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Donnerstag, 28. November 2013

Ein Platz für wilde Tiere

Noch vor der Sprengung des Stadtschlosses wurde 1950 auf Geheiß Walter Ulbrichts das deutsche Nationaldenkmal vor dem Schloss abgerissen. Es bestand aus einem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (des Kaisers der deutschen Einheit von 1871), umgeben von vier Löwen, die seine Siegestrophäen bewachten.



Der Sockel blieb erhalten, stand seitdem leer und wird 2015 das neue deutsche Freiheits- und Einheitsdenkmal aufnehmen.

Zwei der vier Bronzelöwen wurden – wie ich jetzt erfahren habe - nicht eingeschmolzen, sondern im Ostberliner Tierpark in der Nähe des Raubtierhauses aufgestellt. Ein sinniger Akt der ostdeutschen Kommunisten! Aber Deutsche sind ja bekanntlich tierlieb.

Dort stehen sie noch heute, und dort hatte ich mich im Sommer dieses Jahres, nichts Böses ahnend, zwischen die Pranken eines der gewaltigen Löwen begeben, der gewiss schon lange seine Trophäen vermisst hatte und nun mich an ihrer Stelle bekam. Ganz kurz nur; er ließ mich wieder gehen. Er ist ein freundlicher Löwe, der schon viele meinesgleichen erlebt hat. Das Foto davon habe ich dann – immer noch nichts ahnend -als Profilbild für meine Facebook-Seite benutzt.



Als ich jetzt die Wahrheit erfuhr, war ich zunächst ein klein wenig schockiert. Aber dann schien mir mein Nachkriegskörper doch irgendwie eine akzeptable Trophäe für den domestizierten deutschen Nationallöwen zu sein.

Ein Höhepunkt des Sozialistischen Sakralsurrealismus

Aus der Bronze des Reiterstandbilds Kaiser Wilhelms I., das vor dem Berliner Stadtschloss gestanden hatte und 1950 abgerissen worden war, wurden noch kurz vor dem Ende der DDR die zwei großen Reliefs gefertigt, die links und rechts an der Frontseite des Neuen Marstalls angebracht sind. Sie zeigen anlässlich des siebzigsten Jahrestages (1988) der Ausrufung der Republik durch Karl Liebknecht zwei sozialistische Apotheosen.




Der Bildhauer Gerhard Rommel erschuf die Szenen im Stil des Sozialistischen Sakralsurrealismus. Auf dem linken Relief erscheint in der linksoberen Ecke ein überdimensionales Haupt von Karl Marx, das wie der liebe Gott mit Rauschebart auf seine Geschöpfe, Proletarier mit Gewehren, herabblickt. Auf dem rechten Relief ist es Karl Liebknecht, der im oberen Reliefbogen entschwebt wie Jesus bei der Himmelfahrt und dabei die sozialistische Republik ausruft.


Anders als im Fall des Palastes der Republik – Auge um Auge, Zahn um Zahn! - ließen die neuen Machthaber in diesem Fall historische Pietät walten und haben die Reliefs an ihrem Ort belassen.

Mittwoch, 27. November 2013

Krönungskutschensaal

Ach, es gibt in Berlin einen „Krönungskutschensaal“? Wo denn? Im Neuen Marstall? Und wo ist der?

Merkwürdig: Beim Wort „Krönungskutschensaal“ denkt man sich im ersten Augenblick etwas Erhabenes, Festliches, und überträgt es auf das Bild, das man sich von dem Raum macht. Dabei kann es doch nicht mehr als eine Art Garage sein. Dachte ich.

Der 1901 im neobarocken Stil erbaute, überaus stattliche Berliner Marstall war jahrzehntelang hinter dem Palast der Republik verborgen (und früher hinterm Stadtschloss); er war dieses Jahr einige Monate lang frei zu sehen und ist jetzt wieder hinter den Bauzäunen für den Aufbau des Humboldt-Forums (= Stadtschloss) verschwunden. Aber von der Humboldt-Box aus kann man ihn noch sehen. Voilá, die kaiserliche Garage:



Hier waren die rund 300 Pferde und die Kutschen des kaiserlichen Hofes untergebracht. Nach dem Fall der Monarchie wurde das Gebäude ziemlich hilflos mal diesem, mal jenem Zweck zugeführt. Hitler wollte dort nach dem Endsieg sein neues Reichskolonialministerium unterbringen. Seit 2005 beherbergt es einen Teil der Musikhochschule ‚Hans Eisler’. Aus den ehemaligen Pferdeboxen wurden Übungsräume. Die Aufbewahrungshallen für die (verschwundenen?) Krönungs- und Galakutschen hat man zu drei Konzertsälen umgebaut, die Berlins üppiges Kulturraumangebot weiter bereichern.

Und so habe ich den Krönungskutschensaal kennengelernt. Nicht schlecht für eine Garage:


 Merkwürdig der Satz im Wikipedia-Artikel zum Marstall:

“Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geht davon aus, dass das Bauwerk nach Abschluss des zweiten Bauabschnittes und nach dem bereits erfolgten Rückbau des Palastes der Republik mit der Wiedererstehung des historischen Schloßplatzes nach dem Wiederaufbau des Stadtschlosses wieder eine angemessene Bedeutung erhalten wird.”


Tja, was ist angemessen? Die Hochschule reicht nicht? Irgendein Ministerium vielleicht?

Sonntag, 24. November 2013

Die Drei-Groschen-Symphonie

Autobiografie als Graphic Novel - Volker Reiche, Kiesgrubennacht,


Der Comiczeichner Volker Reiche (Jahrgang 1944) hat seine Autobiografie als Graphic Novel gezeichnet. Dabei geht es insbesondere um seine Kindheit und Jugend in den vierziger und fünfziger Jahren und die Auseinandersetzung mit dem Nazi-Vater. Auf Reiches Website kann man sich einen bildlichen Eindruck verschaffen.

Diethmar Dath hat dieses ungewöhnliche Buch in der FAZ besprochen.


Donnerstag, 21. November 2013

So bescheuert können Deutsche sein


Im Zoo zu Hoyerswerda haben in diesem Sommer sieben kubanische Rauten-Krokodilbabys das Licht der Welt erblickt, eine Sensation in der Zoowelt. Das erste von ihnen erhielt wegen seines etwas aggressiven Charakters von den Tierpflegern den Namen „Fidel“ (und als Beiname „Castro“).

Das ist nicht Fidel Castro
Das führte zu Protesten aus der Bevölkerung. Deren Wortführer ist der Görlitzer CDU-Landrat Bernd Lange, der damit drohte, dem Zoo die jährlichen Fördergelder in Höhe von 400.000 Euro zu streichen. Der Hintergrund ist offenbar nicht, dass es sich um eine Beleidigung des kubanischen Revolutionsführers handeln könnte.

Die Zoodirektion knickte ein und hat Fidel in „Fidelio“ umbenannt.

Solche Nachrichten machen mich nun echt fassungslos.

P.S. Ach ja: Und das nächste Krokodil, das in Hoyerswerda geboren wird, muss natürlich unbedingt „Bernd“ heißen. Notfalls kann man ja die Bürger darüber abstimmen lassen.


P.S. 2: Und wenn Bernd Lange dann wieder eingreift, nennen wir es einfach “Don Pizarro”. Beethovens Personal steht für alle Fälle bereit.