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Freitag, 8. Februar 2013

Frits Botermans kurzer Weg von Goethe zu Hitler

Ich hab es ja nicht so mit Goethe, aber wenn jemand sagt “Aan Goethes Faust zie ik dat de nazi’s niet uit het niets kwamen” (“An Goethes Faust sehe ich, dass die Nazis nicht aus dem Nichts gekommen sind”), verschlägt es mir erst einmal die Sprache.

Und wenn ich jetzt nach Worten suche, so nicht um Goethe zu verteidigen, sondern um eine Erklärung zu finden, wie Frits Boterman, der frühere Inhaber der Professur für Duitslandstudies an der Rijksuniversiteit Groningen,  zu solch einem Nonsense kommen kann. In seiner damaligen Antrittsvorlesung hat er jedenfalls  noch vor einem “finalistischen Blick” auf die deutsche Geschichte gewarnt.
Boterman hat gestern seine Abschiedsvorlesung an der Universiteit van Amsterdam gehalten. Der zitierte Satz stammt aus dem Artikel von Bart Funnekotter in der NRC vom 7. Februar (Seite 17). Der Redakteur hatte ein Interview mit Boterman geführt, in dem es um sein neues  Opus magnum geht, das im Mai unter dem Titel “Cultuur als macht. Cultuurgeschiedenis van Duitsland, 1800-heden” erscheint.

Vorsicht mit Goethe
Der zitierte Satz kommt in ähnlicher Form noch einmal am Ende des Artikels vor: “Mijn vrouw zet elke avond rond elf uur muziek van Beethoven op. Daarin hoor ik het onweer nog niet naderen. Maar als ik naar Wagner luister, of ik lees Goethes Faust, dan realiseer ik me goed dat de nazi’s niet uit het niets zijn verschenen.” Also irgendwann um 1800 herum beginnt der Weg, der zu Hitler führt, und er beginnt nicht bei irgendwelchen dumpfen frühen Rassisten, sondern im Zentrum der deutschen Hochkultur.
Nun ist das Verhältnis von Kultur und Macht in Deutschland in der Tat ein besonderes, aber mir war es immer erschienen, dass es gerade die Machtlosigkeit war, die das deutsche Bildungsbürgertum in den Kulturbereich getrieben hat und dass Hitlers Hauptstütze das Kleinbürgertum und der enttäuschte Teil der Arbeiterschaft waren, was wiederum sehr viel mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Resultaten zu tun hatte.  Ich weiß nicht wie Boterman seine neue Sonderwegversion begründet. Da müssen wir wohl auf sein Buch warten.

Vorläufig empfehle ich unseren Lesern (und auch Frits Boterman) Kurt Tucholskys Aufsatz aus dem Goethejahr 1932 (= 100. Todesjahr) zum gleichen Thema. Wer etwas mehr Zeit hat, kann sich auch Hiltraud Häntschels reichillustrierten Artikel “Hitler bei der Betrachtung von Goethes Schädel” zu Gemüte führen.

1 Kommentar:

  1. Hurrumph. So was macht mich eher wütend. Zurückverfolgungen der abstrusesten Art sind unhistorisch, populistisch und reichlich naiv ("hat der nicht auch immer Deutschland so hoch gelobt!") Man kennt das ja von Hölderlin etc. etc. Goethes Ursprung aus der Aufklärung, seine Abneigung gegen die "irrationale" Romantik und seine (m.M.nach merkwürdige) Begeisterung für Napoleon lassen ihn auf jeden Fall - wenn man sich auf eine solche Argumentation überhaupt einlassen möchte - unverdächtig erscheinen.

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