Zwei der
schönsten Passagen: die Beschreibung des tropischen Gartens der Freundin des
Protagonisten, in dem das Paar dann seine erste Vereinigung erlebt. Erst also
der Garten in seiner pflanzlichen Pracht, dann das postgenitale Sexerlebnis im
26. Jahrhundert. Was das genau bedeutet, verrate ich nicht, aber es geht um
ungeahnte Körpersensationen, für die Jirgl unglaubliche Sprachergüsse und –zuckungen
bereithält, seitenlang (142-148). Die ganze Szene ist wahrscheinlich als
überhöhte Darstellung des jüdischen Laubhüttenfestes gedacht (Buch Esra!).
Ein anderes
Beispiel: die Beschreibung eines Ausflugs des Protagonisten auf der
lebensfeindlichen Marsoberfläche. Das sind Landschaftsbeschreibungen von einer
im wahrsten Sinne des Wortes überirdischen Schönheit und Rauheit. Auch diese
Szene hat einen Kulminationspunkt in der Begegnung mit einer menschenähnlichen,
aber metallisch-felsigen Struktur am Eingang einer Schlucht. Sie ähnelt in
ihrer Form dem Denker von Rodin, aber ihre wahre Natur bleibt ein Geheimnis.
Marspanorama |
Ich will
aber hier und heute eigentlich nur feststellen, dass ich mein Lesetagebuch zu
diesem Roman beende, da es nur immer wieder neue sprachliche und inhaltliche
Sensationen festhalten kann, die aber in ihrer Summe nicht zur Essenz des Ganzen
führen. Ich habe das Buch ausgelesen und bin davon beeindruckt wie von keinem
anderen deutschen Roman der letzten Jahrzehnte. Wenn ich dazu etwas schreiben
möchte, dann wird das ein langer Artikel, für den ich mich aber noch mit Jirgls
früheren Werken beschäftigen muss, deren Motive hier alle zurückkehren. Das
übersteigt zunächst einmal den Rahmen dieses Blogs.
Meine
Vermutung, dass es sich um einen BRD/DDR-Roman handelt, muss ich zum Teil zurücknehmen.
Jirgls Konzept geht um Dimensionen darüber hinaus. Und das ist offenbar auch
schon in seinen vorhergehenden Romanen (u.a.:) „ Die Stille“ (2009), „Die transatlantische
Mauer“ (2000) und „Hundsnächte“ (1997) der Fall, die ich alle bisher nicht
beachtet habe.
Ich empfehle
allen Lesern: Vergesst (oder vergesst nicht!) Ransmayr, Sebald, Krausser,
Kracht und all die anderen! Macht Platz (macht Leseplatz und
Ehrfurchtsdistanz!) für Reinhard Jirgl, den bedeutendsten deutschen
Schriftsteller der Gegenwart. Lest ihn, aber seid gewarnt: Einfach ist er
nicht! Und er ist gefährlich: Seine Sprache und Gewalt bringt euch an den Rand
der Existenz.
Hört ihm zu. Hier klingt noch alles ganz erträglich:
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