Aus einer Abneigung gegen Romane, die im biblisch-mythologischen Gewande daherkommen, habe ich Thomas Manns umfangreiches Werk „Joseph und seine Brüder“ (1933-1943) nie angerührt. Nachdem ich gestern gelesen habe, dass Thijs Pollmann seit 2004 zehn Jahre seines Lebens der ersten niederländischen Übersetzung dieses Romans gewidmet hat – ein Zeit- und Arbeitsopfer, für das ich großen Respekt empfinde -, bin ich heute an mein Regal getreten und habe meine alte, schäbige Taschenbuchausgabe (1967) des Fischer Verlags herausgezogen, um mir endlich ein Bild davon zu machen. Sie ging beim Aufschlagen sofort ganz buchstäblich aus dem Leim und sieht jetzt so aus, als hätte ich sie mindestens dreimal gelesen:
Mit dem Bruchstück Nr. 1 („Vorspiel. Höllenfahrt“) habe ich
mich dann in die Badewanne gelegt und in einer Mischung aus Abwehr und
Bewunderung zu lesen begonnen: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte
man ihn nicht unergründlich nennen?“, so lauten die ersten beiden Sätze. Und
wenige Zeilen später wird der Selbstzweifel, den Thomas Mann gleich zu Anfang
seines Riesenwerks formuliert, zugleich verstärkt als auch überwunden:
„Mit unserer Forscherangelegentlichkeit treibt das
Unerforschliche eine Art von foppendem Spiel“ (schön, dieser Satz; bin auf die
Übersetzung gespannt).
Natürlich will er dieses Spiel sehr gerne spielen, und so
nimmt die Erzählung nach umständlicher Einleitung ihren langen Lauf.
Vielleicht ist diese Bruchstückmethode für mich der richtige
Weg. Mit der im deutschen Buchhandel augenblicklich erhältlichen kiloschweren gebundenen
Ausgabe in einem Band (Fischer Verlag 2007, 1344 Seiten, 25 Euro) könnte man
sich nicht einfach in die Badewanne legen.
Und wenn ich bei Wikipedia lese, dass im letzten der vier
zwischen 1933 und 1943 erschienenen Teile des Joseph-Romans „eine Parallele
Josephs des Ernährers zu Franklin D. Roosevelt und seinem New Deal“
festzustellen ist, ist auch meine Neugierde geweckt, ob ich dies wohl mit
meiner eigenen Forscherangelegentlichkeit nachvollziehen kann.
Thomas Manns Deutsch ist eine Herausforderung, auch für
Deutsche, es fordert besondere Konzentration. Daher ist die Entscheidung der
„Wereldbibliotheek“, dieses Werk in Übersetzung herauszubringen (Jozef en zijn broers, 1344 pagina´s, 125 Euro, Erscheinungsdatum: 17. Oktober) eine mutige
und wichtige Tat, denn sie rettet – vielleicht – ein wichtiges Werke der
Weltliteratur für eine neue niederländische Generation, die derart komplexe
Texte auf Deutsch nicht mehr liest. Dann darf es auch ruhig sechs Mal so teuer
sein.
In der Groninger Buchhandlung Godert Walter gibt es am
21. Oktober um 20 Uhr eine Veranstaltung, in der Michiel Hagdorn und Anton Brand die
niederländische Übersetzung angelegentlich präsentieren.
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