In meinem
Beitrag zum „Palais Varnhagen“ habe ich meinen Flaneur einen
ironisch-arroganten Zweifel an der Wiederbelebung der Salonkultur in Berlin äußern lassen. Die Werbestrategie
für das vom Berliner Star-Architekten David Chipperfield zu errichtende
“Palais” hatte mein sonst so friedfertiges romantisch-aufklärerisches Gemüt
empört.
Nun neigt die Figur des Flaneurs mit ihrem nostalgisch rückwärts gewandten
Blick sowieso zum Kulturpessimismus. Inzwischen habe ich mir die Frage
gestellt, ob ich eigentlich irgendeine Ahnung davon habe, was im gegenwärtigen
Berlin von zukunftsorientierten kreativen, intelligenten und einflussreichen jungen
Köpfen gedacht und vorbereitet wird? (Die muss es ja geben!)
Die Antwort ist ein absolutes "Nein!" (Wenn man mal von vielen in Berlin
ansässigen Schriftstellern absieht, deren Werke ich gelesen habe; aber die
meisten von ihnen beschäftigen sich ja auch nur – wie ich - mit der
Vergangenheit. Und heute sind es nicht die Schriftsteller und Philosophen, von
denen die innovativen und weltverändernden Ideen kommen.)
Irgendwie kann es kein Zufall sein, dass ich mich wenige Tage später
endlich einmal etwas intensiver mit der Website edge.org beschäftigt habe. Ein
Auszug aus “About Edge” zeigt, worum es dabei geht:
“Edge.org was launched in 1996 as the
online version of ‘The Reality Club’ and as a living document on the Web
to display the activities of ‘The Third Culture’.
THE REALITY CLUB
The Reality Club was an informal gathering of
intellectuals who met from 1981 to 1996 in Chinese restaurants, artist lofts,
investment banking firms, ballrooms, museums, living rooms and elsewhere.
Reality Club members presented their work with the understanding that they will
be challenged. The hallmark of The Reality club has been rigorous and sometimes
impolite (but not ad hominem) discourse. The motto of the Club was inspired by
the late artist-philosopher James Lee
Byars: "To arrive at the edge of the world's knowledge, seek
out the most complex and sophisticated minds, put them in a room together, and
have them ask each other the questions they are asking themselves."
Ich habe inzwischen viele rasend interessante
Beiträge auf “Edge” gefunden, unter anderem einen Artikel, in dem die – in der
Tat naheliegende – Verbindung zwischen der romantisch-aufklärerischen Salonkultur
des 18./19. Jahrhunderts mit den Aktivitäten dieses “Reality Clubs” hergestellt
wird: “Network of Ideas” von Adrian Kreye, dem Leiter des Feuilletons der
“Süddeutschen Zeitung”.
Wer will, kann diesen Artikel auch auf Deutsch
lesen: Netzwerke der Ideen, in: Entrepreneur.
Das Magazin für unternehmerische Kompetenz 2/2014, S. 58-65 (eine interessante
Zeitschrift, die mein bornierter Flaneur auch noch nie gelesen hat).
Kreye gibt
ein Beispiel für einen Salon, der von John Brockman, dem langjährigen
Organisator und Kopf von „Edge“, veranstaltet wird:
(Netzwerke der Ideen, Entrepreneur 2/2014, S. 60).
Diese Gruppe hat sich an dem Wochenende über die Frage „Was ist Leben“ unterhalten.
Herzogin Anna Amalias Salon (dritter von links: Goethe, ganz rechts: Herder) |
Ich stoppe hier für heute, komme aber auf das Thema zurück.
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