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Sonntag, 3. November 2024

Wilhelm Busch (10): Brumm brumm!

 

Gripsgraps; Brumm brumm.

Pitsch plauz! Klabumm!

Autsch! Bauz! Ha! Hu!

Tak tak: Habuh.

Hopsa, huldje!

Höh, höh, Bäbä!

Schnatterat Schrapp?

Schlapp-Schlupp? Schwipp-Schwapp?

Ritzeratze

Kritze kratze…

Husch! Meck, meck, meck

Quarks dreckeckek!

Klirr! Zing! Perdatsch!

Rumbums Radatsch

Rallalala

Kraha- kraha-

Haptschih! Haptschüh!

Susu. Nu jüh.

 

Buschs Biographin Gudrun Schury scheint großen Spaß gehabt zu haben, diese „Lautsonate“ aus dem Werk von Busch selbst zusammenzustellen (vgl. Gudrun Schury, Das Leben des Wilhelm Busch, Berlin 2007, S. 261). Sie will damit offenbar auf seine modernistischen Erneuerungen hinweisen. Und wir sind ja auch ganz amüsiert.

Sie überschreitet damit allerdings einerseits ihre Aufgabe als Biographin und verfälscht andererseits sogar auf anachronistische Weise die innovierenden Aspekte seines Werks. Denn Busch war natürlich kein Dadaist: diese Lautsonate hätte für ihn keinerlei Sinn gemacht. (In die deutsche Literatur kommt das erst in der nächsten Generation mit Morgensterns „Das große Lalula“, 1905  und Kurt Schwitters „Ursonate“, 1923/32.)

Buschs lautmalerischen Neologismen haben dagegen jeweils eine situationsgebundene Funktion im Text-Bild-Zusammenhang und werden aus der dazugehörigen Szene heraus verständlich. Er verwendete bereits pur onomatopoetische Neubildungen wie „klabumm“ neben sogenannten Inflektiva wie „klirr, husch, brumm“.

Was Busch in seinen Bildergeschichten der 60/70/80ger Jahre macht, wird in den amerikanischen Comics ab Ende des Jahrhunderts weiterentwickelt. Der Verleger des New York Journal, William Randolph Hearst, hatte in Deutschland Buschs Werke gesehen und gab dem jungen  deutschstämmigen Zeichner Rudolph Dirks den Auftrag, etwas Vergleichbares zu entwickeln. Heraus kamen die heute immer noch existierenden „The Katzenjammer Kids“ (1897), deren Protagonisten Hans und Fritz direkt von „Max und Moritz“ hergeleitet waren. Dirks‘ Weiterentwicklung dabei war die Integration der direkten Rede ins Bild in Form von Sprechblasen. All diese Errungenschaften werden in unserer Gegenwart immer noch gerne genutzt.





Aber jetzt mache ich erst mal Schluss. (Gähn!)


Sonntag, 27. Oktober 2024

Zwergenzyklus (10): Winterzeit


Abbildung: ChatGPT

Glücksstunde

 

Am Ende unsrer Sommerzeit

Ist’s - endlich! - wieder mal so weit:

Die Zwerge gehn zum Uhrenturm

Und stelln die Riesenturmuhr um.

 

Sie drehn, Gesichtchen voller Glück,

Mit aller Kraft die Zeit zurück.

Dann schnarchen sieben um die Wette

Noch stundenlang im Kuschelbette.


Samstag, 19. Oktober 2024

Deutscher Buchpreis 2024 - Zur Poetologie von Clemens Meyer

              Deutscher Buchpreis 2024 

              Aus dem Zyklus „Schneewittchen 2.0“

              (Zur Poetologie von Clemens Meyer)

              Schneewittchen nahm teil in der Kategorie:

              „Schöner als ich? Das gab’s noch nie!“

              Das schrieb sie auch den Brüdern Grimm:

              „Ohne mich hat das keinen Sinn!“

 

              Und als sie den Buchpreis nicht bekam,

              Da fing sie laut und wild zu zetern an:

               „Ihr Wichser! Wisst ihr denn nicht, Euer Ehren:

               Ich muss zuhause sieben Zwerge ernähren!

 

               Allein meine tägliche Garderobe,

               Obwohl vom Modehaus stets nur zur Probe,

               Kostet mich dennoch ein Vermögen,

               Nur um Tausende für mich zu erregen.

 

               Und um so schön zu sein wie ich es bin,

               Bedarf es mehr als der Brüder Grimm:

               Ich steige über mich selbst hinaus

               Und wenn ich‘s nicht tu, ist alles aus!“

 

               Den Preis indes erhielt Martina Hefter.

               In dieser märchenlosen Zeit geschieht das öfter.



Bildkonzeption P. Groenewold/Ausführung ChatGPT



Montag, 14. Oktober 2024

Wilhelm Busch (9): Der deutsche Vaudeville-Modernist

Der große Unterschied zwischen Deutschland und dem „Westen“, also Frankreich, England und den USA, was war er? Im politischen Sinn natürlich die komplizierte Herausbildung der demokratischen Herrschaft. Das geschah in Deutschland „verspätet“. Im ökonomischen und damit im soziologischen Sinn aber war die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Ländern des Westens und in Deutschland gar nicht so verschieden: England lag vorne, was die Industrialisierung betraf, Deutschland holte nach 1871 rasant auf, die USA waren die noch kommende Weltmacht, bezogen aber ihre wachsende weiße Bevölkerung aus all diesen europäischen Staaten.

Im Falle der Beurteilung Wilhelm Buschs geht es jedoch um ein kulturell-ästhetisch-soziologisch verquicktes Thema, nicht um ein politisches. Klotz’ Argumentation führt in die falsche Richtung bzw. sie ist simplifizierend.

Buschs Bildergeschichten sprachen ein sich diversifizierendes und schnell wachsendes  Konglomerat bürgerlicher, kleinbürgerlicher und subbürgerlicher Menschen an. Sie illustrierten deren Alltags- und Arbeitswelt, die sich in all diesen Staaten immer mehr vom kulturbestimmenden Bildungs- und Wohlstandsbürgertum  (und schon gar von der Aristokratie) unterschied.

Insofern ist Buschs Werk nicht Ausdruck eines großen politischen Unterschieds zwischen Deutschland und dem Westen, sondern im Gegenteil einer deutlichen kulturell-ökonomisch-soziologischen Ähnlichkeit.

England erfuhr in jenen Jahrzehnten mit den Music-Halls einen kulturellen Umschwung „unterhalb“ der aristokratisch-bürgerlichen Hochkultur, Frankreich erlebte eine Diversifizierung seiner elitären Unterhaltungskultur durch die Vaudeville-Theater, und die jungen Vereinigten Staaten fingen sowieso erst an, ein breites Kulturleben zu entwickeln, das genau auf diesen neuen, chaotischen, modernistischen, massenbegeisternden aus Europa herüberwehenden Vaudeville-Elementen aufbaute.




Und Deutschland? Dort war im kulturellen Sinne das landesspezifische Bildungs- und Großbürgertum bestimmend. Eine große Rolle spielte auch der Umstand, dass Deutschland bis 1871 aus einer Vielzahl politisch und kulturell konkurrierender Fürstentümer bestand und über zahllose kulturelle Institutionen verfügte, Theater, Opernhäuser, Orchester, bis heute weckt dieser Reichtum Bewunderung.

Auf dieser Ebene hatte die ordinär-agressiv-lustige Vaudeville-Bewegung des Westens keine großen Chancen in Deutschland. Mehr als ein Jahrhundert lang artikulierte sich eine selbstüberhebende deutsche Arroganz über diese „Kulturlosigkeit“. Sie wusste sich auch in den Nationalsozialismus zu integrieren und ihn zu überleben.

