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Dienstag, 17. November 2015

Poetologie des Blogs (14): Die siebenfach tertiäre Naivität von Rainald Goetz



"In vielen Blogs wird jetzt die grundlegende Erfahrung des Schreibens gemacht, dass das vom eigenen Erleben erzählende Schreiben so lange gut geht und gut klingt, solange die Ichfigur sich selbst und und ihren Berichten gegenüber eher blind bleiben kann. Resonanzen stören diese Selbstunsichtbarkeit, das selig Automatische, das das Schreiben anfangs haben kann. Beim Plappern und Schnattern muss das Schreiben aber bleiben wollen und trotzdem die Last seiner selbst, des Geschriebenseins fühlen und benützen, fürs Weiterdenken ausbeuten können. So eingesetzt, treibt Text das Erlebte über das Gewusste hinaus, dieser Surplus wird beim Schreiben als Glücksgefühl spürbar, später auch dem Leser. Springt Text nicht auf diese Art um in etwas Neues, vor dem Schreiben nicht Gewusstes, bleibt er stumpf. Text ist ein Wildling, will auch spinnen und spielen, eine siebenfach tertiäre Naivität sei der Raum seiner Forschung –"

Rainald Goetz, Klage, Frankfurt am Main 2008, 105f.



„Klage“ war ein Blog, das Rainald Goetz in den Jahren 2007/2008 auf der Website der deutschen Ausgabe von „Vanity Fair“ geschrieben hat. Das Blog wurde 2008 bei Suhrkamp in Buchform veröffentlicht.

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