Foto: P. Groenewold |
Die Krähe
Ich bin auf einer kleinen Reise. Der Zug hat Verspätung, und ich möchte einen Schluck Wasser trinken. Dazu kaufe ich mir im Bahnhof für drei Euro eine kleine Wasserflasche, setze mich auf die letzte freie Bank am Bahnsteig, und öffne sie.
Der Schraubverschluss hängt am Flaschenhals fest und behindert mich beim Trinken. Mein erster Versuch endet mit einem durchnässten Pullover. Mit einiger Mühe gelingt es mir, mit gespitzten Lippen wie ein Vogel doch ein paar Schlückchen aus der Flasche zu schlürfen.
Die rechte Hälfte der Sitzbank ist von einer achtlos hinterlassenen halbvollen Fast-Food-Tüte verschmutzt. Eine Krähe zupft daran herum. Währenddessen hält sie ein achtsames Auge auf mich.
„Das machst du schon ganz gut“, krächzt sie, „weiter so!“
Ich nehme noch ein Schlückchen und will die Flasche wieder zuschrauben. Der Schraubverschluss greift wegen der Anbindung nicht richtig in das Gewinde und sitzt schief. Die Flasche leckt. Nun sind auch die Sachen in meiner Reisetasche nass.
Die Krähe hat inzwischen die Fast-Food-Verpackung mit gezielten Schnabelhieben zerfetzt. Der Sitzplatz neben mir ist mit Essensbrocken übersät. Sie hüpft hin und her und meldet sich mit vollem Schnabel wieder zu Wort: „Du musst diese blödsinnigen Verpackungen einfach in Stücke hacken.“
Ich nehme die Flasche hastig wieder aus meiner Reisetasche und reiße den Verschluss ab. Jetzt hat er schräge und scharfe Kanten und lässt sich noch immer nicht gerade auf die Flasche drehen. Ich schmeiße ihn weg. Die Flasche ist beinahe leer. Ich nehme den letzten Schluck und werfe sie wütend auf die Gleise. Mir ist kalt.
„Na bitte“, sagt die Krähe, „du machst das schon fast so gut wie ich.“
Mein Zug läuft ein. Ich wünsche der Krähe krächzend einen guten Tag, hüpfe zwischen den Aus- und Einsteigenden den Bahnsteig entlang und kaufe mir schnell noch eine neue Flasche.
#EU-Richtlinie „Tethered Caps“
Hier habe ich noch ein Bild von ChatGPT zu der Situation. Ich habe mehrfach versucht, dem Programm klar zu machen, dass ich keinen Bart, kürzere Haare und einen etwas, aber wirklich nur etwas dickeren Bauch habe, vergebens.
Dafür füge ich noch ein Foto von der realexistenten Krähe bei, die neben mir saß.
P.S.: Ich möchte noch hinzufügen, dass diese Situation und dieser Blogpost nur deshalb entstanden sind, weil mein ICE aus Hamburg Verspätung hatte und mein Anschluss-IC von Bremen nach Leer nicht gewartet hat. So saß ich eine Stunde auf dem Bahnsteig in Bremen und versuchte, meine Dehydrierung zu bekämpfen. In meinem (zurecht) geliebten Groningen kam ich mit zwei Stunden Verspätung an. Das sind qualvolle Reisen!
P.S.2: Die Schweinerei mit dem Essen habe ich aber nicht gemacht. So etwas tue (und esse) ich nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen