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Mittwoch, 21. August 2019

Jan Brandt beglückt das Leeraner Publikum mit einer Leseperformance zu „Ein Haus auf dem Land“



„So etwas habe ich in Leer noch nicht erlebt“, sagte mein ehemaliger Schulkamerad beim Hinausgehen. Wir hatten soeben Jan Brandts grandiosen Auftritt zu seinem neuen Buch „Ein Haus auf dem Land – eine Wohnung in der Stadt“ (DuMont Verlag 2019, 424 Seiten, € 24) gesehen. Ich konnte ihm nur zustimmen. Dies war eine neue Dimension dessen, was man sich unter einer „Dichterlesung“ vorstellt.

Jan Brandt,
von meinem idealen Platz auf der Empore gesehen
Im rammelvollen „Kulturspeicher“ hatte der Autor zunächst mit einer traditionellen Lesung aus dem Berliner Teil des Buches begonnen, durchaus unterhaltsam, vielleicht etwas zu lang.

Nach der Pause inszenierte er dann jedoch eine minimalistische, aber hocheffiziente und überraschende Choreographie zu Szenen des Buches, die in Ihrhove (in der Nähe von Leer) spielen: Er ließ seinen über 90jährigen Vater persönlich auftreten und ihn die Geschichte des vom Urgroßvater erbauten alten Gulfhofes und seiner Bewohner erzählen, so wie das auch im Buch vorkommt.

Der Vater wärmte das Publikum erst mit einem „In Ostfreesland is’t am besten“ zum Mitsingen mit der Mundharmonika auf und bewies dann ein außerordentliches und hochkonzentriertes Erzähltalent mit Tendenz zum Nicht-Aufhören-Wollen, was wiederum Teil der Choreographie war. Großer Jubel! 

Der nächste Überraschungsgast war der Bankangestellte aus Ihrhove, mit dem Jan Brandt über die Finanzierung des alten Hofes verhandelt hatte, den er vor dem Abriss bewahren wollte. Auch der Vater hatte sich da eingemischt und mal in der Bank vorbeigeschaut. Die beiden Herren re-inszenierten in eigener Rolle das im Buch ausführlich beschriebene hochamüsante Gespräch in aller Kürze, aber nicht minder vergnüglich. Frenetischer Jube!!!

Der Rückkauf war für Brandt nicht finanzierbar. Das Haus ist abgerissen und durch einen hässlichen Neubau ersetzt worden. Die Problematik des Verschwindens alter Dorfarchitektur und vieler charakteristischer Elemente ostfriesischer Dörfer liegt dem Autor sehr am Herzen. Er beschloss den Abend mit einer Reihe provokativer Fragen an anwesende politisch Verantwortliche. Die Antworten waren – wie zu erwarten – unbefriedigend, aber das Bewusstsein für die Problematik ist durch dieses Buch, mit dem er noch durch weitere fünfzehn Städte und Dörfer tingelt, zweifellos gewachsen. 

Und er hat, wofür ihm die Leiterin des Kulturspeichers am Ende dankte, Leer und Ihrhove in die deutsche Literatur eingebracht. Nun, da gibt es auch noch einen Jochen Schimmang, aber den hatte Jan schon selbst erwähnt.

Ein wunderschöner Abend. Lest das Buch!

Die neue Umhängetasche der Stadtbibliothek Leer,
die Jan Brandt an diesem Abend geschenkt bekam

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