„Leibesvisitation“? Wir hatten uns von dem freundlichen
jungen Mann in den Glasanbau des Schadowhauses bitten lassen, wo ein Plakat mit
dem Titel „Prinzessinnen“ lockte. Das stattliche und schön restaurierte
Schadowhaus selbst hatte sich als unzugänglich erwiesen, für den
Publikumsverkehr geschlossen, die Schadowstraße dementsprechend menschenleer.
Der junge Mann war
extra für uns vor die Tür getreten, um uns für die Ausstellung zu animieren,
die etwas mit Körperbildern von Prinzessinnen zu tun zu haben schien.
Wahrscheinlich guckt kein Schwein sich das an. Aber zunächst einmal mussten wir am eigenen Leibe das Körperbild erfahren, das man von Flughafenkontrollen kennt: die Abtastung
des potentiell bewaffneten Passanten. Na bitteschön, meine Waffen kann er ja
gar nicht finden.
Wozu das Ganze?
Nun, das Schadowhaus nebst Anbau gehört dem Deutschen Bundestag. Es ist gerade für
17 Millionen Euro restauriert worden und dient der Kunstkommission des
Bundestages jetzt als Büro. Im Anbau hat die Schadowgesellschaft zwei
Kämmerlein mieten dürfen, und es werden dort kleine Ausstellungen realisiert,
die sich die Kunstkommission nebenan ausdenkt.
Im Moment läuft
dort eine Ausstellung mit Skulpturen und Büsten von Johann Gottfried Schadow
und Anna Franziska Schwarzbach. Der thematische Ausgangspunkt ist Schadows
berühmte Prinzessinnengruppe mit der preußischen Kronprinzessin Luise und ihrer Schwester
Friederike, die für die weibliche Körperästhetik des ausgehenden 18.
Jahrhunderts revolutionär gewesen ist. Aber von dieser Skulptur sehen wir in
der Schadowstraße nur einen
kleinen Porzellanabguß. Außerdem gibt es einen Gipsabguß in Originalgröße vom seinerzeit spektakulären „Ruhenden
Mädchen“ (1826; Alte Nationalgalerie). Es ist Schadows letztes Werk, das vom
Kunsthistoriker Bernhard Maaz als künstlerisches Credo des Bildhauers gesehen
wird, in dem sich dessen Genie quasi in der Gestaltung eines schönen weiblichen
Hinterns konzentriert.
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Johann Gottfried Schadow, Ruhendes Mädchen (Originalskulptur 1826) |
Anna Franziska Schwarzbach (1949) ist eine sächsische
Bildhauerin. Sie hat sich in den letzten Jahren mit der jüdischen
Artistenfamilie Ovitz beschäftigt. Sieben Kinder des rumänischen Rabbiners
Ovitz hatten seine Zwergwüchsigkeit geerbt. Sie traten in den 30er Jahren als
Liliput-Truppe auf, wurden 1944 nach Auschwitz deportiert und dort von Mengele
barbarischen Experimenten unterworfen.
Schwarzbach will mit ihren aus Pappmaché gefertigten Figuren
an das Schicksal dieser Familie erinnern und auf die Schönheit abweichender
Körperbilder verweisen. Die Kuratorin der Ausstellung sah hierin wohl die
Gelegenheit, die Kunstwerke in der heute beliebten Manier „in Dialog treten“ zu
lassen (so ein in der Ausstellung angebotenes Infoblatt), wobei sich hier in einem Haus des Deutschen Bundestages mit
der Einbeziehung von Auschwitz auch das Label „Holocaust“ gut abdecken ließ.
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Anna Franziska Schwarzbach, Drei Ovitz-Schwestern (Foto: piedschi) |
Dieser „Dialog“ wird besonders sinnfällig im scheinbaren
Blickkontakt der liegenden nackten Idealschönheit mit den tanzenden Zwergdamen,
„auf Augenhöhe“ (Barbara Borek) sozusagen. Was soll ich mir dabei denken?