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Donnerstag, 14. Juli 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (12): Ukrainische Literaturgeschichte – zum Beispiel Walerjan Pidmohylnyj






In meinem achten Beitrag mit der Frage: Was gehört zur ukrainischen Literatur, habe ich konstatiert, dass so etwas wie eine ukrainische Literaturgeschichte in Buchform offenbar noch nicht existiert. Der Übersetzer Alexander Kratochvil gibt in einem Interview mit der Berliner Zeitung vom 29. Juni eine Begründung dafür:

 

„Ukrainische Literatur und Sprache fanden bisher in der Slawistik so gut wie gar nicht statt. Das hat sich erst mit dem Maidan und dem nachfolgenden Krieg geändert (…). Man hat es nicht gesehen, weil man immer nur nach Russland guckte.“

 

Seit Peter dem Grossen war die Ukraine unter russischer Herrschaft. Nach dem ersten Weltkrieg entstanden in Mittel- und Osteuropa zahlreiche Nationalstaaten, so auch die Ukraine von 1917-1921. In der Sowjetunion unterstützte man in den Zwanzigerjahren eine Ukrainisierung mit gewissen Freiheiten für Presse, Schulwesen und Literatur. Damit war ab Ende der Zwanziger Schluss. Der herausragende Vertreter der kurzen Blüte der ukraininischen Literatur in diesem Jahrzehnt war Walerjan Pidmohylnyj (1901-1937), vor allem mit seinem Roman „Die Stadt“ (1928), in dem es um das moderne, urbane Kiew des Jahres 1925 geht. Pidmohylnyi wurde dann verfolgt, verboten und 1937 erschossen. Sein Roman, der seit dem Maidan zur Schullektüre gehört, konnte erst 1991 wieder 

erscheinen. Die erste deutsche Übersetzung ist 2022 erschienen (Guggolz-Verlag, 3. Auflage, 416 Seiten, 26 €), eine niederländische gibt es nicht: das sind die Bedingungen ukrainischer Literatur im Inland und im Ausland. Erst seit 2014 gibt es einen offeneren Blick westlicher Verlage auf Gegenwärtiges und Vergangenes aus der Ukraine.

 

„So viele Frauen mit Kindern fliehen vor dem Krieg hierher, die werden zum Teil auch bleiben: Es wäre gut, sie über die Literatur besser zu verstehen und nicht weiter den Stereotypen zu vertrauen, die durch die russische Brille verbreitet wurden“, so Alexander Kratochvil am Ende seines Interviews.



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