Eines der fiktiven Musikstücke in Richard Powers´ Roman „Orfeo“
heißt „Die Chinesische Mauer“:
„ein Stück für Klavier, Klarinette, Theremin und
Sopran, mit Texten aus Kafkas Beim Bau
der Chinesischen Mauer. […] Es gibt keine feste Tonalität, aber die Sequenz
treibt das Ohr des Zuhörers doch durch einen Spießrutenlauf aus Erwartung und
Überraschung. Das Verfahren kommt ihm wie ein Schritt voran vor, ein Mittelweg
zwischen romantischem Schwelgen und sterilen Algorithmen, zwischen Klammergriff
des Vergangenen und dem Kult des Fortschritts.“ (Orfeo, S. 250)
Kafkas Text drückt die Musikphilosophie des fiktiven Komponisten
Peter Els auf intensive Weise aus. Powers teilt diesen Aphorismus Kafkas in
drei „Strophen“ auf:
Es ist nicht
notwendig, dass du aus dem Haus gehst.
Bleib an deinem
Tisch und horche.
Horche nicht
einmal, warte nur.
Warte nicht einmal,
sei einfach nur
still und allein.
Anbieten wird sich
dir die Welt zur Entlarvung,
sie kann nicht
anders,
verzückt wird sie
sich vor dir winden.
Ich habe den ganzen Band „Beim Bau der chinesischen
Mauer und andere Schriften aus dem Nachlaß“ (Frankfurt am Main 1994)
durchblättern müssen, um ihn bei Kafka wiederzufinden: es ist der letzte Aphorismus
auf der letzten Seite. Das Blättern in diesen kurzen Texten ist eine wunderbare
Methode, den Denkbildern Kafkas (wieder) zu begegnen.
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