Der Flaneur,
der - mit seinem Blick auf die Straße der Gegenwart – meint - sich selbst zum
ästhetischen oder schaudernden Genuss - die Vergangenheit wiederbeleben zu
können, wird oft genug von der Gegenwart mit seinen eigenen Instrumenten
erfasst und zur komischen Figur degradiert.
In der
Französischen Straße in der Mitte Berlins stießen wir gestern auf einen Bauzaun vor einem leeren Grundstück, auf dem verkündet
wurde, dass hier das “Palais Varnhagen” entstehen solle. Ein großes Porträt von Rahel Varnhagen und eine in den Zaun
eingelassene Vitrine mit Bildern ihres berühmten romantischen Salons erzeugten in
mir den Eindruck, dass die kulturbeflissene Stadt Berlin ein weiteres historisches
Gebäude an seinem ursprünglichen Ort rekonstruieren lassen wolle. Und das an dieser
teuren Adresse. Ich war ganz gerührt.
Näheres Hinschauen und die Lektüre der begleitenden Texte führte zu einem
ganz anderen Bild: Bei dem geplanten Gebäude handelt es sich um ein Ensemble
von vierzig Luxuswohnungen von bis zu 400 qm Größe mit “Saloncharakter”. (Auf der Website www.palais-varnhagen.de entdeckt man dann zwar,
dass der historische Salon zwanzig Hausnummern weiter gestanden hat, aber das
darf den Spaß nicht verderben.) Die
Räume haben Deckenhöhen von 3 – 7 Metern und sollen damit auf die “Salonkultur”
Berlins im frühen 19. Jahrhundert verweisen. Ja, nicht nur darauf verweisen,
sondern den zukünftigen Bewohnern sogar die Gelegenheit geben, diese wieder auferstehen zu lassen.
Salonwohnung im Palais Varnhagen |
Munter werden die Größen der deutschen Kultur
aufgezählt, die hier verkehrt haben. Und schon ersteht im inneren Auge des
Passanten ein Bild dieses neuen Wohnpalastes, hinter dessen Fenstern in wenigen
Jahren die Wiedergänger der Brüder Schlegel, Adelbert von Chamissos, Wilhelm
von Humboldts und Heinrich Heines (sie alle werden im Text genannt) im Small
Talk vertieft sind.
Der Flaneur, dessen Seifenblase geplatzt ist, verharrt beschämt und fragt
sich, ob es nicht neue Aufgaben für ihn gibt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen