Cookie

Mittwoch, 28. September 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (22): Rose Ausländer und das Viersprachenland


Bukowina

 

Grüne Mutter

Bukowina

Schmetterlinge im Haar

 

Trink

Sagt die Sonne

Rote Melonenmilch

Weiße Kukuruzmilch

Ich mache sie süß

 

Violette Föhrenzapfen

Luftflügel Vögel und Laub

 

Der Karpatenrücken

Väterlich

Lädt dich ein

Dich zu tragen

 

Vier Sprachen

Viersprachenlieder

 

Menschen

Die sich verstehn

 

Rose Ausländer, geboren 1901 in Czernowitz, gestorben 1988 in Düsseldorf


Andreas Kilcher hat am 25.9.2022 in der Neuen Zürcher Zeitung einen schönen Artikel über Rose Ausländer geschrieben.

(Die NZZ ist frei zugänglich, wenn man sich registrieren lässt.)

Viel mehr dazu (und zu anderen Autoren aus der Bukowina) im

Bukowinaportal

und in der Dissertation der Ukrainerin

Natalia Shchyhlevska, Deutschsprachige Autoren aus der Bukowina, Frankfurt am Main 2004



Meine kleine Ukraine-Bibliothek (21): Joseph Roth und die "Weltaufteiler"

 


Joseph Roth, geboren 1894 in Brodsky/Galizien, gestorben 1939 in Paris


Joseph Roth zur Situation in Mitteleuropa nach der Pariser Friedenskonferenz von 1919:


“In diesem Europa, in dem die möglichst große Selbständigkeit der Nationen das oberste Prinzip der Friedensschlüsse, Gebietsteilungen und Staatengründungen war, hätte es de europäischen und amerikanischen Kennern der Geographie nicht passieren dürfen, dass ein großes 

V o l k  v o n  30 M i l l i o n e n  in mehrere nationale Minderheiten zerschlagen, in verschiedenen Staaten weiterlebe. Zwingt man sich (wider sein besseres Wissen) zu jener naiven Anschauung, dass die Nationen von Europa in säuberlich voneinander getrennten Gebieten leben, wie auf Schachbrettern, so ist nicht einzusehen, weshalb man ein großes Volk einfach vergaß und weshalb man das Gebiet, auf dem es lebt, nicht zusammenzuschließen versuchte, sondern neuerlich aufteilte. Die Ukrainer, die in Russland, in Polen, in der Tschechoslowakei, in Rumänien vorhanden sind, verdienten gewiss einen eigenen Staat, wie jedes ihrer Wirtsvölker. Aber sie kommen in den Lehrbüchern, aus denen die Weltaufteiler ihre Kenntnisse beziehen, weniger ausführlich vor als in der Natur – und das ist ihr Verhängnis.“

 

(aus: Joseph Roth, „Die ukrainische Minderheit“, Frankfurter Zeitung, 12. August 1928)

Samstag, 24. September 2022

Kasperletheater



With thanks to Doris en Deb


Zum ersten Mal seit vielen Jahren sind die hand-geschnitzten Kasperlepuppen meines Onkels wieder in meinem Haus zusammen: Großmutter, der Teufel, Gretchen, Kasper, das junge Königspaar, der Räuber-hauptmann, der Seemann und der Gendarm (mit der grünen Uniform; die anderen Kostüme sind leider ver-loren gegangen). Nur der Tod fehlt, aber der hat ja auch immer viel zu tun.

Mittwoch, 21. September 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (20): Taras Schewtschenko, Der Kobsar

 

Taras Tschewtschenko, Selbstbildnis, 1858

Taras Schewtschenko (1814-1861) gilt als ukrainischer Nationaldichter. In der Hauptstadt Kiew wurden 1939 die Universität und die Oper nach ihm benannt. Während der Orangenen Revolution (2004) und des Euromaidan 2013/2014 zeigte sich auch die aktuelle Popularität des Dichters.

 

Das Hauptwerk Schewtschenkos erschien 1840 unter dem Titel „Der Kobsar“ und enthielt nur acht romantische Gedichte. Er hatte großen Erfolg damit, und hat es in den folgenden Jahren um ein Vielfaches erweitert.


Die deutsche zweibändige Ausgabe von 1951 umfasst 1000 Seiten und wurde von Alfred Kurella Im „Verlag für fremdsprachige Literatur“ in Moskau herausgegeben. Die acht Gedichte der ersten Ausgabe finden sich dort auf den Seiten 71-134 (ohne dass sie besonders gekennzeichnet wären). Kurella hat auch die meisten der Gedichte übersetzt.

 

Am Anfang der 40seitigen von Alexander Deutsch verfassten biographischen Skizze, die diese Ausgabe des Kobsar einleitet, stehen folgende Zeilen, die uns heute wie eine bittere Ironie anmuten:

 

„Frei und ungebunden lebt heute in den weiten Gefilden der Sowjetukraine das ukrainische Volk, von den Karpaten bis zum Donez, vom Pripet-Tal bis zum Schwarzen Meer in einem einzigen sozialistischen Staat vereinigt. Tausende Kilometer weit dehnen sich golden die Kolchosfelder, und über der endlosen Steppe flammt der rosenrote Widerschein der Hochöfen, ragen riesige Getreidespeicher auf, und die schwarzen Pyramiden der Abraumhalden im Grubengebiet des Donezbeckens wechseln ab mit gewaltigen, auch zur Nachtzeit Feuer strahlenden Werkhallen von Stahlgießereien, Maschinenbau- und Traktorenwerken.

Hand in Hand mit dem großen russischen Volk und den anderen Völkern der Sowjetunion schreitet das freiheitsliebende und begabte ukrainische Volk an der Spitze der fortschrittlichen Völker der Welt, die für einen dauerhaften Frieden und die fruchtbare Entwicklung ihrer nationalen Kultur kämpfen.

Über die weite Ukraine hin erklingen die frohen Lieder, in denen das Volk die schöpferische Arbeit, die errungene Freiheit seiner Kultur und die Genien der sozialistischen Revolution, Lenin und Stalin, besingt“ (Der Kobsar, S. 2f.).

 

(Wenn man bedenkt, dass 1951 der Holodomor noch keine zwanzig Jahre zurücklag und der Herausgeber Alfred Kurella ein widerlicher deutscher Stalinist war, muss dieser Text für redliche Leser auch damals schon unerträglich gewesen sein.)

Im Internet ist der komplette Text der Biographie von Anton Alfred Jensen: "Taras Schewtschenko, ein ukrainisches Dichterleben" (Wien 1916), frei zugänglich.


Dienstag, 13. September 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (19): Der ukrainische Nationaldichter Taras Schewtschenko

 Taras Schewtschenko (1814-1861)


Das Vermächtnis

Sterb ich, so begrabt auf einem
Kurhan 1) mein Gebeine
Mitten in der weiten Steppe

Meines Lands Ukraine,
Dass ich Felder schau, des Dnjepr
Steile Uferrande,
Dass ich höre, wie der Wilde
Braust durch Steppenlande!

Wie er stolz aus der Ukraine
Fern ins Meer, ins blaue,
Wälzen wird das Blut der Feinde —
Felder, Berg und Aue,
Alles will ich froh dann lassen,
Nur zu Gott, dem Einen,
Betend fliegen. Doch bis dahin —
Freunde, kenn ich keinen!

Senkt mich ein — doch dann erhebt euch,
Ketten sprenget, harte,
Feindesblut, es röte eurer
Freiheit Siegsstandarte!
Und im neuen freien Bunde,
In der Brüder Kreise,
Denkt auch meiner dann mit einem
Wörtchen lieb und leise!

Perjaslaw, 25. Dez. 1845.


*) Vgl. „Schewtschenkos Leben und Dichten“ Seite 23.
1) Grabhügel (vgl. Seite 31, Anm.)

Taras Schewtschenko (1814-1861)

Osip Fedjkowytsch (1834-1888)

In Kiew an der Lawra,1)

Da saß ein Sängergreis,

Sein Bart war weiß wie Silber,

die Locken silberweiß.

 

Der sang viel alte Lieder, 

Sang manchen Seherspruch

Und manchem Teufel Segen

Und manchem Engel Fluch.

 

Und manchem Helden Schande

Und manchem Weisen Hohn

Und manches Schwert in Stücke,

in Stücke manchen Thron.

 

Da riss sich eine Quader

Vom alten Dome los

Und stürzt zu seinen Füßen

Und sprang in seinen Schoß.


“O Sänger, du furchtbarer Sänger,

lass solch ein Singen sein,

Sonst stürzt zu deinen Füßen

Das ganze Russland ein.”

 

1)      Das berühmte Höhlenkloster

 

(Gedicht auf Taras Schewtschenko aus: “Nationalpoesie der Ruthenen”, 1865, im Original Deutsch)

Mittwoch, 7. September 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (18): Das Lyrik-Festival Meridian Czernowitz

 



 

Bisher habe ich auf einzelne Bücher hingewiesen, aber auch die Frage nach der Möglichkeit einer ukrainischen Literaturgeschichte in Geschichte und Gegenwart gestellt (Beitrag 8)

 

Das seit 2009 stattfindende Lyrikfestival „Meridian Czernowitz“ gibt durch seine Teilnehmer und Programmatik viele Hinweise zur Beantwortung dieser Frage und vermittelt uns Einblicke in die komplexe vielsprachige ukrainische Literatur und ihre gegenwärtigen Trends.

 

Wer die Festivalberichte in der deutschsprachigen und internationalen Presse über die Jahre hin verfolgt, bekommt einen spannenden Überblick über die Herausbildung einer eigenständigen ukrainischen Identität gegenüber bzw. jetzt auch gegen Russland. Das diesjährige Festival steht im Zeichen des Krieges.

 

Hier ist der Bericht der Süddeutschen Zeitung zum aktuellen 13. Festival vom 2.- 4. September 2022.