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Mittwoch, 23. November 2016

Die deutsche Unendlichkeitsscham

„Ach, wir Deutsche vermögen nicht zu heucheln, und wenn wir Liebe wollen, wird’s Selbstmord und Mord, in allem und jedem wird’s Selbstmord und Mord, und wenn wir uns dazu nicht entschließen, so bleibt uns nichts als das Unendlichkeitsdunkel, nichts als die Unendlichkeitsunsicherheit, nichts als die Unendlichkeitsscham. Oh, traurig, so traurig…”


Hermann Broch, Die Schuldlosen (1950), Frankfurt am Main 1994, S.153

Sonntag, 13. November 2016

Kerkelings Lieblingslied

Da es angesichts der Weltenwende in der Politik nichts mehr zu lachen gibt, muss ich wenigstens in meinem Blog, das in letzter Zeit durch Überliterarisierung zu verarmen droht, etwas gegensteuern und zwar mit dem begnadetsten Talent unter all den schrägen und windschiefen Komikern in der deutschen Fernsehwelt: Hape Kerkeling (großväterlicherseits ein Niederländer!) mit seiner Version von "Der Junge mit der Mundharmonika":





Das Original, gesungen von Bernd Clüver 1973 ist hier zu bewundern.

Schweizer Buchpreis für Christian Krachts Roman "Die Toten"

Na, jedenfalls zuhause in der Schweiz ist die Welt für ihn noch in Ordnung: Christian Kracht hat den Schweizer Buchpreis 2016 gewonnen. Dafür muss man aber auch mindestens in der Schweiz wohnen. (Ist er nicht zu oft weg?)

Mittwoch, 9. November 2016

Weltende?



Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,

in allen Lüften hallt es wie Geschrei.

Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei

und an den Küsten - liest man - steigt die Flut.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen

an Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.

Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.

Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.


Jakob von Hoddis (1911)

Dienstag, 8. November 2016

Findelverse (2): Adolf Glaßbrenner, 1-10

Adolf Glaßbrenner (1810-1876)
Adolf Glaßbrenner, 1-10

An Deutschlands bald’ger 1heit
Da 2fle ich noch sehr;
Ick jebe keenen 3er
4 diese Hoffnung her.
5 Nationalitäten
Sind, wo 6 Deutsche stehn,
Die alle abzu7,
Gebt 8, det wird nich jehn:
Viel sind dem 9 noch abhold
Vom Scheitel bis zum 10.

Aus: Adolf Brennglas, März-Almanach Leipzig: Mittler 1849, S. 85

Montag, 7. November 2016

Wow!

Günter Bruno Fuchs (1975)
Günter Bruno Fuchs

Geschichte aus der Großstadt

Nachts geht der Hund über die Straße. Spaziert. Beide Augen sehen.
Weißt du, sagt ein Fenster zum Hund, mal hast du die Geschichte Wau erzählt. In der Nacht eine gute Geschichte. Und du hast, das weiß ich, etwas für dich behalten.

Aus: Clara Paul (Hrsg.), Überraschung! Die besten Sekundenstorys, insel taschenbuch 4364, Berlin 2015, € 6,00, S. 10


Kürzestgeschichten haben immer mein Interesse. Letztes Jahr ist Clara Pauls wunderbare Sammlung von internationalen „Sekundenstorys und Minutennovellen“ erschienen. Natürlich sind auch Kafka, Robert Walser, Peter Bichsel und Thomas Bernhard dabei.