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Mittwoch, 14. Oktober 2015

Stalingrad als Komödie



Der Schriftsteller Michael Kumpfmüller hat in seiner Dissertation über die deutsche Erinnerung an Stalingrad (Die Schlacht von Stalingrad. Metamorphosen eines deutschen Mythos, München 1995) als methodologisches Konzept die Einteilung in Romanze, Tragödie, Komödie und Satire verwendet. Er wendet damit das Verfahren des amerikanischen Historikers Hayden White an, der auf diese Weise die Literarizität historiographischer Texte untersucht hat.

Es mag zunächst befremdend wirken, sich die Schlacht von Stalingrad als Romanze oder Komödie vorstellen zu sollen. Die Komödie ist dadurch definiert, dass das Ganze ein glückliches Ende haben muss. Hm. In der aristotelischen Urform geht es darum, dass „die schlechteren Menschen“ gezeigt werden sollen. Schon eher? Funktioniert das hier wohl?

Kumpfmüller bringt als Beispiel ein noch während der Schlacht verfasstes Flugblatt von drei uns nicht unbekannten deutschen Kommunisten:


Soldaten, Landsleute!

[…] Das Kommando der Roten Armee hat Euch in seinem Aufruf versichert: Wer sich ergibt, wird nicht mehr als Feind betrachtet. Die russischen Arbeiter und Bauern wissen, dass nicht Ihr, sondern die deutschen Rüstungsmillionäre die wahren Schuldigen am Kriege sind. Sie denken nicht daran, sich an Euch zu rächen. Während wir diese Worte schreiben, sitzen wir mit deutschen Kriegsgefangenen zusammen, sie sagen, wenn Ihr drüben wüsstet, wie menschlich es hier zugeht, Ihr tätet keinen Schuss mehr. Landsleute! Das einzige Tor zu Eurer Rettung ist offen. […] Stellt Euch die Freude Eurer Angehörigen vor, wenn sie zu Weihnachten die frohe Nachricht erhalten, Ihr seid in Sicherheit und werdet nach Kriegsende zu ihnen zurückkehren.

Walter Ulbricht, vom deutschen Volk gewählter Reichstagsabgeordneter, Berlin

Erich Weinert, Schriftsteller, Berlin

Willi Bredel, Schriftsteller, Hamburg



Ich konnte tatsächlich darüber lachen.

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