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Montag, 17. März 2014

Ein Stein auf dem Grab von Einstein – Hannes Steins Mondfahrt

Der vor einem Jahr erschienene Roman “Der Komet” von Hannes Stein hatte im deutschen Feuilleton nur wenig Widerhall. Zu Unrecht: Es handelt sich um den witzigsten und durchdachtesten deutschsprachigen Roman aus dem Genre der kontrafaktischen Literatur, der eine viel größere Leserschar beglücken könnte, wüßten sie denn, daß es ihn gibt!

Die Handlung hat eine alternative Geschichte des 20. Jahrhunderts als Hintergrund, in der die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie -  und alle anderen europäischen Monarchien auch - ohne Kriege erhalten bleiben und Wien zum politisch-kulturellen Zentrum der Welt geworden ist.
Auch das Deutsche Reich existiert noch, ohne Krieg und Holocaust, und hat sich zur technologisch-wirtschaftlichen Vormacht in der Welt entwickelt. Seine expansiven Gelüste lebt es friedlich auf dem Mond aus, der komplett zur deutschen Kolonie geworden ist: Die ersten deutschen Astronauten betraten den Trabanten bereits 1945.
Hannes Stein spielt mit dem Leser ein ironisches Spiel, indem er allerlei historisch-kulturelle Pointen im Roman versteckt. Viele Daten und Ereignisse unserer Realwelt und ihrer Kulturprodukte haben eine witzige Entsprechung in der habsburgischen Alternativwelt.

Das Kapitel “Die Rache der Fledermaus” trägt den Titel der beliebtesten Operette des Wiener Komponisten Johann Strauß und weist evidente Ähnlichkeiten zu deren Handlung auf.
Im Januar 2001 wird einer der Protagonisten, der kaiserliche Hofastronom, zum Mond beordert, weil man dort eine ganz unglaubliche Entdeckung gemacht hat. Das zweite Kapitel mit dem Titel “Dudus Mondfahrt” beschreibt detailliert diese Reise. Seine Frau vergnügt sich unterdessen mit einem jungen russischen Studenten.

Der “Mondflieger” startet wie ein Flugzeug auf dem Raumflughafen von Wien. Die Startbahn führt (merkwürdigerweise?) kilometerlang an der Donau entlang. Wir Leser begleiten den Hofastronomen und entdecken unterwegs eine ganze Reihe von Entsprechungen zu einer Mondreise aus einem wohlvertrauten Spielfilm unserer Realwelt: Stanley Kubricks  “2001 – A Space Odyssey” (1968). In einer Szene am Anfang dieses Films fliegt das Raumschiff zu den Klängen von Johann Strauß’“An der schönen blauen Donau” (1866/67) im eleganten Walzerrhythmus Richtung Mond. Hübsche Mondfliegerassistentinnen betreuen den schlafenden Wissenschaftler.
Die Mondfliegerassistentin bei Kubrick
Dort angekommen, wird der Wissenschaftler (bei Kubrick und bei Stein) unter größter Geheimhaltung mit einem Mondmobil weitertransportiert und erfährt von einer beunruhigenden Entdeckung. Hier trennen sich die Geschichten. Aber einen Clou hat Stein noch eingebaut: Bei Kubrick geht es um die geheimnisvolle schwarze Stele außerirdischer Herkunft, die – wie der Film suggeriert – schon seit Jahrmillionen die menschliche Entwicklung determiniert -  und auch bei Stein treffen wir auf eine schwarze Steinplatte. Dabei handelt es sich allerdings um das Grab von Albert Einstein, der in Steins Welt 1955 auf dem Mond gestorben ist und – im Gegensatz  zur Realität – sehr wohl ein Grab bekommen hat, auf der Rückseite des Mondes. Die Platte trägt die Inschrift “Gott würfelt nicht”.

Einsteins Determinismus spielt in den philosophischen Diskussionen eines späteren Kapitels – und für das poetologische Prinzip dieses Romans - dann noch eine wichtige Rolle. So  hat Hannes Stein einen schönen Weg gefunden, den großen jüdischen Wissenschaftler mit einem Steinchen auf seinem Grab zu ehren.

P.S. Allerdings leben wir heute im Jahre 2014 auch in einer alternativen Kultur, in der viele junge Leute keine Ahnung von der Existenz solch schöner Dinge wie der Musik von Johann Strauß und dem Film von Stanley Kubrick haben. Dem kann in fünf Minuten abgeholfen werden:




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