Die Ästhetik des Vaudeville dagegen war aber durchaus auch in den entsprechenden Schichten in Deutschland angekommen, nicht in den Theatern, aber auf Papier, im sich rasch ausweitenden Kolportagebuchhandel. Ihr beliebtester Repräsentant war Wihelm Busch mit seinen Bildergeschichten! Mit Max und Moritz, Fipps, der Affe, Hans Huckebein, der Unglücksrabe und später mit dem gewaltigen Erfolg des Sammelbandes  „HumoristischerHausschatz“.



Wilhelm Busch (8): Wilhelm Busch und die deutsche Literaturwissenschaft

Die deutsche Hochgermanistik hat sich immer auf vornehme Distanz zum „Volksschriftsteller“ Wilhelm Busch gehalten. Gute Analysen seiner Werke gibt es kaum, Biografien stammen eher nur von Journalisten. Die DDR-Germanistik hat ihm, obwohl Busch nun wirklich kein früher Sozialist war, in ihrer verdienstreichen „Geschichte der deutschen Literatur“ (8. Band, Zweiter Halbband, Berlin 1975), eine Reihe klug formulierter Seiten gewidmet, die ein Gespür für die Gesellschaftsgebundenheit Buschs zeigen.

In  der 68er-Generation nahm auch die BRD-Germanistik die Spur auf: Gert Ueding mit seinen zwei Bänden „Wilhelm Busch. Das 19. Jahrhundert en miniature“, Frankfurt am Main 1977 und „Buschs geheimes Lustrevier. Affektbilder und Seelengeschichten des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert, Berlin/Wien 1982.  Seine Betrachtungen sind allerdings so breit und allgemein, dass vom Spezifischen an Wilhelm Busch nicht viel übrig bleibt.

In dem von Michael Vogt herausgegebenen Band „Die boshafte Heiterkeit des Wilhelm Busch“ (Bielefeld 1988; der Titel zeugt schlichtweg von Hilflosigkeit) sind sieben Beiträge versammelt, die auf die „Brüche, Verwerfungen und Abgründigkeiten eines nachhaltig deformierten kollektiven Affekthaushalts“  (Klappentext) verweisen sollen. Worauf dies hinauslaufen sollte, hat Volker Klotz zu einem damals gängigen Interpretationsschema konstruiert:

„Was Busch so inständig ins Bild setzt, ist Ausdruck eines fortdauernden, bis zum heutigen Tag noch unverheilten kollektiven Traumas. Es ist das Trauma der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848. (…) unverkennbar sind es die leitenden Grundsätze der bürgerlichen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - , die Busch in seinen Bildergeschichten fratzenhaft heraufbeschwört. (…)

Das Bürgertum in Deutschland hat (…) durch fortschreitende Kapitalisierung und Industrialisierung bewirkt, daß eine andersartige, ungewollte Gleichheit hereinbrach.. Die relative Gleichheit der Meisten im Zustand entfremdeter Arbeit und entfremdeter Natur. Buschs Helden spielen vor, wie das ist: wenn unterschiedslos der eine wie der andere mechanisch um sich schlägt in der immergleichen Objektrolle gegenüber anonymen Gewalten, die sie nicht kontrollieren können. Beim Aufstand der toten Gegenstände gegen die Menschen, die doch einmal diese Gegenstände zum eigenen Besten hervorgebracht haben. Aber auch beim Aufstand ihrer eigenen Triebe – des Hungers und des Dursts, der Sexualität und der schieren Narretei (…).“


 


Volker Klotz macht hier Gebrauch von einem in der 68er Generation beliebten simplifizierenden Argumentationsmuster: Die Generation der Kinder der Täter litt nämlich selber an einem Trauma, dem Trauma der Unerklärbarkeit des Holocaust, dem Trauma der deutschen Schuld. Das Fehlen einer bürgerlichen Revolution wurde gerne als Erklärung für das Aufkommen des Nationalsozialismus angeführt.

Klotz berichtet, dass er hiermit bei seinen Vorträgen im Ausland mehr Zustimmung erfahren hat, als in der Bundesrepublik.