Zwei Drittel davon habe ich übrigens auch gelesen. Keines hat mit Maoismus zu tun. Auch die Klassiker des Marxismus sind nicht vertreten. Am Ende zitiert er aus dem „Handorakel“ des Jesuiten Baltasar Graciàn, einer Verhaltenslehre aus dem Jahr 1647, drei von dreihundert Regeln:
„Sich zu entziehen wissen“, „Nie sich beklagen“, „Nichts setzt den Menschen mehr herab, als wenn er sehn lässt, dass er ein Mensch sei…“ (Suche, S. 114f.).
Mir wurde nicht deutlich, ob das nun sein Programm war oder eine Problematisierung. Ob sein Sohn mit dem Büchlein zufrieden war, ist mir nicht bekannt.
Nun hat Lethen 2020 eine umfangreichere Autobiografie (382 Seiten) geschrieben, die er seinen insgesamt fünf Söhnen widmet. Sie trägt den Titel „Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug“. Teile seiner Suche von 2012 sind darin verarbeitet. Auch in diesem Buch hangelt er sich an vielen Büchern entlang, die in seiner intellektuellen Karriere eine Rolle gespielt haben. Eine Liste davon ist weder am Anfang noch am Ende aufgenommen. Aber es gibt als Motto ein Zitat aus Theodor W. Adorno, „Negative Dialektik“:
„Was irgend das Ich introspektiv als Ich zu erfahren vermag, ist auch Nichtich… Eingeholt wäre das Grauen von Depersonalisierung erst von der Einsicht ins Dinghafte der Person selbst.“
Ich habe mich in letzter Zeit für verschiedene Formen autobiografischen Schreibens interessiert und werde nach der Beschäftigung mit Lethen weitere Beispiele besprechen. Ich bin jetzt zunächst auf der Suche nach Antworten, ob Helmut Lethen sich in seiner Autobiografie entzogen hat oder nicht, ob er sich beklagt oder nicht, ob er sehen lässt, dass er ein Mensch ist oder nicht und ob er Einsicht ins Dinghafte der Person hat oder nicht.
Das finde ich für ein autobiografisches Projekt eine gute Fragestellung.
Dazu stellt sich mir die Frage: Wenn ein Vater seine Autobiografie seinen Söhnen widmet, was kann das für Form und Inhalt des Buches bedeuten?
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