“Noch nie in der
Geschichte der Menschheit war so viel Petroleum auf einmal verbrannt worden.
Ein Tank nach dem anderen explodierte und entzündete mit seiner Detonation
weitere Tanks. (…)
Jedermann an Bord begriff das Unheimliche dieser
Feuersbrunst, insbesondere Stichnote, der nach Wachablösung und dem Ende des
Beschusses an Deck stand, den gelblich-dunklen Himmel studierte und an das Buch
Auf zwei Planeten denken musste, in
welchem das Verbrennen fossiler Energieträger als Frevelei und Schandtat
bezeichnet wurde“ (Risiko, S. 354).
Es handelt sich hier um die Beschießung der Erdöltanks von Noworossijsk am 29. Oktober
1914 durch den osmanisch-deutschen Kreuzer “Midilli’ (‘Breslau’) im Schwarzen
Meer: Der Leser von Kopetzkys “Risiko” wird an dieser Stelle ein wenig sehr
direkt mit der Nase auf die verborgene - wenngleich überdachende - Thematik des Romans gestubst, nämlich die
geostrategische Rolle des Erdöls und die damit verbundenen Gefahren für Mensch
und Umwelt.
Beschuss von Noworossijsk durch die 'Breslau', 1914. Zeitgenössische türkische Postkarte |
Mit der Thematisierung
des Öls verbindet Kopetzky sehr geschickt den Anfang des zwanzigsten mit dem Anfang des
einundzwanzigsten Jahrhunderts und zaubert damit aus seinem historischen
Abenteuerroman einen höchst aktuellen Gegenwartsroman. Die Bedeutung von Kohle
und Öl für Industrie und Kriegsführung wird uns in der Handlung fortwährend
vorgeführt. Zur theoretischen Untermauerung erteilt der Autor noch über 25
Seiten hinweg einer hochinteressanten historischen Nebenfigur das Wort:
Alexander Parvus. Dessen Ausführungen gipfeln in einer Prophezeiung:
“Aber nun ist ein
neuer Stoff aufgetaucht, der die Kohle in den Schatten stellen wird. (…)
Petroleum. Es gibt viel davon in Amerika, aber die größten Quellen liegen in Baku und gehören dem Zaren.
Dann sind da die persischen Quellen, die heute schon von größter Bedeutung für
das Britische Empire sind. Aber wir wissen, dass Petroleum in Mesopotamien von
selbst zu Tage tritt. Die Quellen dort müssen unendlich sein. (…)
Das
internationale Kapital (wird) das Osmanische Reich in tausend Stücke reißen
und all seine Völker versklaven, um an das Petroleum zu kommen, das auf seinem
Gebiet liegt“ (Risiko, S. 340).
Das "Große Spiel":
Es ist viel konkreter gemeint, als es erst den Anschein hatte. Es geht nicht um
ein abstraktes Strategiespiel, sondern um die Realitäten, die sich – dem Erdöl
geschuldet - in den letzten hundert Jahren in dem riesigen Territorium zwischen
der Türkei und Afghanistan beziehungsweise auf den fünftausend Kilometern der
Niedermayer-Expedition zwischen Konstantinopel und Kabul, entwickelt haben.
Und eine Ironie
hat die Geschichte auch: Damals sollte eine deutsche Expertentruppe den
Dschihad nach Kabul tragen. Heute kommt der Dschihad aus der Region zu uns.
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