Cookie

Dienstag, 1. Juni 2021

Christian Krachts "Eurotrash", ein wunderbarer Roman

Man könnte diesen Roman ein Roadmovie nennen, und zur Verfilmung eignet er sich auch ganz ausgezeichnet. Die Ich-Figur heißt Christian Kracht. Inwieweit sie identisch ist mit dem Autor, ist eine ergiebige Frage, die man sich durchaus stellen darf. Genauso, inwieweit es sich hier um ein autobiografisches Buch handelt oder nicht. Alle vorkommenden Namen, die der neugierige Leser googelt, führen zu real existierenden Personen und Umständen. Wir tauchen auch empfindlich tief in die deutsche Nachkriegsgeschichte ein. Und in die schweizerische. Das vorgeschaltete Motto von Jorge Luis Borges macht auch etwas deutlich: “Wenn du Deutschland liebst, dann besuche es lieber nicht.“

 


Christian Kracht erzählt von einem Ausflug „Christian Krachts“ mit seiner dementen (?) 80jährigen Mutter im Taxi durch die Schweiz. Das Buch ist ausgesprochen unterhaltsam, schräg und voller Überraschungen und der konzeptionell interessanteste Roman, den ich seit Jahren gelesen habe. 


„Die Mutter ist die exzentrischste, witzigste, wunderbarste Figur, von der Christian Kracht bislang erzählt hat“ urteilt Tobias Rüther in seiner Rezension vom 28.2.2021 in der FAZ. Aber es ist ganz offenbar auch ein Buch, in dem es um mehr als um eine Mutter-Sohn-Beziehung geht. Der tote Vater, Top-Manager im Axel-Springer-Verlag, geistert ausführlich herum. Und das Leben und Schreiben des Autors Christian Kracht ist letztlich das Hauptthema.

 

In seiner Rezension gibt Rüther auch einen guten analytischen Ansatz zur Erzählmethode von Kracht, zu der sich weiteres Nachdenken lohnt:

 

“Man liest in diesem Buch von der Geschichte eines Mannes, der sich eine andere Geschichte in einem anderen Buch ausgedacht hat. Und der sich permanent neue Geschichten ausdenkt. Was hier passiert, zwischen den beiden Romanen, ist die perfekte Trennung von Autor und Autor. Das erzeugt einen Zwischenraum, in dem die erzählerischen Dimensionen ausgehebelt sind. Und in diesem Dazwischen bewegt sich dieses phänomenale Buch“.

 

Warum erinnert mich das irgendwie an Nietzsche?


Christian Kracht, Eurotrash, 3. Auflage 2021, Kiepenheuer&Witsch, 224 Seiten, 22 Euro

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen