Der Zufall will es, dass heute der Weltfrauentag ist und meine auf Papier gedruckte Tageszeitung (Nieuw Rotterdams Courant) mir heute Morgen um 8 Uhr eine Ausgabe mit manchen Aspekten zu Mann und Frau und Frau und Mann in die Hände gab.
Das spielt ja in meinen Betrachtungen zum „Sitzenden Jüngling“ von Frederika/Frederik Engelina/Engel Jeltsema eine große Rolle. Nach seiner juristischen und lebensalltäglichen Mannwerdung ließ sie/er sich übrigens „Fré“ nennen, um beide geschlechtliche Identitäten problemlos in einem Rufnamen zu vereinigen. Ich komme hierauf noch zurück. Es hat auch viel mit seinem dem Hermes nachempfundenen Jüngling zu tun.
Der Leitartikel der NRC heute auf Seite 2 unter dem Titel „Mentale hermafrodiet“ stammt von Floor Rusman, einer 39jährigen Redakteurin. Sie beschreibt darin ihre Sicht auf ihre Identität als Frau in einer Welt, in der sich, auch in den Niederlanden, wieder mehr und mehr eine „Manosphere“ auf teils brutale Art Raum verschafft (auch dem Thema widmet sich die Zeitung auf Seite 10-11).
Floor Rusman beendet ihren Artikel mit dem Statement:
„Wenn ich für irgendetwas demonstrieren will, dann ist es für die Freiheit von Frauen und Männern, selbst zu bestimmen, wie faszinierend sie ihre Geschlechtlichkeit finden. Dieser Freiheit sollte sich jede/jeder (für sich und andere) verpflichtet fühlen.“ (Übersetzung P.G.)
Vorher hat die Autorin noch auf die amerikanische Essayistin Becca Rothfeld verwiesen, die einmal geäußert hat, sich als „mentaler Hermaphrodit“ zu fühlen. Becca Rothfelds Buch „All Things Are Too Small. Essays in Praise of Excess“ zählte die New York Times zu den 100 wichtigsten Büchern des Jahres 2024. Meine Hauptbotschaft in diesem Blogpost ist: Lest dieses Buch. Schon nach einigen Seiten (die ich heruntergekindled habe) weiß ich, dass es viel zu tun hat mit dem, was ich in den folgenden Tagen über Fré Jeltsema zwischen Gestern und Heute sagen wollte und dass es ein überaus ungewöhnliches Buch einer jungen Frau ist.
Auf das Thema Hermaphroditismus, und zwar sowohl in seiner mythologischen, physiologischen und mentalen Form komme ich natürlich auch zurück.
Hermes und Aphrodite hatten eine Affaire, aus der ihr Kind, Hermaphroditos, hervorging
Und warum hat Fré, die/der 1960 im Alter von 80 Jahren krank und bettlägrig war, wohl beschlossen, der Stadt Groningen, in der ihre/seine Laufbahn als Bildhauerin/hauer begann, nicht nur einen dem herkulaneischem Merkur nachempfundenen Jüngling, sondern auch eine lebensgroße Marmorstatue einer lebenslustigen „Bacchantin“ zu schenken?
Frederika Engelina Jeltsema aus dem Dorf Uithuizen gewann 1902 mit 23 Jahren den „Prix de Rome“, den höchsten niederländischen Preis für Bildhauerei, mit dem ein vierjähriges Stipendium für jeweils einjährige Auslandsaufenthalte unter Aufsicht erfahrener Künstler verbunden war. Welch ein Höhepunkt für die durch ihre Intersexualität verunsicherte Tochter eines Großbauern aus der tiefsten niederländischen Provinz!
Während dieser faszinierenden Lebensphase, die sie unter anderem nach Paris und Florenz führte, wurde von Jahr zu Jahr mehr evident, dass sie als Mann in vielen Situationen des Alltags, aber auch als Künstler mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten haben könnte.
Der Preis verschaffte ihr zahlreiche gut bezahlte Aufträge. Sie lernte auf diese Weise die Witwe Geesje Mesdag-van Calcar kennen, die in einer großen Villa in Scheveningen lebte und sich nach dem Tod ihres sehr reichen Mannes und ihres Sohnes einem Leben für die Kunst widmen wollte.
Geesje verstand sich sehr gut mit Frederika und ließ sie in ihrem Haus wohnen. Als Frederika ihr 1906 mitteilte, weiterhin als Mann durchs Leben gehen zu wollen, hat das die Freundschaft eher noch bestärkt. Die dreißig Jahre ältere Geesje sah in Frederik einen Ersatzsohn und bot ihm alle Möglichkeiten. Sie ließ ihm sofort eine umfangreiche Männergarderobe schneidern, ein Atelier im Garten bauen und machte mit ihm in den folgenden Jahren und Jahrzehnten ausgedehnte Kunstreisen durch Europa in der Tradition der „Grand Tour“. Bei ihrem Tod 1936 hinterließ sie ihm die Villa und den Großteil ihres Vermögens. Dabei hatte er auch schon von seinem Vater geerbt und konnte bis zum Ende ein finanziell sorgenloses Leben führen.
Frederik Engel Jeltsema, Marmorbüste von Geesje Mesdag-van Calcar, Groninger Museum
Zu den Stationen und näheren Umständen dieser Reisen von Mutter und Pflegesohn gibt es leider keine Dokumente. Aber wenn man eine Handvoll italienischer Städte nennen soll, die auf jeden Fall zu solch einer Grand Tour gehörten (und für viele immer noch gehören), dann sind es Venedig, Florenz, Rom, Neapel und Pompeji.
Frederik hat also auf jeden Fall in Neapel den lebensgroßen „Ruhenden Hermes“ aus der Villa dei Papiri gesehen und wahrscheinlich auch eine der vielen zum Verkauf angebotenen kleinen Kopien der Skulptur gekauft und mit nach Hause genommen. Für ihn und sein Verständnis von Bildhauerei muss sie ein absoluter Höhepunkt griechisch-römischer Kunst, von Kunst überhaupt, gewesen sein.
Zehn Jahre nach seiner juristischen Mannwerdung sollte er eine eigene lebensgroße Version dieser Bronzeskulptur erschaffen, den „Zittende jongeling“ (1916), keine Auftragsarbeit, sondern nur für sich selbst und für Geesje, keine Kopie, sondern ein dem sitzenden Hermes nachempfundenes Selbstbildnis des Groninger Künstlers als junger Mann, geschaffen mit den außerordentlichen handwerklich-künstlerischen Fähigkeiten, die ihm/ihr zu frühem Ruhm verholfen haben. Und mit den finanziellen Mitteln, die Geesje ihm bot.
Den leisen Anklang an James Joyce mit seinem „Portrait of the Artist as a Young Man“, gleichfalls 1916, möge man mir verzeihen. Es gibt da ein paar Parallelen, die mich verblüfft haben.
Zum Schöpfer der Skulptur auf dem Emmaplein und zur Skulptur selbst gibt es überraschend wenig Literatur. Die ausführlichste und für jeden direkt zugängliche Information zu Leben und Werk des Bildhauers ist die Biografie von Rob und Winky Vetter auf der Website www.mesdagvancalcar.nl .
Ich benutze diese mit viel Liebe und Aufwand gemachte Website im folgenden, um Ansätze zum Verständnis des nackten Jünglings zu finden. Manches davon muss spekulativ bleiben, da die Archive nicht viel hergeben.
Es beginnt mit einer großen Überraschung: Frederik Engel Jeltsema wurde bei seiner Geburt im Dorf Uithuizen (20 km nördlich von Groningen) am 4. Oktober 1879 als Frederika Engelina Jeltsema ins Geburtenregister eingetragen. Ein Mädchen! Seine Geschlechtsteile erweckten Zweifel für eine genaue Bestimmung. Der Arzt entschied sich für weiblich.
Als Frederika drei Jahre war, wurde den Eltern deutlich, dass es sich doch um einen Jungen handelte. Dennoch erzogen und kleideten sie ihr Kind weiterhin als Mädchen, wohl auch, um Unruhe in dem kleinen calvinistischen Dorf zu vermeiden. Es sollte bis 1906 dauern, dass sich der dann 27jährige Frederik per Gerichtsbeschluss in Groningen zum Mann erklären ließ.
Frederika, 1906
Erstmals als Mann in Florenz, 1906
Das heißt, er ist all seine Schul- und Ausbildungsjahre als Mädchen und Frau aufgetreten: die sechsjährige Grundschule in Uithuizen, die vierjährige Ausbildung als Zeichnerin an der Akademie Minerva in Groningen 1892-1896, die Ausbildung als Zeichenlehrerin in Amsterdam 1897-1898 und das Studium an der Rijksakademie voor Beeldende Kunsten in Amsterdam 1899-1902.
Es übersteigt meine Vorstellungskraft, was das für diesen Mann bedeutet haben muss.
