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Mittwoch, 29. Juli 2015

Ross Macdonald – Welt aus Metaphern


Aus den Augen, aus dem Sinn. Das gilt auch für Bücher. Irgendwann habe ich die älteren Kriminalromane auf den Dachboden verbannt, wo sie im Laufe der Jahre hinter Kartons und Plunder verschwunden sind.

Ross Macdonald
Eher zufällig sind mir jetzt nach dreißig Jahren die Romane von Ross Macdonald (1915-1983) wieder in die Hand gefallen, und ich begann sie wiederzulesen: Welch ein Autor!

Damals habe ich ihm Chandler und Hammett vorgezogen. War ich denn blind? Dass Ross Macdonald der größte unter den amerikanischen Detective-Autoren ist, scheint sich inzwischen herumgesprochen zu haben.

Was mir beim Wiederlesen besonders auffiel, waren seine Metaphern, die – auch wenn sie Klischees zu bedienen scheinen – immer originell sind und den Kontext akzentuieren. Wenn es Frauen betrifft, kommt es oft zu tierischen Vergleichen: 

„Sie wandte sich zum Spiegel, nahm eine Bürste und begann sich das Haar zu bürsten, mit kurzen, bestimmten Strichen. Es umwogte geschmeidig ihren Hinterkopf und fiel in weichen, kupfrig schimmernden Locken über ihre Schultern. (…) Die Bürste glitt knisternd durch ihr Haar wie ein Tiger durchs Unterholz” (Blue City, Zürich1985, 78).
 

„In ihrem dunklen Seidenkleid bewegte sie sich mit der intensiven, schimmernden Freiheit und Grazie eines Seelöwen im Wasser“ (Blue City, Zürich 1985, 36).



„Schnell und entschlossen ging sie auf die äußere Bürotür zu. Der Nacken unter dem kurzen Haar war breit und muskulös wie der eines Holzfällers oder eines Wildschweines, das mit dem Rüssel im Dreck wühlt“ (Ein Grinsen aus Elfenbein, Zürich 1976, 12).

Aber auch Männer kriegen ihr Fett weg:


„He leaned sideways, the crooked fingers of his large hand groping for the bowl of peanuts. The hand missed the bowl and scrabbled in the grass like a crippled lobster” (The Moving Target, New York 1979, 31).

Und oft sind sie sehr subtil, wie in diesem Fall, wo Macdonalds Detektiv Lew Archer bei der kalifornischen Villa einer reichen Klientin ankommt:

„A heavy woman in a blue-linnen smock came out on the service porch and watched me climb out of the cab. ‘Mr. Archer?’

‘Yes, Mrs. Sampson?’

‘Mrs. Kromberg. I’m the housekeeper.’ A smile passed over her lined face like sunlight on a plowed field“ (The Moving Target, New York 1979, 2).

Auch gesellschaftliche Bezüge metaphorisiert der Autor auf geniale Weise. Hier kommt Lew Archer in einem Canyon an, in dem die Sehr-Reichen ihre versteckten Anwesen haben:


„The light blue haze in the lower canyon was like a thin smoke from slowly burning money“ (The Moving Target, New York 1979, 1)

Kurz und gut: Da kann unsere Metaphernkönigin Juli Zeh noch viel lernen.


Das Schönste für mich: Die offenbar besten Krimis von Ross Macdonald kenne ich noch gar nicht. Mit The Drowning Pool, The Galton Case, The Chill und The Blue Hammer werde ich in Berlin einen kalifornischen Sommer verbringen.

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