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Donnerstag, 19. September 2013

Sex-Camouflage in den Gedichten von Gottfried August Bürger (3)

Im folgenden Gedichtfragment geht es, anders als bei der Müllerstochter und Europa, nicht um eine fiktive Frau, sondern um Bürgers Schwägerin Auguste. Bürgers Ehe war unglücklich. Eigentlich war er in die blutjunge, schöne und intelligente Auguste verliebt gewesen, aber ihr Vater hatte ihm die zwei Jahre ältere Dorette zugeschoben. Nach der Heirat wurde jedoch das Verhältnis zu Auguste stets inniger. Sie ist die “Molly” aus den vielen Gedichten. Viel Dramatik ist im Spiel, auch Molly war mit den Zuständen unglücklich und erwog, ihn zu verlassen.


In solch einer Situation hat Bürger eine Elegie aus 35 achtzeiligen Strophen geschrieben, in der er endlos seine Liebe und Verzweiflung besingt. Die erotischen Teile dieser Elegie spitzen sich gegen Ende zu. Um sie darstellen zu können, bedient sich Bürger metaphorischer Mittel und ergeht sich in Schiffs-, Strom- und Blümchenmetaphern:

Elegie

Als Molly sich losreißen wollte

[… 30 Strophen gehen voran!]

Freier Strom sei meine Liebe,
Wo ich freier Schiffer bin!
Harmlos wallen seine Triebe
Wog’ an Woge dann dahin.
Lass in seiner Kraft ihn brausen!
Wenn kein Damm ihn unterbricht,
Müsse dir davor nicht grausen!
Denn verheeren wird er nicht.

Auf des Stromes Höhe pranget
Eine Insel, anmutsvoll,
Wo der Schiffer hin verlanget,
Aber ach! nicht landen soll.
Auf der schönen Insel thronet
Seines Herzens Königin.
Bei der süßen Holdin wohnet
Dennoch immerdar sein Sinn.

Hänget gleich sein Schiff an Banden
Strenger Pflichten, die er ehrt;
Wird ihm gleich dort anzulanden,
Molly, selbst von dir verwehrt:
O so laß ihn nur umfahren
Seines Paradieses Rand,
Und es seine Obhut wahren
Gegen fremde Räuberhand.

Selbst, o Holdin, - kannst es glauben,
Was dir Mund und Herz verspricht! –
Selbst das Paradies berauben
Und verheeren wird er nicht.
Keine Beere will er pflücken,
Wie so lockend sie auch glüht,
Nicht ein Blümchen nur zerknicken,
Das in diesem Eden blüht.

Hinschaun soll ihn nur ergötzen,
Wann sein Schiff herum sich dreht,
Nur der süße Duft ihn letzen,
Den der West vom Ufer weht.
Aber ganz von hinnen scheiden,
Fern von deinem Angesicht
Und der Heimat seiner Freuden,
Heiß’, o Königin, ihn nicht.

Bürgers sämmtliche Schriften, 1. Band, Leipzig 1911, 61-68

Die Entschlüsselung der Metaphern fällt nicht immer leicht. Am Ende wird einem ein wenig schwindlig, das Schiff scheint in einen Strudel zu geraten. Der Schiffer schwört, sich aufs “Schauen” zu beschränken, sieht sich aber dem “süßen” Duft ausgesetzt. Das veraltete Verb “letzen” bedeutet “erquicken”. Wie lange soll das gutgehen? Lassen wir’s dabei. Natürlich ist's passiert.

Bürger hat ein unglückliches und tragisches Schicksal gehabt, auch wenn es anders klingt, wenn man sagt: Er hat mehrere Jahre mit Dorette und Auguste in einer Ehe zu dritt gelebt.

Beide Frauen sind ihm im Kindbett dahingestorben und die Kinder noch dazu. Seine dritte Ehe verlief im Fiasko, die Frau wurde schuldig geschieden.

1 Kommentar:

  1. Gottfried August Bürger traf sich mit Molly an der Bürger-Grotte, die man auf der Bürger-Tour besuchen kann unter http://kulturreise-ideen.de/literatur/aufklaerung/Tour-gottfried-august-buerger.html

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