Aber wenn man hört, dass er bei einem Stipendienaufenthalt in Paris von Mitbewohnerinnen, die sein Geheimnis entdeckt hatten, zu Geldzahlungen erpresst wurde und dort von der Polizei eine Anklage wegen öffentlicher Travestie erhielt, lässt sich ein wenig davon ermessen. Leider gibt es keine persönlichen Aufzeichnungen von ihm, die darüber Aufschluss geben. Im Prinzip muss er sich allerdings sowohl als Frau als auch als Mann nicht unbedingt unwohl gefühlt haben. Und er/sie hatte immer liebe- und verständnisvolle Eltern und Bekannte, die sein Privatleben geschützt haben.
Die Leser und Leserinnen meines Blogs haben recht mit ihrer eventuellen leisen Vermutung, dass ich einen Zusammenhang zwischen dem nackten Jüngling auf dem Emmaplein und dem Identitätsgefühl seines Schöpfers sehe.
Auf dem Emmaplein steht eine schöne Bronzeskulptur: der „Zittende jongeling“, ein lebensgroßer nackter Jüngling, der bei näherer Betrachtung viel von einem echt Groninger Jungen hat.
Im März wird der Emmaplein in der Nähe des Bahnhofs zum schönsten Platz von Groningen. Tausende blaue und weiße Krokusse stehen dicht an dicht und bilden ein faszinierendes Blütenmeer. Viele Passanten bleiben stehen, sind ganz entzückt und machen Fotos.
Foto: Hardscarf 2017
Für den nackten Jüngling scheint sich jedoch kaum einer zu interessieren, und fragt man Groninger Bekannte, dann erinnern sie sich wohl an die Blumen, aber nicht an den Jungen.
Was ist los mit dieser Skulptur? Warum wird sie so übersehen?
Nun sind Skulpturen sowieso nicht das Ding der Groninger. Jede Verherrlichung oder Überhöhung einer Person geht ihnen zu weit. Außerdem ist die Figur nackt! Das geht schon mal gar nicht!
Auf dem Schildchen, dass die Gemeinde wie eine Stolperfalle vor der Skulptur angebracht hat, steht:
Erfreut, mehr über den Jüngling erfahren zu können, rief ich die Seite auf. Die Website ist jedoch nicht mehr aktuell, man wird an eine neue weiterverwiesen: www.kunstpuntgroningen.nl . Dort finden sich ein paar Fotos und eine kurze Information zur Skulptur und ihrem Schöpfer, außerdem folgende Erläuterung: „Deze wijze van verbeelden van het mannelijk naakt – met de nadruk op idealisering en kracht – hanteerde men ook in het oude Griekenland.“
Ich habe noch eine Weile herumgegoogled, aber mehr als dieser allgemeine Hinweis auf die griechische Antike findet sich nirgends. Dabei gibt es doch eine griechisch-römische Skulptur von frappanter Ähnlichkeit, den „Ruhenden Hermes“ aus Herculaneum bei Pompeji. Diese lebensgroße Statue wurde 1758 in der Villa dei Papiri ausgegraben. Sie hat im 18. Jahrhundert viel Aufsehen erregt und wurde in zahllosen kleinen Kopien an begeisterte Europäer verkauft, die auf der „Grand Tour“ durch Italien waren. Das Original von 79 vor Christus steht heute im Archäologischen Museum von Neapel:
Ich habe am vorletzten Sonntagnachmittag (2. Februar) in Amsterdam eine der eindrucksvollsten Opernvorstellungen meines Lebens gesehen. Dabei wirkten mehrere Umstände zusammen:
An erster Stelle muss ich das unglaublich überwältigende Singen und Interagieren der drei Sänger und der grandiosen Annette Dasch zur Musik und zum Plot von Rudi Stephan (1887-1915) nennen. Ein kleines Ensemble, sollte man meinen, aber es geht ja um „die ersten Menschen“, und das waren in der jüdisch-christlichen Mythologie nun mal Adam und Eva und Kain und Abel. Der aus der Vergessenheit hervorgeholte Rudi Stephan hat aus dieser Konstellation viel Verblüffendes und Provokatives herausgeholt.
Aber zunächst noch ein paar Besonderheiten:
Kaum jemandem sagt der Name des deutschen Komponisten Rudi Stephan etwas, der 1914 seine einzige Oper „Die ersten Menschen“ fertigstellte und kurz darauf an der russischen Front erschossen wurde. Kaum jemand kennt diese drastische expressionistische Oper, die ein großes Potential hat, das Publikum voll in ihren Bann zu ziehen.
Hinzu kommt, dass die Amsterdamer Inszenierung unter der Regie von Calixto Bieto in der Corona-Zeit im Juni 2021 zustande gekommen ist. Ein ursprünglich geplantes größeres Projekt der DNO konnte wegen der Restriktionen nicht stattfinden. Der bei Opernpuristen verpönte Regisseur lieferte in kurzer Zeit eine geniale Verschmelzung seiner eindringlichen und provozierenden Konzepte mit den radikalen Beschränkungen des Bühnenlebens durch Verbote und „Hygienekonzepte“. Er machte trotz allem ein Bühnenerlebnis möglich!
