Wenn ich’s germanistisch
anpacke, wird’s ausufernd und langweilig. Darum habe ich mich entschlossen, die
in Versen geschriebene Einleitung von Ann Cottens „Verbannt!“ einfach in
Alltagssprache zusammenzufassen.
So einfach ist
das allerdings gar nicht. Die dort verkündete Poetologie ihres Versepos trifft
ja auch auf die Einleitung selbst zu, und die Aussage des Textes ist mit den Versen
und Reimen und den bei ihnen auftretenden Abweichungen eng verflochten. Aber
ich versuch’s mal:
Die Einleitung
dient der Einstimmung des Lesers auf den Text und seine Besonderheiten. Die Ich-Erzählerin
ist Ann Cotten, das später auftauchende „du“ (Str. 9) ist Bestandteil eines
Selbstgesprächs.
Die Autorin will
sich der Beziehung zwischen „Herz und Welt“ (Str. 1) und „Sein und Denken“ (Str.22)
widmen, das betrifft mehr oder minder „Alles“ (Str. 23). Die Sprache ist das
Medium, mit dem dies alles erfasst werden soll.
Ann erinnert sich
ihrer Jugend an der Donau in Wien und an die Beschleunigung der Zeit, die sie
erfahren hat (Str. 2), an das Frauwerden und die damit verbundenen
gesellschaftlichen Zwänge (Str. 3). Sie will ihr Schwärmen, ihre Hoffnungen,
ihre Gedanken zu etwas Neuem, Utopischen verbinden und dafür eine neue „elbische“
Sprache schaffen (Str. 3).
Sie sieht die
Reaktion der Kritiker voraus, die sie als „immer schon verwirrte Lyrikerin“ betrachten
und ihren in Strophen gebundenen „Revue-Stil“ als Flucht in die Form
verurteilen werden (Str. 4).
Ihre Erzählung
sieht die Autorin als eine fortschreitende Selbstentblößung, einen „Striptease“,
in dem die Verse und Reime die Handlung verbergen und so etwas wie ein Plot mit
einem Zielpunkt gar nicht erst zustande kommt (Str.5).
Sexualität gehört
in ihre Herz-Welt-Geschichte hinein. Dass sie Sex als eine der stärksten Kräfte
und gleichzeitig als ein großes Spiel sieht, zeigt sie in Strophe 6, in der
sechs der neun Reime aus dem Wort „Sex“ bestehen. Nichts spreche dagegen, „Dichtung
als etwas handzuhaben, was Sex spiegelt, zu Sex ermuntert, zu Gewagterem
aufwiegelt“ (Strophe 7). Dichtung ist eine Art Trockenübung für das Leben.
Sie entscheidet
sich für ein altmodisches, gebundenes Versmaß, die „Byronstrophe“ (entspricht
der Spenserstrophe), ohne die Freiheit aufzugeben, davon auf teils drastische
Weise abzuweichen (Str. 8/9).
Kalliope, die Muse des Epos |
Was das Genre
angeht, lässt sie alle neun Musen zu einem Reigen antreten. Sie brauche sie
alle, betont sie, um sich letztendlich doch für Kalliope, die Muse der epischen
Dichtung, zu entscheiden und sich von ihr küssen zu lassen (Str. 10-17).
Ab Strophe 18
spricht die Erzählerin auch als das „Ich“ der kommenden Handlung. Sie stellt
sich vor als Mitarbeiterin des „Neuen Fernsehens“, das ab 2020 das „Alte
Fernsehen“ abzulösen begonnen hat. Durch das Internet habe sich die Medienwelt
radikal verändert, worauf die traditionellen TV-Macher keine Antwort gefunden
haben. Ihr und ihren Leuten scheint das gelungen zu sein (Str. 19/20).
In Strophe 21 ist
zum ersten Mal von der Insel die Rede, auf die sie verbannt wurde. Sie berichtet
vage von Konflikten, in die das „Sein“ sie getrieben habe und will ihre
Verbannung zur Vermittlung zwischen „Sein und Denken“ benutzen. Das will sie
mit Hilfe des Wortes tun. Zum ersten und einzigen Mal spricht sie hier die „Leserin“
(sic!) an und schwört ihr: „Ich werde alles richtig sagen“ (Str. 22).
Sie beharrt noch
einmal auf: „Alles“, und wiederholt es: „das alles“, ist aber unsicher, was sie
meint: den „Weltgeist“, die „Atomphysik“? Sie ruft ihre Muse zu Hilfe, aber das alles bleibt im Vagen. Nun gut, es
stört sie nicht so, denn „man hört es ja dann im Sange“ (Str. 23).
In der letzten
Strophe kündigt sie „die entsetzliche Ballade“ an und macht uns noch extra
neugierig: sie wird darin in der Rolle eines „modernen Marquis de Sade in
Frauengestalt“ auftreten.
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