Cookie

Montag, 11. Juli 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (11): Juri Andruchowytsch, Die Lieblinge der Justiz



 

Der international bekannteste und meist übersetzte ukrainische Autor der Gegenwart ist wohl Juri Andruchowytsch, geboren 1960 in Stanislau. Die englische Transkription seines Namens ist Yurii Andrukhovych. Seine sechs Romane sind allesamt von der engagierten Sabine Stöhr ins Deutsche übersetzt worden.

 

Offenbar gibt es leider keinen seiner Romane auf Niederländisch. Jedenfalls finde ich nichts unter der niederländischen Schreibweise Joeri Androekovitsj. Das ist sehr ungewöhnlich in diesem Superübersetzer-Innenland.

 

Er ist ein sperriger Schriftsteller, der mir eigentlich nicht liegt, aber dennoch großen Eindruck auf mich macht, auch wegen seines politischen Engagements in der gegenwärtigen Situation. Seinen Roman „Zwölf Ringe“ (deutsch 2005) habe ich erst mal wieder an die Seite gelegt, um mich seinem bislang letzten Roman „Die Lieblinge der Justiz“ (2018, deutsch 2020) zuzuwenden. Auch hier war ich nach drei Kapiteln geneigt aufzuhören, habe aber mit wachsender Faszination bis zum achten Kapitel durchgehalten und bereue es nicht, obwohl es das unerträglichste dieses Schreckensbuches vom anhaltenden Morden in der Ukraine ist.

 

Der Untertitel lautet „Parahistorischer Roman in achteinhalb Kapiteln“. Die „achteinhalb Kapitel“ sind wohl eine poetologische Anspielung auf Fellinis Film „Achteinhalb“. Das würde jedenfalls passen auf Andruchowytschs sechs Romane plus zwei Prosakurzformen und die Frage: Was nun?

 

Es geht um spektakuläre Verbrechen und Verbrecher in vier Jahrhunderten und kulminiert im Grauen der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts, wo der Autor die Verflechtung deutscher, polnischer, sowjetischer und ungarischer Gewalt, des Terrors und des Mordens (insbesondere von deutscher Seite) in der ukrainischen Stadt S. zu rekonstruieren versucht. Bei S. handelt es sich vermutlich um seine Heimatstadt Stanislau (Iwano-Frankiwsk).

 

Man muss die Lektüre durchhalten, um ein Bild von dem, was diesen Autor antreibt und vom Durchhaltewillen der Menschen in der heutigen Ukraine zu bekommen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen