Quartiermeister: Trink für den Kiez |
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Sonntag, 31. Januar 2016
Quartiermeister: ein Bier für den Kiez
In einem Kiez-Café in Schöneberg habe ich - neben netten Leuten - ein neues Bier kennengelernt: "Quartiermeister", das Bier mit dem sozialen Touch. Von jeder verkauften Flasche wird ein Betrag für einen guten Zweck abgezweigt. Jetzt kann ich Bier trinken und dabei auch noch denken, etwas Gutes zu tun. Trink ich noch eins?
Dienstag, 26. Januar 2016
Bülowstraße 52: Fuck You!
Jetzt im Winter, wo die Bäume kahl sind, bietet Berlin immer
neue und überraschende Durchblicke. Von der S-Bahn aus sah ich auf einige
Distanz für Sekunden eine großflächige
Wandmalerei an einem Schöneberger Hinterhaus: Ein Mann mit einem
Kleinkind auf dem Arm zeigt mit seiner anderen Hand einer ihm
gegenüberstehenden, mit Helmen und Schilden gewappneten Polizistenkette das
Fuck-You-Zeichen.
Heute haben wir uns auf die Suche danach gemacht. Das war
gar nicht so einfach. Die Gegend zwischen Bülowbogen und Gleisdreieck ist
unübersichtlich, verwinkelt, chaotisch. Erst als wir auf schlammigen Wegen
durch eine abenteuerlich vergartenzwergte Kleingartenkolonie geschliddert
waren, tat sich der Blick auf das Haus auf. Aus einem der Schreberhäuschen
erklang „Blue Velvet“. Als ich mit der Kamera die beste Position suchte, sprang
wütend kläffend ein Hund auf uns zu. Wir redeten beruhigend auf sein Frauchen
ein und lobten die Musik. Kleingärtner haben nicht gerne fremde Gäste mit
Kameras.
Um näher an das Hinterhaus heranzukommen, mussten wir zurück
in die Bülowstraße und durch zwei
Hinterhöfe hindurch. Ein freundlicher Bewohner gab uns Auskunft: Die
Mietshäuser Bülowstr. 52 und 54 waren in den wilden achtziger Jahren von
Hausbesetzern “gekraakt” und sind später in friedliche Selbstverwaltung
übergegangen. Die Wandmalerei ist eine Reminiszenz an diese Zeiten.
Bessere Fotos
konnte ich direkt am Haus auch nicht machen. So müssen wir uns mit diesem
begnügen. Man beachte, wie der “Stinkefinger” durch ein schmales vertikales
(Klo?-)Fenster dargestellt wird (zum Vergrößern aufs Foto klicken):
Bülowstr. 52, Rückseite (Foto: piedschi) |
Samstag, 23. Januar 2016
Robert Seethaler, Ein ganzes Leben am Berg
Ein Blut- und Bodenroman ohne Rassismus und Nationalismus:
kann es das geben? Oder ein existentialistischer Heimatroman ohne Kitsch und
Volksgedöns? Ist das möglich?
Als heimlicher Longseller hat sich Robert Seethalers kleiner
Roman „Ein ganzes Leben“ seit Mitte 2014 bis auf Platz 8 der
Jahresbestsellerliste des Spiegel vorgearbeitet, begleitet von geradezu
ergriffenen Rezensionen der deutschen Qualitätszeitungen.
Auf Platz 1 dieser Liste steht übrigens Dörte Hansens „Altes Land“, damit einen Trend anzeigend, der sich seit Jahren vor allem bei
mittelalten angegrünten deutschen Bürgerfrauen entwickelt und in der
Zeitschrift „Landlust“ dauerhaft verwurzelt hat. Jetzt haben auch die
feinsinnigeren unter ihnen ihr Verehrungsbuch gefunden, eben Seethalers „Ein
ganzes Leben“. Ideal zum Verschenken, auch an intellektuelle Männer!
Robert Seethaler kann schreiben, kein Zweifel, aber lauert
nicht dicht unter den in der Erde wühlenden Arbeiterhänden seines Protagonisten
eben doch das Blut und der Kitsch aus unseligen Zeiten?
Montag, 11. Januar 2016
Bernhard Kuiper: “Das schönste Konzentrationslager Deutschlands”
Eingang zur Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg |
Neben den naiven
kleinen – aber im Grunde bedeutungslosen – Momenten der Freude, die ich erlebe,
wenn ich zum Beispiel höre, dass David Bowie in der Schöneberger Hauptstraße
gewohnt hat, ganz in der Nähe meiner Berliner Wohnung oder wenn ich erfahre,
dass Paul Auster seine Romane auf einer Schreibmaschine aus meiner Heimatstadt
Leer getippt hat (siehe meinen Beitrag vom 6. Januar), gibt es auch ebenso naive, aber
irgendwie doch bedeutungsvolle
Schockmomente wie gestern als ich im Berliner „Museumsjornal“ von der aktuellen
Ausstellung in der Gedenkstätte Sachsenhausen las: Sie trägt den Titel “Das
schönste Konzentrationslager Deutschlands“ und ist Bernhard Kuiper, dem beflissenen
Architekten des Lagers gewidmet.
Bernhard Kuiper
durchlief nach 1945 ohne Probleme die Entnazifizierungsprozedur und hat von
1948 bis zu seinem Tod 1988 als freier Architekt und angesehener Bürger in
Leer/Ostfriesland gelebt. Seine ersten Erfahrungen mit dem Lagerbau hatte er ab
1934 bei der Umgestaltung des KZ Esterwegen im Emsland gemacht.
Ich habe in Leer
nie von ihm, geschweige denn von seiner Vergangenheit gehört.
Die Ausstellung
ist noch bis zum 22. Mai 2016 zu sehen.
Sonntag, 10. Januar 2016
„Berlin ist eine gelungene Stadt“: Paul Spies kommt!
Sie haben sich
einen Außenstehenden geholt, einen Amsterdamer, der nicht im Traum daran
gedacht hat, eines Tages Berlin und seine Geschichte präsentieren zu müssen:
Paul Spies, ein niederländischer Macher und Anpacker, dem die hierarchische deutsche
Beamtenkultur völlig fremd ist.
Paul Spies (Foto: Landesarchiv Berlin) |
Paul Spies tritt
am 1. Februar sein Amt als Direktor der „Stiftung Stadtmuseum Berlin“ mit dem
Auftrag an, die fünf dazugehörigen Häuser und ihre Sammlungen komplett
umzukrempeln und außerdem noch ab 2019 viereinhalbtausend Quadratmeter im riesigen
Humboldtform mit dem Thema „Welt. Stadt. Berlin“ zu bespielen. Dafür werden ihm
65 Millionen Euro zur Verfügung gestellt (!).
Paul Spies hat in
den letzten sieben Jahren das ehrwürdige „Amsterdams Historisch Museum“ zu
einem modern „Amsterdam Museum“ umgemodelt. Das ist seine Qualifikation. Von
Berlin wusste er nichts. Die Berliner Verantwortlichen haben ihn einfach
dorthin geholt und gesagt „Nun mach mal!“.
Seit Oktober
saugt er die Stadt und ihre Geschichte in sich auf und gibt am laufenden Band Interviews
zu seiner fast unmöglich anmutenden Aufgabe. Unmöglich, weil das Rahmenkonzept für
das Humboldtforum im Neubau des Stadtschlosses noch gar nicht existiert.
In der letzten
ZEIT hat Thomas E. Schmidt noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen, dass
der Kompetenzwirrwarr und die dominante Position städtischer und staatlicher
Stellen zu einem kleingeistigen Chaoskonzept führen wird, an dem auch der aus
England herbeigeeilte Super-Museumsmacher Neil McGregor nicht viel wird ändern
können ("Ein Schloss für die Alles-richtig-Macher", DIE ZEIT Nr. 2/2016). In der Tat droht durch die Komplexität des Projekts und die Vielfalt
der beteiligten Institutionen jetzt im Kulturbereich eine Parallele zum berüchtigten
Berliner Flughafenprojekt. Das Schlossgebäude wird zwar 2019 fertig sein, aber
ob darin mehr als eine Art Abenteuerspielplatz mit Hüpfburgen entsteht, steht
in den Sternen.
Vielleicht reißt
Paul Spies ja den Karren aus dem Dreck. Er hat eine wirkliche Chance dazu, weil
er seinen Teilbereich relativ autonom gestalten kann und darin die
Rückendeckung durch den Berliner Senat hat. „Er moest een exoot komen,
die dwars door de muren gaat“, sagte er am 28. Dezember in der Sendung "Opium op 4" auf NOP4 (Gespräch mit Spies ab Minute 11:25 bis 40:00).
Und etwas hat er
schon gelernt: die Miesepeterigkeit der deutschen Kulturträger und ihre lähmende Fixierung
auf die Vergangenheitsschuld muss überwunden werden. Ein neues „Berlin Museum“ muss
auf die Menschen von heute zugehen: „Die Stadt ist ein Raum von Menschen, die
neu anfangen“. Dazu gehören auch die Migranten. Das Historische kann gezeigt
werden, aber es braucht immer eine „Schnittstelle zur Gegenwart“.
Und dann sagt er
einen Satz, den ich so noch nie gehört habe: „Berlin ist eine gelungene Stadt“.
Paul Spies ist
ein Schlitzohr. Aber ein geniales!
P.S: Wenn alles schiefgeht, bleibt immer noch mein Konzept eines Badesees im Schloss.
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