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Dienstag, 12. November 2013

Maxim Biller „Im Kopf von Bruno Schulz“ oder: Sollen wir den Kopf von Thomas Mann fordern?


Wer Michael Krügers Rezension von Maxim Billers Novelle „Im Kopf von Bruno Schulz“ liest, muss zu dem Schluss kommen, dass es sich dabei um ein Buch über den polnischen Autor Bruno Schulz handelt, der 1942 von einem SS-Offizier hinterrücks erschossen worden ist.

Krüger, der im Hanser Verlag das Werk von Bruno Schulz herausgegeben hat, widmet 99% seiner Besprechung dem Schicksal dieses polnischen Juden und nur einen Absatz der eigenartigen Novelle, die in anderen Rezensionen als Meisterwerk gerühmt worden ist. Das ist schon etwas merkwürdig.

Gestern, bei der öffentlichen Vorstellung des Buches im Deutschen Theater in Berlin, wiederholte sich das: Nach der halbstündigen Lesung Maxim Billers sollte es ein Gespräch zwischen Michael Krüger und dem Autor geben. Krüger erhielt das Wort und redete zwanzig Minuten lang über Bruno Schulz. Die Novelle und ihre Eigenart ließ er außen vor. Sogar das artige Bildungspublikum begann langsam unruhig zu werden.

Unter der Leitung seines etwas hilflosen Lektors kam Maxim Biller dann doch noch zu Wort und rettete mit einem vergnüglichen Katz-und-Maus-Spiel den Abend. Zumindest ansatzweise erfuhr das Publikum dann doch noch, worum es geht.

Die Novelle beschreibt von Anfang bis Ende den Versuch des Protagonisten Bruno Schulz, im Jahr 1938 einen Brief an Thomas Mann zu schreiben, ob dieser ihm nicht helfen könne, Polen zu verlassen. Die inhaltlichen Einzelheiten kann man der guten Rezension im Spiegel entnehmen.

Viel sinnvoller für den Abend im Deutschen Theater wäre es gewesen, einen Thomas-Mann-Experten einzuladen. Zwar geht es in der Novelle vordergründig um die Opfer des nahenden Holocaust und um Bruno Schulz als individuelles Beispiel, aber eigentlich geht es um die deutschen Täter und um Thomas Mann, den nur scheinbar unverdächtigen deutschen Kulturhelden. Biller machte gestern keinen Hehl daraus, wie unangenehm ihm Thomas Mann ist, und dass er die demokratische Konversion Manns in den zwanziger Jahren bezweifele.

Wenn diese nämlich nur einem Ekel vor der Pöbelhaftigkeit der Nazis geschuldet wäre, finden wir im Kopf von Thomas Mann die bürgerliche Basis für den Erfolg der Nazis vor, einschließlich des Antisemitismus. Das ist die eigentliche Brisanz dieser Novelle, und darüber hätte gesprochen werden müssen. Das einzige, was dem Gesprächsleiter dazu einfiel, war, Biller freundlich zu warnen, dass er sich um Kopf und Kragen rede. Das machte mich schon ein bisschen fassungslos. Wo sind wir denn?

Ach ja: im Herzen Deutschlands! Die heutigen Deutschen reden gern und viel über die Opfer des Nationalsozialismus. So viel, dass für die Täter kein Raum mehr bleibt. Sehr praktisch!

Anders als ich es gewöhnt bin, wurde dem Publikum leider keine Möglichkeit zu Fragen geboten.

Ich habe heute die Novelle „Im Kopf von Bruno Schulz“ zu Ende gelesen. Sie ist in ihrer Konstruktion und Sprache in der Tat ein Meisterwerk.

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