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Sonntag, 9. November 2014

Das Palais Varnhagen – Eine Sternstunde des Flaneurs

Der Flaneur, der - mit seinem Blick auf die Straße der Gegenwart – meint - sich selbst zum ästhetischen oder schaudernden Genuss - die Vergangenheit wiederbeleben zu können, wird oft genug von der Gegenwart mit seinen eigenen Instrumenten erfasst und zur komischen Figur degradiert.

In der Französischen Straße in der Mitte Berlins stießen wir gestern auf einen Bauzaun vor einem leeren Grundstück, auf dem verkündet wurde, dass hier das “Palais Varnhagen” entstehen solle. Ein großes Porträt von Rahel Varnhagen und eine in den Zaun eingelassene Vitrine mit Bildern ihres berühmten romantischen Salons erzeugten in mir den Eindruck, dass die kulturbeflissene Stadt Berlin ein weiteres historisches Gebäude an seinem ursprünglichen Ort rekonstruieren lassen wolle. Und das an dieser teuren Adresse. Ich war ganz gerührt.


 
Der Schatten des Fotografen
Näheres Hinschauen und die Lektüre der begleitenden Texte führte zu einem ganz anderen Bild: Bei dem geplanten Gebäude handelt es sich um ein Ensemble von vierzig Luxuswohnungen von bis zu 400 qm Größe mit “Saloncharakter”. (Auf der Website www.palais-varnhagen.de entdeckt man dann zwar, dass der historische Salon zwanzig Hausnummern weiter gestanden hat, aber das darf den Spaß nicht verderben.) Die Räume haben Deckenhöhen von 3 – 7 Metern und sollen damit auf die “Salonkultur” Berlins im frühen 19. Jahrhundert verweisen. Ja, nicht nur darauf verweisen, sondern den zukünftigen Bewohnern sogar die Gelegenheit geben, diese wieder auferstehen zu lassen.
Salonwohnung im Palais Varnhagen
Munter werden die Größen der deutschen Kultur aufgezählt, die hier verkehrt haben. Und schon ersteht im inneren Auge des Passanten ein Bild dieses neuen Wohnpalastes, hinter dessen Fenstern in wenigen Jahren die Wiedergänger der Brüder Schlegel, Adelbert von Chamissos, Wilhelm von Humboldts und Heinrich Heines (sie alle werden im Text genannt) im Small Talk vertieft sind.


Der Flaneur, dessen Seifenblase geplatzt ist, verharrt beschämt und fragt sich, ob es nicht neue Aufgaben für ihn gibt.

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