sicher vor Gefahr,
Zum Labsal matter Glieder
Aufs letzte Häuflein nieder.
Da kam des
Müllers junger Knapp’,
Er kam mit leisen TrittenDas stille Wiesental herab
Zur Schläferin geschritten.
Er warf ihr Blumen ins Gesicht,
Die Schläferin erwachte nicht.
Es half kein Händeklappen,
Kein Tippen und kein Tappen.
Der rege Fleiß
in schwüler Luft,
Ein Mosttrank auf die Schwüle,Der Wiesenkräuter Würzeduft,
Des Pappelschattens Kühle
Berauschten Lieschen. Sie entschlief;
Sie schlief so süß, sie schlief so tief,
Kein Necken und kein Schrecken
Vermochten sie zu wecken.
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Doch sollt’ er nach zwei Jahren
Samt Lieschen es erfahren.
Das einzige, was mich irritiert, ist die Zeitspanne von “zwei
Jahren”. Es geht doch nicht um ein Elefantenbaby, oder?
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