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Freitag, 24. Mai 2013

Wer ist Hannes Stein? Ein Komet auf der Achse des Guten!


Beim Lesen von Wolf Biermanns Lob des Romans „Der Komet“ habe ich mich gefragt: Wer ist Hannes Stein? Warum habe ich noch nichts von ihm gehört und gesehen?

Nun: Hannes Stein ist in erster Linie Journalist und schreibt in Blättern und Blogs, die ich kaum lese. „Der Komet“ ist sein Debüt als Romanautor, aber er kommt daher wie ein alter Hase.

Hat er deshalb dieses Foto als Autorenporträt auf der Innenseite des Schutzumschlags gewählt?

Hannes Stein im Central Park
Nein, Hannes Stein ist – wie sein Roman auf jeder Seite zeigt - ein Scherzbold mit Tiefgang. Der Hase auf dem Foto gehört zur Skulptur „Alice in Wonderland“ im Central Park in New York, Steins neuer Heimatstadt. Der Autor hat sich Lewis Carrolls „White Rabbit“ als Schutzpatron für die Reise in sein Wunderland gewählt.

Bei seinem Auftritt auf dem Blauen Sofa in Leipzig musste er soviel über all die Wunder seines alternativen 20. Jahrhunderts erzählen, in dem weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg stattgefunden haben, dass die Vorzüge des Buches als Roman zu kurz kamen. Dabei ist die Verbindung von plausibler Alternativpolitik, -geschichte, -kultur und -technik mit einer unterhaltsamen Romanhandlung auf hohem sprachlichen Niveau die überaus verblüffende Leistung Steins. Es gibt keinen vergleichbaren Roman in der deutschen Literatur! (Na ja, bei Christian Kracht vielleicht ein bisschen.)

„Der Komet“ ist bereits in Dutzenden literarischen Blogs besprochen und gepriesen worden. Wo bleiben die Rezensionen der großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen? In der ZEIT war es ja offenbar Wolf Biermann, der die Initiative ergriffen hat und nicht die Redaktion.

Zieren sich die Feuilletonchefs in deutschem Schuldstolz vor dem Anblick eines märchenhaften und unblutigen 20. Jahrhunderts voller sympathischer Österreicher und harmlos-tüchtiger Deutscher? Finden sie das albern, ihrer unwürdig, unangemessen? Vielleicht haben sie ja auch die fünfzig Sternchen im Romantext übersehen, die auf das Glossar am Ende des Buches verweisen, in dem der Leser über Bekanntes und Unbekanntes aus der Realgeschichte aufgeklärt wird. Der besondere Effekt des Romans entsteht gerade aus dieser Kontrastierung des so glaubwürdigen Märchenwunderlandes mit der so unglaublich brutal-blutigen Echtzeit. Vorne lacht der Leser, hinten bleibt ihm das Lachen in der Kehle stecken. „Der Komet“ ist vor allem ein erschütterndes Buch.

Hannes Steins journalistische Texte lassen sich am konstantesten in dem Blog „Die Achse des Guten“ verfolgen. Das ist nun nicht unbedingt meine ideologische Heimat, aber da die letzten dreißig Jahre mit ihrem Blick von außen auf Deutschland bei mir zu einer Abschwächung des Lagerdenkens geführt haben, kann ich die klugen, manchmal aggressiven und oft witzigen Auslassungen des amerikanischen Republikaners Stein in Henryk Broders Blog durchaus genießen.

Hannes Stein, in Deutschland geboren, in Österreich aufgewachsen, hat auch ein Leben in Israel versucht. 2007 hat er eine Greencard gewonnen, ist in die USA ausgewandert, hat eine New Yorker Jüdin geheiratet und ist inzwischen Amerikaner geworden. Und ein Republikaner, der Obama wählt. Seine Amerika-Erfahrungen hat er in dem Buch „Tschüß Deutschland“ (Berlin 2010) zusammengefasst. Aus der Neuen Welt schickt er uns jetzt seinen Kometen herüber. Er kommt uns bedrohlich nahe.


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