Das
Gutenberg-Projekt, das uns so viele literarische Texte frei zugänglich macht,
ist nicht immer ganz zuverlässig. Ich hatte dort den Stifter-Text zur
Sonnenfinsternis gesucht und gefunden, habe aber durch Hinweise in einem
anderen Zusammenhang festgestellt, dass der abschließende Teil des Textes
fehlte: Stifter hat nämlich, angeregt durch das Naturerlebnis, am Ende seiner
Beschreibung der Sonnenfinsternis – avant
la lettre, oder besser: avant la
peinture – die abstrakte Malerei erfunden und beschrieben, also die
Loslösung von Form und Farbe von realistisch-figurativen Zwecken:
Könnte man nicht
auch durch Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge von Lichtern und Farben ebenso
gut eine Musik für das Auge wie durch Töne für das Ohr ersinnen? Bisher waren
Licht und Farbe nicht selbständig verwendet, sondern nur an Zeichnung haftend;
denn Feuerwerke, Transparente, Beleuchtungen sind doch nur noch zu rohe Anfänge
jener Lichtmusik, als dass man sie erwähnen könnte. Sollte nicht durch ein
Ganzes von Lichtakkorden und Melodien ebenso ein Gewaltiges, Erschütterndes
angeregt werden können, wie durch Töne? Wenigstens könnte ich keine Symphonie,
Oratorium oder dergleichen nennen, das eine so hehre Musik war, als jene, die während
der zwei Minuten mit Licht und Farbe an dem Himmel war, und hat sie auch nicht
den Eindruck ganz allein gemacht, so war sie wenigstens ein Teil davon.
Adalbert Stifter,
Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842,
in: Die Mappe meines Urgroßvaters,
Augsburg 1957, 313
In Stifters eigenen
Bildern und Zeichnungen gibt es Übergänge in dieser Richtung, vom
Impressionistischen bis hin zum Fast-Abstrakten. Auch unter seinen Mondbildern
gibt es zwei, drei, die solche Übergänge demonstrieren. Das hier abgebildete
ist um 1850 entstanden und durch und durch impressionistisch gestaltet, pur
darauf hin, was das Mondlicht mit den Wolken und der Landschaft macht: es
gleicht sie sich an.