Paul Glaser, der Autor des jetzt auf Deutsch im Aufbau Verlag erschienenen
Buches „Die Tänzerin von Auschwitz“ (niederländischer Originaltitel: „Tante
Roosje“, 2010), ist ein begnadeter Redner. Er hielt gestern Abend die
Zuhörerschaft im voll besetzten Vortragssaal der niederländischen Botschaft in
Berlin anderthalb Stunden in seinem Bann, und zwar so wie ich es selten erlebt
habe.
Dabei hat er nur die Lebensgeschichte seiner Tante erzählt.
Nein, er hat noch eine andere Geschichte erzählt: seine eigene. Lange Zeit
hatte er (geboren 1947 in Maastricht) angenommen, ein ganz normaler
katholischer Niederländer zu sein, bis er bruchstückweise dahinter kam, dass da
etwas anderes war, etwas das sein Vater konsequent beschwieg (und bis heute
beschweigt).
Tante Roosje |
Der Schweigeknoten, der sich auch in ihm gebildet hatte,
brach erst, als er 2002 bei einem Besuch in Auschwitz unter den dort
ausgestellten Koffern einen aus den Niederlanden mit dem Namen Glaser darauf
entdeckte. Seitdem hat er sich der Dokumentation des Lebens von Tante Roosje
gewidmet und redet darüber - auf Dutzenden Veranstaltungen in den Niederlanden
und jetzt auch in Deutschland.
Seine Geschichte bewirkt nicht das bleierne Schweigen und die
Betroffenheit, die so oft an diesem Tag
des Gedenkens an Auschwitz zelebriert werden, sondern Rührung durch die
Lebensfreude dieser Frau und Einsicht in die Wirkungsweisen von Faschismus und
Verrat. Und Hoffnung auf die Kraft der Rede.
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