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Montag, 30. März 2015

Steffen Kopetzkys Roman „Risiko“ - Ein Leserblog (3): Die reichhaltigsten 15 Jahre der deutschen Geschichte

In der ersten Hälfte des Romans „Risiko“ erzählt Steffen Kopetzky vom abenteuerlichen, aber auch todbringenden Einsatz des erst deutschen und dann türkischen Kriegsschiffes „Breslau“ im Mittelmeer kurz vor dem ersten Weltkrieg und während der ersten Kriegsmonate; in der zweiten Hälfte geht es um die Geschichte der deutschen Afghanistan-Expedition vom September 1914 bis September 1915, der sogenannten Niedermayer-Hentig-Expedition, die die Afghanen zum Dschihad gegen die Briten bewegen sollte.



Zusammengehalten werden die beiden Teile vor allem durch die (fiktive) Hauptfigur, den Funker Sebastian Stichnote und das (poetologische?) Element des „Großen Spiels“. Mit letzterem, denke ich, steht und fällt die Qualität dieses Romans, der ja nicht umsonst den Namen eines berühmten Kriegsspiels trägt. Aber dazu später.

Vor nicht allzu langer Zeit hätte man (ich?) einen deutschen Roman, der im ersten Weltkrieg spielt und nicht eindeutig das Antikriegs-Label von Remarques „Im Westen nichts Neues“ bedient, nur mit einem gewissen Stirnrunzeln angefasst. Aber hundert Jahre nach Kriegsbeginn hat sich sowohl durch die vergehende Zeit als auch durch die mit ihr einhergehende Relativierung in der internationalen Geschichtswissenschaft die von meiner Generation angenommene Eindeutigkeit der Schuldfrage in einer Serie von Fragezeichen und neuen Erkenntnissen aufgelöst.

Was bleibt, ist dagegen die Rückprojektion der Ergebnisse aus der Vergangenheitsarbeit am Zweiten Weltkrieg, die jedem Deutschen einen unbefangenen Umgang mit „Helden“ auch vorangegangener Zeiten verbieten sollte. Aber nicht die Thematisierung jener Zeiten und Helden überhaupt! Die ersten 15 Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts zum Beispiel sind eine der reichhaltigsten und interessantesten Perioden der deutschen Geschichte hinsichtlich Kultur, Wissenschaft, Technik, Politik und Gesellschaft. Und Steffen Kopetzky schöpft mit vollen Händen aus diesem vernachlässigten Fundus.

Vor ihm hat das auch Christian Kracht getan, dessen Roman „Imperium“ ein Beispiel dafür gibt, wie eine poetologisch sinnvoll eingesetzte Rückprojektion von Geschichtserfahrung aussehen kann, ohne dass ein didaktisch verquastes, langweiliges Gebilde dabei herauskommt.

Ist Steffen Kopetzky mehr als ein Karl May unserer Tage, der uns mit Hilfe einer Handbibliothek in andere Zeiten und Länder versetzt?

Fortsetzung (und irgendwann auch die Antwort) folgt.


1 Kommentar:

  1. Mehr Risko, weniger Pop gibt es hier:

    http://laputa-verlag.blogspot.de/2015/03/dieses-buch-ist-besser-als-pop.html

    Harald Rutzen: Es gibt immer mal wieder Leute....

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