"In vielen Blogs
wird jetzt die grundlegende Erfahrung des Schreibens gemacht, dass das vom
eigenen Erleben erzählende Schreiben so lange gut geht und gut klingt, solange
die Ichfigur sich selbst und und ihren Berichten gegenüber eher blind bleiben
kann. Resonanzen stören diese Selbstunsichtbarkeit, das selig Automatische, das
das Schreiben anfangs haben kann. Beim Plappern und Schnattern muss das
Schreiben aber bleiben wollen und trotzdem die Last seiner selbst, des
Geschriebenseins fühlen und benützen, fürs Weiterdenken ausbeuten können. So
eingesetzt, treibt Text das Erlebte über das Gewusste hinaus, dieser Surplus
wird beim Schreiben als Glücksgefühl spürbar, später auch dem Leser. Springt Text nicht auf diese Art um in etwas Neues, vor dem Schreiben nicht Gewusstes,
bleibt er stumpf. Text ist ein Wildling, will auch spinnen und spielen, eine
siebenfach tertiäre Naivität sei der Raum seiner Forschung –"
Rainald Goetz,
Klage, Frankfurt am Main 2008, 105f.
„Klage“ war ein Blog, das Rainald Goetz in den Jahren 2007/2008 auf der Website der deutschen
Ausgabe von „Vanity Fair“ geschrieben hat. Das Blog wurde 2008 bei Suhrkamp in
Buchform veröffentlicht.
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