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Montag, 31. März 2014

Thomas Meyer - Amt für ordnungsgemässe Texte

Nachdem ich gerade mit viel Vergnügen Thomas Meyers Debütroman “Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse” (2012, Taschenbuchausgabe bei Diogenes) gelesen habe, stieß ich beim Herumstöbern auf seiner Website auf dieses Video:




Er hat’s mit der Sprache, und er ist ein sehr genauer Beobachter.

Im Moment arbeitet Meyer an einem Roman über den preußischen König Friedrich Wilhelm I. Da bin ich sehr, sehr gespannt!

Sonntag, 30. März 2014

Kaiserdämmerung (4) - Gustav Meyrink, Der heiße Soldat


Gustav Meyrink, Der heiße Soldat (1913)

Gustav Meyrink
Es war keine Kleinigkeit für die Militärärzte gewesen, alle die verwundeten Fremdenlegionäre zu verbinden. – Die Annamiten hatten schlechte Gewehre und die Flintenkugeln waren fast immer in den Leibern der armen Soldaten stecken geblieben. –

Die medizinische Wissenschaft hatte in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, das wußten selbst diejenigen, die nicht lesen und schreiben konnten, und sie unterwarfen sich, zumal ihnen nichts anderes übrig blieb, willig allen Operationen.

Zwar starben die meisten, aber immer erst nach der Operation, und auch dann nur, weil die Kugeln der Annamiten offenbar vor dem Schuß nicht aseptisch behandelt worden waren, oder auf ihrem Weg durch die Luft gesundheitsschädliche Bakterien mitgerissen hatten.

Die Berichte des Professors Mostschädel, der sich aus wissenschaftlichen Motiven, und von der Regierung bestätigt, der Fremdenlegion angeschlossen hatte, ließen keinen Zweifel daran zu.

Seinen energischen Anordnungen war es auch zu danken, daß die Soldaten wie auch die Eingeborenen im Dorfe nur noch im Flüstertone von den Wunderheilungen des frommen indischen Büßers Mukhopadaya sprachen.

Als letzter Verwundeter wurde lange nach dem Scharmützel der Soldat Wenzel Zavadil, ein gebürtiger Böhme, von zwei annamitischen Weibern in das Lazarett getragen. Befragt, woher sie jetzt so spät noch kämen, erzählten sie, daß sie Zavadil wie tot vor der Hütte des Mukhopadaya liegend gefunden und sodann getrachtet hätten, ihn durch Einflößen einer opalisierenden Flüssigkeit – das einzige, was in der verlassenen Hütte des Fakirs zu finden gewesen war – wieder zum Leben zurückzubringen.

Der Arzt konnte keine Wunde finden und bekam auf sein Befragen von dem Patienten nur ein wildes Knurren zur Antwort, das er für die Laute eines slawischen Dialektes hielt. Für alle Fälle verordnete er ein Klystier und ging in das Offizierszelt. – – –
Zum Weiterlesen hier klicken:

Freitag, 28. März 2014

Auf der Weidendammer Brücke oder: Gnade für Christa Wolf

“Über die Weidendammer Brücke ging ich immer wieder gerne. […] Am Scheitelpunkt der Brücke hängt der gusseiserne Preußenadler, der mir spöttisch entgegensah und den ich im Vorbeigehen leicht mit der Hand anrührte.”

Christa Wolf, Was bleibt, Berlin 1990, 31f.
Zwischen diese beiden Sätze stellt Christa Wolf eine klitzekleine Überlegung über Brecht, Galilei, den Glauben an den Sinn der Wahrheit und die Frage der einzunehmenden Haltung gegenüber dem System. Aber alles, alles wird auf diesen zwei Seiten gesagt: Man müsse “nur mit der Angst fertigwerden”.  Ihre Hoffnung in die DDR habe sie 1976/77 verloren. Der Schmerz darüber habe sie seinerzeit “wie ein Blitz” getroffen und “ein anderes Wesen” aus ihr gemacht.

1976? Sie erwähnt den Namen nicht, aber es handelt sich dabei um die Ausbürgerung Wolf Biermanns nach seinem legendären Konzert in Köln und um den von ihr mitinitiierten offenen Brief zur Verteidigung Biermanns, der zu massiven Repressionen geführt hatte.

Das Berühren des gusseisernen Adlers ist natürlich nicht Preußen geschuldet, sondern Wolf Biermann, der in seinem Kölner Konzert die “Ballade vom preußischen Ikarus” gesungen hatte, in der es um eben diese Weidendammer Brücke, den Adler und das geteilte Deutschland geht.

Ihre 1979 geschriebene Novelle “Was bleibt” veröffentlichte Christa Wolf erst nach der deutschen Vereinigung, was zu einer gnadenlosen und jahrelangen Verurteilung durch das westdeutsch bestimmte Feuilleton führte. Man hat sie damit aus Deutschland vertrieben.



Nun, mehr als zwei Jahre nach ihrem Tod, ist es vielleicht Zeit, ihren Schmerz der siebziger Jahre mit dem Schmerz der neunziger Jahre abzugleichen und ihrem kleinen Buch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Man sollte es einfach so lesen, wie es 1979 gemeint war.

Über die Weidendammer Brücke gehe ich immer wieder gerne. Auch wenn ich den Adler selber nie berührt habe, rührt er mich doch jedesmal wieder an - wegen der oben erzählten Geschichte. Dass es gar nicht der preußische, sondern der kaiserliche Adler war, dem man in DDR-Zeiten seine Krone genommen hatte, stört mich dabei nur ein bisschen. Wer, zum Teufel, hat ihm die Krone eigentlich wieder aufgesetzt?

Die Weidendammer Brücke mit restauriertem Kaiseradler
 

Donnerstag, 27. März 2014

Noch ein guter Film: LOVE STEAKS von Jakob Lass

Den hab’ ich doch glatt übersehen: “Love Steaks” von Jakob Lass gehört auf jeden Fall in meine Liste der besten Filme aus Deutschland und Österreich 2014, die ich vor zwei Tagen ins Blog gesetzt habe.

Kinostart in Deutschland: heute.




Mittwoch, 26. März 2014

Kaiserdämmerung (3) - Klabund, Der Flieger

Klabund, Der Flieger (1916)


Klabund
Als der Fliegerunteroffizier Georg Henschke, Sohn eines märkischen Bauern, vom Kriege nach Hause auf Urlaub kam, stand sein Heimatdorf schon einige Tage vorher Kopf. Bei seiner Ankunft lief alles, was Beine hatte, ihm halber Wege, einige Beherzte sogar eineinhalb Stunden bis zur Bahnstation Baudach entgegen, und die Kinder und die halbwüchsigen Mädchen saßen auf den Kirschbäumen, welche die Straße säumten, die er kommen mußte.
Nun war er da. Das ganze Dorf drängte sich eng um ihn, daß er kaum Luft holen konnte, seine Mutter weinte: »Georgi, mein Georgi!«, und der Pastor sagte: »Welch eine Fügung Gottes!« »Kinder,« lachte Georg Henschke, »Kinder, ich habe einen Mordshunger!« Da stob man auseinander, um sich gleich darauf zu einem Zuge zu gruppieren, der ihn würdevoll zur Tafel geleitete. Sie war unter freiem Himmel aufgeschlagen. Das Dorf nahm sich die Ehre, ihm ein Essen zu geben. Man zählte ungefähr sieben Gänge, und in jedem kam in irgend einer Form Schweinefleisch vor. Dazu trank man süßen, heurigen Most.
Nach dem Essen, als der Wein seine Wirkung tat, wurde man keck. Man wagte Georg Henschke anzusprechen, zu fragen, zu bitten. »Georgi,« staunte zärtlich seine Mutter, »du kannst nun fliegen!« »Wollen Sie uns nicht einmal etwas vorfliegen?« fragte schüchtern die kleine Marie. »O,« lachte Georg Henschke, »das geht nicht so ohne weiteres. Da gehört ein Apparat dazu!« »Er hat ihn sicher in der Tasche,« grinste verschmitzt der Hirt, »er will uns nur auf die Folter spannen.« »Ein Apparat, das ist so etwas zum Aufziehen?« fragte seine jüngste Schwester Anna. Denn sie dachte daran, daß er ihr einmal aus Berlin einen Elefanten aus Blech mitgebracht hatte. Eine Stange lief unbarmherzig durch seinen Bauch, und wenn man sie ein paarmal herumdrehte, begann der Elefant zu wackeln, mit seinem Rüssel auf den Boden zu klopfen und plötzlich wie ein Wiesel und in wirren Kreisen im Zimmer herumzulaufen.
»Nein,« sagte Georg Henschke, »ich habe den Apparat nicht bei mir, denn er gehört dem Staat.« »So, so,« meinte der Hirt mit seinem weißhaarigen Kopf, »der Staat. Das ist auch so eine neue Erfindung.« »Ganz recht«, lachte Georg Henschke.
»So erzähle uns doch etwas vom Fliegen, und wie man es lernt, Georgi«, bat seine Mutter. Sie war so stolz auf ihn.
Da stand Georg Henschke auf, und alle mit ihm.
»Gut, ich will es tun. Hört zu !«
Er sprang auf einen Stuhl. Sie scharten sich um ihn. Aufgeregt, seinem Willen hingegeben, wie die Herde um das Leittier. Sie hoben ihre Köpfe, sehnsüchtig, und der blaue Himmel lag in ihren Augen. Georg Henschke aber reckte die Arme, schüttelte sie gegen das Licht, in seinen Blicken blitzte die Freude des Triumphators, und als er sprach, flammte es aus ihm. Er selber fühlte sich so leicht werden, so lächelnd leicht, der Boden sank unter seinen Füßen, seine Arme breiteten sich wie Schwingen, wiegten sich, und wie ein Adler stieß er hoch und steil ins Blau.
Das ganze Dorf stand wie ein Wesen, das hundert Köpfe in den Himmel bog. Und sie sahen Georg Henschke im Äther schweben, ruhig und klar, fern und ferner, bis er ihren Blicken entschwand.

[Aus: Klabund, Der Marketenderwagen, 1916]

Dienstag, 25. März 2014

Groningen sucht einen Germanisten!


Nachdem die Groninger Germanistik durch Weggang oder Pensionierung aller Professoren und fast aller Universitätsdozenten durch die Fakultät sehenden Auges auf Beinahe-Null gebracht worden ist, gibt es jetzt die Ausschreibung einer Stelle für einen promovierten Literaturwissenschaftler.

Die zehn besten Filme aus Deutschland und Österreich 2014



Na, einen nehmen wir noch von 2013 mit in die Liste auf: Bora Dagtekins „Fack ju Göhte“. Wegen seiner sagenhaften sieben Millionen Zuschauer seit dem 7. November 2013. 

Und weil er wirklich gut ist. 

Wenn Sie auf den Titel klicken, kommen Sie jeweils zu einer informativen Filmkritik. Das Datum bezeichnet den Kinostart in Deutschland:


Bora Dagtekin, Fack ju Göhte, Deutschland 2013, 7.11.2013 (dvd  ab 8. Mai)


Marvin Kren, Blutgletscher, Österreich 2013, 6.2.2014 (dvd lieferbar)


Andreas Prochaska, Das finstere Tal, Österreich 2013, 13.2.2014 (dvd  ab 4. September)


Philip Gröning, Die Frau des Polizisten, Deutschland 2013, 20.3.2014


Christian Schwochow, Westen, Deutschland 2013, 27.3. 2014


Hüseyin Tabak, Deine Schönheit ist nichts wert, Österreich 2012, 3.4.2014 (dvd lieferbar)


Nana Neul, Stiller Sommer, Deutschland 2013, 10.4.2014


Anna Martinetz, Fräulein Else, Österreich 2013,  22.5.2014


Götz Spielmann, Oktober November, Österreich 2013,  8.11.2014


Sönke Wortmann, Frau Müller muss weg, Deutschland 2014, 20.11.2014

Samstag, 22. März 2014

Tag des Waldes

Jeder Tag ist irgend so ein Tag, gestern dies, heute das. Na, vooruit dan maar, einmal noch:

Heute ist der Tag des Waldes.


Ich darf zu diesem Anlass die Musiklehrerin von G. zitieren: „Carl Maria von Weber schuf mit dem Freischütz den Wald, nicht irgendeinen Wald, sondern den deutschen Wald.“ Die Klasse lag auf dem Boden! Alles alberne Gören der Hippie-Generation.
Die Frau hatte nämlich recht: der „Freischütz“ ist die Oper des deutschen Waldes. Zum Tag des Waldes bringe ich hier den berühmten Jägerchor in der Inszenierung von Victor von Bülow (Loriot):



Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen?
Wem sprudelt der Becher des Lebens so reich?
Beim Klange der Hörner im Grünen zu liegen,
Den Hirsch zu verfolgen durch Dickicht und Teich
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstärket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freudiger der volle Choral:
Trallala lala, trallala lala,
Trallala!
Trallala! Trallalala lalala lalala lalala!
Lala, trallala! Trallalala lalala lalala lalala!
Trallalala! Trallalala! Trallalala lala!

2.) Diana ist kundig, die Nacht zu erhellen;
Wie labend am Tage ihr Dunkel uns kühlt!
Den blutigen Wolf und den Eber zu fällen,
Der gierig die grünenden Saaten durchwühlt,
Ist fürstliche Freude, ist männlich Verlangen,
Erstärket die Glieder und würzet das Mahl.
Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen,
Tönt freier und freudiger der volle Choral:
Trallala lala, trallala lala,
Trallala!
Trallala! Trallalala lalala lalala lalala!
Lala, trallala! Trallalala lalala lalala lalala!
Trallalala! Trallalala! Trallalala lala!

 Sinnigerweise war es die Hippie-Generation, die zwanzig Jahre später die kollektive deutsche Angst vor dem „Waldsterben“ zu einer grünen Ideologie werden ließ. Aber irgendwas war ja dran:


Freitag, 21. März 2014

Welttag der Poesie - Es lebe das Haiku!


Heute ist der Welttag der Poesie.



Die Gedichtform des Haiku wird oft unterschätzt. In den Niederlanden gibt es sogar eine Vereinigung zur Bekämpfung des Haiku

Der werden wir's mal zeigen! Hier ist eine schöne Einführung in die Kunst und Philosophie des Haiku. Ein Haiku ist eine kleine Meditation. Jeder kann ein Haiku schreiben, auch wenn er kein Meister ist, zum Beispiel ich. Ein Dreizeiler, 5/7/5 Silben. Es ist ganz simpel:

Ein Haiku schreiben
am Welttag der Poesie.
Draußen regnet es.