In einem Online-Artikel der „Welt“ habe ich
von Lara Konrads Instagram-Account erfahren. Die dreißigjährige New Yorkerin
deutscher Abkunft veröffentlicht dort unter dem Label „Emotional Consumerism“ ihre
Fotos, die sie jeweils mit einem kurzen englischen Text versieht. Sie hat
aktuell mehr als 1500 Abonnenten. Der Welt-Redakteur Andreas Rosenfelder
vermutet hier das Entstehen einer neuen Poesie im Netz, macht aber keinen Versuch,
sich und uns den Erfolg dieser merkwürdigen Fotos und Texte zu erklären.
Hier ist mein Beitrag dazu:
In unseren Sehgewohnheiten erwarten wir beim
Betrachten eines Fotos in den Medien eine erklärende Unterschrift zum
abgebildeten Motiv/Objekt und eventuell eine Ortsangabe. Wahrnehmungsphysiologisch ist dabei das Bild
immer primär; es ist konkret, es zeigt ein Element aus der Wirklichkeit, es
fängt unseren Blick ein. Der hinzugefügte Text ist sekundär; er ist schon durch
seine Sprachlichkeit abstrakt und erfordert den Akt des Lesens und Verstehens,
aber er hilft uns bei der Einordnung des Bildes.
Der begleitende Text lautet hier: "Her Photographs, saved in old metal chocolate boxes". |
Lara Konrad unterläuft diese
Wahrnehmungsgewohnheiten und Sinnerwartungen. Sowohl ihre Fotos als auch ihre
Texte befinden sich in einem Unbestimmtheitsmodus. Ob es sich nun um Körper,
Gesichter, Gebäude, Natur- und Landschaftselemente oder Objekte handelt: nie ist der Fokus
der Aufnahme darauf zentriert, immer wird das Motiv in abgeschnittener
und/oder unscharfer Weise gezeigt. Oft bringt die Fotografin Teil-Selfies von
Gesicht und Körper, Körperteilen, bekleidet und unbekleidet, mit einer Bildausschnittserotik, die sich an die Erotik
eines ausgeschnitten Kleides anlehnt. Sex ist aber nur ein mittelbares Thema ihrer Bilder, obwohl das Ganze ohne ihn wahrscheinlich gar nicht funktionieren würde.
Der begleitende Text lautet hier: "Woman, the purpose of beauty fades and after we're almost anything". |
Der Betrachter/Leser ist und bleibt also in einer
vergeblichen Sinngebungsschleife gefangen. Die Augen wandern vom Bild zum Text,
vom Text zum Bild, hin und zurück, zurück und hin. Dieser Vergeblichkeits-Loop
ist das Geheimnis der Wirkung und des Erfolgs von Lara Konrads Werk.
Ähnlich
wie bei den Kurzgeschichten Kafkas, übrigens.