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Montag, 6. Juli 2015

Koos Huizenga ist tot: Hommage an einen Wirt und seine Kneipe


Koos Huizenga, 1942-2015
An der Vissersbrug am Rande der Altstadt von Groningen liegt De Sleutel, eines der typischen niederländischen braunen Cafés.  De Sleutel war in den neunziger Jahren die schönste Kneipe der Welt. Sie hatte nur an drei Abenden geöffnet: von Donnerstag bis Samstag. Vor acht Jahren hat Koos Huizenga, der Wirt, sie verkauft. Von außen und von innen sieht sie noch genauso schön aus, wie wir sie in den neunziger Jahren kennengelernt haben, aber das was ihr Wesen ausmachte, ist futsch, verschwunden, vergangen, vorbei.


Koos war ein Wirt, der nicht nur wusste, wie eine schöne Kneipe aussehen muss, sondern auch, wie man ein schönes Publikum bekommt und wie dieses schöne Publikum sich wohl und immer wohler fühlt. Über der Tür hing ein Schild, dass dies eine Sozietät sei, eine Art Club, der eine Mitgliedschaft erfordert; das hatte er zur Abschreckung hingehängt. Wer kam zu ihm? Leute aus dem Stadtviertel, arme Künstler, reiche Händler, Stadtpolitiker aller Parteien, größere und kleinere Unternehmer, Unileute (nicht zu viele), Studenten (wenige; überhaupt war es eher eine Kneipe für Leute von 40 aufwärts) und angenehme Säufertypen, die es aber nicht übertreiben durften (also noch einmal Leute aus allen bisher genannten Kategorien).


War das ein schönes Publikum? Nein, es reicht nicht, ein paar Leute zusammenzuwürfeln, es kommt darauf an, sie zu verändern. Koos vollbrachte Abend für Abend das Wunder, allen das Gefühl zu geben, gleichzeitig privat am Tisch unter sich und öffentlich im Ganzen auf eine höhere Art zuhause zu sein. Im Laufe so eines Abends mischten sich die Tische stets neu und schaukelten sich in Gesprächs-, Musik- und Alkoholwogen empor, immer auch unter der Regie des Wirtes, der alles sah, vieles mit seinem Witz förderte und möglichen Unfrieden im Keim fortzauberte. Und auch die Zwischenräume waren wichtig, die Theke und die Möglichkeit, in Gruppen zusammen zu stehen (die Sitzplätze reichten sowieso nicht). Im Laufe der Jahre kannte jeder jeden und grüßt sich noch heute in den Straßen von Groningen.
Café De Sleutel, Groningen, Noorderhaven 72
An besonderen Tagen wie dem Koninginnedag traten kleine Kapellen auf, und es wurde gesungen. Und in seltenen Momenten sang Koos auch, er war seit Jahrzehnten eine lokale Legende als Unterhaltungstalent und Chansonnier. Eines seiner schönsten Lieder, „De kastelein van Sier“,  handelt von einer Kneipe auf Ameland, die untergegangen ist, im wörtlichen Sinne, aber in der sich noch immer eine fröhliche Gesellschaft unter der Obhut des Wirtes trifft.


Nach dem Verkauf des Sleutel ist Koos alt geworden; er trank zu viel (aber das hat er immer getan), bastelte an seinem neuen Häuschen, das an derselben Gracht steht, und er wurde krank. Er hat noch lange durchgehalten. 

Gestern ist Koos im Alter von 72 Jahren gestorben. Sein erreichtes Alter hatte all die Jahre als Hausnummer groß über der Haupteingangstür des Sleutel gestanden. Sie ist jetzt für immer geschlossen.

Wir haben heute auf ihn angestoßen.

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