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Sonntag, 4. September 2016

Gerhard Falkner, Apollokalypse (2) – Sex & mehr

Ja, ich hatte Vorurteile, und manches will mir immer noch nicht gefallen. Beim Weiterlesen im Roman "Apollokalypse" nahm mich jedoch die Sprache für den Autor ein, die vielen großartigen Beschreibungen zu den wild wechselnden Schauplätzen in Berlin, Nürnberg, Gunzenhausen, San Francisco, Los Angeles, New York.

Der Roman spielt in den achtziger und neunziger Jahren. Er hat fünf Hauptfiguren: das erzählende Ich Georg Autenrieth, seine Freunde Reinhard Büttner und Dirk Pruy sowie deren Hauptgeschlechtspartnerinnen Billy und Bilijana. Hat der Roman eine Handlung? Hält ihn im Innersten etwas zusammen? Ich weiß nicht recht. Am erkennbarsten sind die Geschlechtsakte, auch hier wilde Vielfalt und großartige Sprache.

Letzteres schien mir auf Dauer nicht zu genügen für einen ambitionierten Roman. Aber meine intellektuellen Zweifel wurden durch allerlei Subtilitäten kompensiert. Hierzu ein Beispiel:

Autenrieth ist genauso alt wie der Autor und kommt, genauso wie er, aus einem kleinen Ort in Franken. Im Laufe des Romans erhalten wir verschiedene Hinweise, dass Autenrieth einen Doppelgänger hat, und es ist nicht immer deutlich, wer von den beiden erzählt. Einer der Autenrieths jedenfalls ist das authentische Ich des Autors Gerhard Falkner. Ein schönes Spiel mit der alten Frage nach dem erzählenden Ich und mit einem ironischen Höhepunkt, bei dem Falkner zwei seiner Hauptfiguren, Reinhard Büttner und Dirk Pruy, ein Gespräch über Autenrieth (den Authentischen) führen lässt (S.144f.):

“Er ist immer in allem so unschlagbar, dass mir das manchmal auf die Nerven geht. Er ist immer als Erster auf dem Berg, immer als letzter im Bett, immer als Bester im Ziel. Sobald er spielt, landen alle anderen sofort auf der Reservebank. Er ist natürlich witzig, und er holt aus den Leuten alles raus. Man fühlt sich gut in seiner Gegenwart, weil man von ihm mitgerissen wird, und sobald er auftaucht, passiert was, aber trotzdem” (144).

Zwischendurch verschwinde Autenrieth immer wieder, klagen die Romanfiguren. Einer von ihnen hat ihn dazu befragt und erhielt folgendes zur Antwort:

“Heute”, hat er gesagt, “ist das nicht mehr so wie bei Tolstoi in Krieg und Frieden, wo die Figuren mit ihrer Geburt in die Handlung eingeführt werden und dann in allseitiger Verbundenheit anwesend bleiben, bis sie vom Autor, notfalls durch den Umstand des Todes, wieder verabschiedet werden. Der Zusammenhang zwischen den Menschen heute besteht nicht mehr”, so hat er gesagt, “in der kreisenden Anwesenheit aller in einem vertrauten Raum, sondern im unvermittelten Auftauchen von Fremden an jedem beliebigen Ort, in der überraschenden Begegnung, die hart ist und plötzlich, und im sang- und klanglosen wieder Verschwinden” (S. 144f.)


Ja, genau so ist der Roman “Apollokalypse”. 

Morgen noch ein Beispiel.

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