Das Orchester durfte nicht im Orchestergraben sitzen und wurde auf ein Amphitheater im hinteren Bühnenbereich gesetzt, von der Bühne getrennt durch einen durchsichtigen Vorhang. Auf der nach vorne erweiterten Bühne steht ein großer mit Südfrüchten und Blumen gefüllter Tisch, an, auf und unter dem die drei Sänger und die eine überragende Sängerin agierten. Nicht in postparadiesischen Vorzeiten, sondern in unserer Gegenwart! Mit Adam als fünfzigjährigem Heimwerker am Apple-Laptop und Eva als sexuell frustrierter Urmutter mit zwei erwachsenen Söhnen. Mehr brauchte diese Oper nicht, gerade das machte sie so geeignet als Ersatz in einer Zeit, in der weltweit hunderte Projekte abgesagt werden mussten, tausende Künstler in Existenznot kamen und Millionen Familien in ihren Wohnungen auf sich selbst zurückgeworfen wurden.
Zu den wenigen Vorstellungen vom Juni 2021 wurden jeweils nur 250 Personen zugelassen. Wie mögen sie sich gefühlt haben, unter der Wucht von Musik, Gesang und Drama, die in diesem „erotischen Mysterium“ (Librettist Otto Borngräber) über sie hinwegrollte?
Der heute auch völlig unbekannte Autor Borngräber hatte 1908 ein Drama mit dem Titel „Die ersten Menschen“ veröffentlich, das 1912 in Bayern wegen seiner erotischen Brisanz verboten wurde.
Ein preisenswerter Beschluss hat die Amsterdamer Oper veranlasst, zu Anfang der Saison 2025 „Die ersten Menschen“ in genau dieser Corona-Inszenierung und Besetzung noch einmal einem größeren Publikum zugänglich zu machen.
Worum geht es nun eigentlich?
Gottes konzeptioneller Fehler bei der Erschaffung des Menschen war sein mangelnder Blick auf die Generation nach Adam und Eva. Für Kain und Abel gab es keine Frau außer ihrer Mutter. In der Bibel gibt es da sozusagen eine Lücke, nach der die Menschheit sich fröhlich fortpflanzt.
Kain jedoch streift die ganze Oper lang durch die Wälder auf der Suche nach einer „wilden Frau“. Aber nix da! Das macht ihm schwer zu schaffen, und dann muss er noch mit ansehen, dass Abel Evas Liebling ist.
Eva leidet darunter, dass der inzwischen fünfzigjährige Adam sie nicht mehr so begehrt wie früher und immer nur seinen täglichen Geschäften nachgeht. Sie selbst erkennt in ihrem Sohn Abel den jungen Adam und entwickelt erotische Fantasien. Kain in seiner unbefriedigten Begierde ist voller Eifersucht auf seinen Bruder. Es kommt zu sexuellen Annäherungen mit der Mutter in verschiedenen Konstellationen, auch zu dritt (nur Adam starrt still auf seinen Laptop). Der Regisseur Bieto inszeniert das alles – so wie man ihn kennt – ziemlich drastisch. Vielleicht soll es ja auch nur eine Andeutung der jeweiligen Fantasien sein. (Ich habe – gleichfalls gebannt – Bietos Inszenierung der „Entführung aus dem Serail“ 2004 in der Komischen Oper in Berlin gesehen: „Wo bleibt denn da Mozart?“ riefen damals sogar junge Opernpuristen. Andere ergingen sich in üblen Beschimpfungen: „Du Sau!“)
Nichts davon 2025 in der Amsterdamer Oper am kalten sonnigen Waterlooplein: Das Publikum tat während der Vorstellung keinen Mucks. Es war nicht empört, sondern betroffen, überwältigt und zu Tränen gerührt. Neben mir saß eine ältere Dame mit ihrem Mann, die manchmal in sich zusammensank und Halt suchte und sich dem Ganzen lieber entzogen hätte. Ich selbst war fasziniert, aber auch in wachsendem Maße fix und fertig von der Gewalt und Pracht des Geschehens.
Hinterher irrte ich nach einem Glas Sekt verstört zur Metro und auf dem kürzesten Weg zurück nach Groningen.
Zu Annette Dasch, der Urmutter Eva und zentralen Gestalt dieser Oper:
Annette Dasch ist nicht nur eine großartige Sopranistin, sondern auch eine große Schauspielerin und Artistin. Und das mit einer körperlichen Kraft, Eleganz und erotischen Präsenz die sprachlos macht. Fortwährend muss sie auf dem großen, mit Früchten und Blumen voll bedeckten Tisch auf hohen Hacken agieren, interagieren, laufen, sitzen, liegen, sich wälzen, hinuntersteigen. Sie muss mit blossen Händen Apfelsinen aufbrechen, auspressen, den Saft in Krügen auffangen, Honigmelonen an der Tischkante aufschlagen, das Fruchtfleisch ausbrechen und quetschen, und dann über lange Minuten hinweg, während sie weiter spielt und singt, einen großen Klumpen Ton mit ihren Händen zu halbmetergroßen Skulpturen formen und kneten: erst einen Penis, dann eine nackte Frau mit üppigen Brüsten, dann einen nackten Mann mit erigiertem Glied, für das sie demonstrativ zwei Bällchen für die Hoden rollt. Diese dritte Skulptur ergreift dann Kain, um in rasender Eifersucht seinen Bruder Abel zu erschlagen. Großes Drama! Große Kunst!
Annette Dasch (Eva) und Leigh Melrose (Kain), Foto: Ruth Walz, Dutch National Opera
Abels Leiche heben dann Adam, Eva und Kain gemeinsam, als ob es nichts wäre, vom Fußboden auf den Tisch. Dabei wiegt der wunderbare Tenor John Osborn, wenn ich mich nicht täusche, so ungefähr seine 90 Kilo!
Am Ende minutenlanger tosender Jubel und Applaus nach dieser letzten Vorstellung vor ausverkauftem Haus. Und so war es in allen Vorstellungen. Schade, dass nicht noch viele Tausend mehr diese unvergleichliche Inszenierung sehen konnten.
Sehr gerne hätte ich für meine Rezension auch die philosophisch-psychologischen Hintergründe dieser 1914 in Zeiten Freuds und entstandenen Oper berücksichtigt, aber das wird jetzt zu lang für einen Blogbeitrag. Vielleicht mache ich noch eine Fortsetzung.
Und natürlich müsste auch zu den musikalischen und sängerischen Aspekten etwas gesagt werden, wozu ich gar nicht die Kompetenz habe. Aber zu diesen Aspekten hat der niederländische Opernspezialist Peter Franken auf der Website Place de l'Opera eine Rezension geschrieben. Über die Darstellerin der Eva sagt er folgendes:
„Dasch ist eine phänomenale Schauspielerin mit ausgezeichneter Stimme – eine brillante Wahl für diese Rolle. Sie ist eine echte Bühnenpersönlichkeit. Tatsächlich ist Chawa die femme fatale der Oper, und Dasch verkörpert diesen Aspekt mit Bravour, unterstützt durch Bieitos Regie.“.
Ja, Annette Dasch ist für Bietos Art der Regie ein Glücksfall.
Ich habe Peter Frankens Rezension auf deutsch in den Anhang gesetzt. Wer sie lesen möchte, muss hier klicken:
Jetzt wird es so richtig lustig im deutschen Wahlkampf: eine Abgeordnete der Linken aus Berlin-Lichtenberg fordert die Abschaffung der Adelstitel als Bestandteil des Namens.
Während ich mich noch am Kopf kratzte, wieso sie bloß jetzt auf so etwas kommt, las ich den Artikel zu Ende und hatte die Antwort: die Gegnerin von der AfD in ihrem Wahlkreis ist Beatrix von Storch.
Die Verhunzung von Politik geht quer durch die deutschen Parteien.
Also ich hatte den Film G.I.Blues noch nie ganz gesehen, und es ist natürlich in erster Linie ein um die Elvis-Songs herum komponierter Film mit allerlei Schwächen. Aber als zeitgeschichtlicher und zeitkulturgeschichtlicher Film ist er einfach faszinierend.
Die schönste Szene ist die im Kasperletheater. Tulsa (Elvis) macht mit der deutschen Tänzerin Lili aus dem Café Europa einen Bootsausflug und sie besuchen unterwegs ein Kasperletheater, wo die Musikanlage kaputt geht und Elvis einspringt: Muss i denn zum Städtele hinaus.
Das ist wirklich wunderschön! Die Szene gibt es auf YouTube.
Man kann eventuell die ersten Minuten überschlagen und ab 3:00 gucken:
Der Film G.I. Blues von Norman Taurog mit Elvis Presley von 1960 spielt unter amerikanischen Besatzungssoldaten in Süddeutschland. Er lief in Deutschland zu Weihnachten 1960 unter dem Titel „Café Europa“.